Am 4. August wäre Bischof Bernhard Huhn 100 Jahre alt geworden
„Wir sind zur Freude geboren“
Bischof Bernhard Huhn verabschiedet sich bei der Bistumswallfahrt 2007 mit Geigenspiel, dahinter der ehemalige Generalvikar Peter C. Birkner. Bischof Rudolf Müller spielt am Elektroklavier. Fotos: Raphael Schmidt |
Wallfahrtstag 2. September 2007, während der Wallfahrtsstunde auf der Scheibe in Neuzelle: Altbischof Bernhard Huhn spielt mit der Geige auf. Er wird auf dem Keyboard begleitet von seinem Nachfolger Rudolf Müller, inzwischen ebenfalls Altbischof. Zwischen ihnen hält der ehemalige und langjährige Generalvikar Peter C. Birkner Mikrofon und Noten. Die drei Herren sitzen vor vielen hundert Wallfahrern. Unter ihnen befindet sich der neue Bischof von Görlitz, Konrad Zdarsa.
Dies war ein denkwürdiger Tag. Die Wallfahrer waren voll Freude, ihren Altbischof wieder gesehen zu haben. Erst im Nachhinein wurden allen bewusst, dass dies ein Abschied war – sein Abschied. Am Abend brach Bernhard Huhn zusammen und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Zwölf Tage später, am Fest Kreuzerhöhung, 14. September, starb er in Görlitz. So schmerzvoll der Abschied für alle war: Die Wallfahrtsstunde blieb den Menschen im Gedächtnis und wurde als Abschiedsrunde verstanden. Bischof Huhn hatte noch einmal mit seinem Geigenspiel seine Lebensfreude gezeigt und weitergegeben.
Jugend in Deutschlands dunkelste Zeit
Bernhard Huhn wurde vor 100 Jahren am 4. August 1921 im schlesischen Liegnitz geboren. In seiner Jugend durchlief er Deutschlands dunkelste Zeit, musste Soldat werden und geriet in Gefangenschaft. Erst 1949 wurde er freigelassen. Er setzte sein Theologiestudium fort und wurde am 20. Dezember 1953 in der Neuzeller Kirche zum Priester geweiht. Seine erste Kaplansstelle trat er in der Pfarrei St. Jakobus in Görlitz an. Er wurde Diözesanjugendseelsorger, Rektor des Katechetenseminars, Seelsorgeamtsleiter und schließlich Generalvikar. Kapitelsvikar Gerhard Schaffran war 1970 zugleich zum Bischof von Meißen ernannt worden, so dass er im bischöflichen Arbeitsfeld eine Hilfe benötigte. Daher ernannte Papst Paul VI. 1971 Bernhard Huhn zum Weihbischof in Görlitz. Am 11. Dezember 1971 spendete Gerhard Schaffran ihm die Weihe. Seinen Wahlspruch: „Gaudete in Domino – Freut euch im Herrn“, nach Phil 4,4, lebte er. Huhns Lied: „Wir sind zur Freude geboren“, wurde inzwischen zur Hymne.
Papst Paul VI. ordnete am 28. Juni 1972 die Diözesanstrukturen in den ehemaligen deutschen Ostgebieten neu. Anstelle des alten Erzbistums Breslau wurden ein neues Erzbistum Wrocław und weitere Bistümer errichtet. Das Görlitzer Kirchengebiet wurde zu einer „Apostolischen Administratur“ erhoben. Für diesen Kirchenbezirk wurde Bernhard Huhn zum „Apostolischen Administrator“ bestellt. 22 Jahre versah er dieses Amt.
Mit der politischen Wende brach auch der Gedanke wieder auf, in Görlitz ein Bistum zu errichten. Die neuen Reisemöglichkeiten nutzend, fuhr Bischof Bernhard Huhn nach Rom. Dort wurde Anfang Februar 1990 ohne vorherige Absicht plötzlich auch die Frage der Errichtung des Bistums Görlitz aufgeworfen. Nach Beratungen in verschiedenen diözesanen Gremien sprach Bischof Bernhard Huhn bei Kardinal Joachim Meisner und Bischof Karl Lehmann vor. Beide griffen diese Frage positiv auf, wollten sie aber eingebunden wissen in eine „gesamtdeutsche Lösung“.
Mit der auf den 27. Juni datierten Urkunde errichtete Papst Johannes Paul II. zum 8. Juli die Kirchenprovinz Berlin und damit das Bistum Görlitz. Zugleich ernannte er Bischof Bernhard Huhn zum Apostolischen Administrator des Bistums Görlitz. Zum geplanten Zeitpunkt der Errichtung des Bistums wäre Bischof Bernhard Huhn noch nicht im „Rentenalter für Bischöfe“ gewesen, doch in seiner Bescheidenheit zog er sich zurück und überließ seinem Nachfolger Rudolf Müller die Ehre, erster Bischof von Görlitz zu werden. Mit der Amtseinführung von Bischof Müller am 3. September 1994 ging Bischof Huhn in den Ruhestand. 1996 wurde er Ehrenbürger der Stadt Görlitz.
Bischof Bernhard Huhn wude in der Domherrengruft an der St. Jakobus Kathedrale beigesetzt. |
Bischof Bernhard Huhn zeichnete besonders seine Lebensfreude aus. Er verzweifelte nie an seinen Aufgaben, nahm sie frohen Mutes an. Er verkroch sich nicht in der Arbeit, auch wenn Verwaltung nötig und wichtig ist. Aber so behielt sich Bernhard Huhn eine Weitsicht, die über den Alltag hinausging. Dies wurde deutlich an Schritten nach der politischen „Wende“ in der DDR. Er griff sofort die Möglichkeit der Erhebung der Administratur Görlitz zum Bistum auf, auch organisierte er die erste grenzüberschreitende Fronleichnamsprozession. Als deutlich wurde, dass das Priesterseminar in Neuzelle nicht zu halten war, suchte er nach Möglichkeiten, hier einen Orden anzusiedeln oder ein Kirchengeschichts-Institut einzurichten. Letztlich scheiterten diese Überlegungen.
Bei Veranstaltungen wie Kinder- und Ministrantenwallfahrten lernte man immer wieder den „Menschen Huhn“ kennen, wenn aus dem feierlichen Bischof der sportbegeisterte Tormann oder Schiedsrichter beim Fußballspiel der Ministranten gegen die Kapläne wurde. Bei Spielen ging es ihm nicht ums Gewinnen. Er sah Spiele als Mittel zur freudigen Begegnung mit anderen Menschen. Bei Familienwallfahrten in Neuzelle ging er immer wieder gern zu den Menschen, die zur Mittagszeit zum Picknick auf dem Stiftsplatz lagerten. Zur Verabschiedung schritt er gern an den Bussen entlang.
Bernhard Huhn hatte seine Vorbilder und Wegbegleiter. An erster Stelle war das Gerhard Schaffran, der ihn in Görlitz mit immer größeren Aufgaben betraute. Huhn war von Schaffrans Geradlinigkeit und Zielstrebigkeit angetan. Mit dem „einfachen“ Pfarrer Alfred Franke war er seit seiner Studienzeit befreundet – und blieb es. Als Karol Wojtyła, Erzbischof von Krakau und Kardinal, auf einer Reise nach Erfurt war, nahm Bernhard Huhn den Gast in seinem kleinen Haus im Amselgrund in Görlitz auf. An diese Begegnung erinnerte sich Wojtyła als Papst Johannes Paul II. immer wieder gern.
Als Leiter des Bischöflichen Ordinariats übernahm er von seinem Vorgänger eine geordnete Verwaltung. Da diese aber über verschiedene Häuser verteilt war, organisierte er für die Pfarrei St. Jakobus den Bau zweier Häuser, so dass das weiter entfernt stehende Pfarrhaus als Ordinariat genutzt werden konnte. Obwohl der Görlitzer Kirchenbezirk nur ein kleines Gebiet war, schaffte es Bernhard Huhn, bistumsähnliche Strukturen aufzubauen: mit Prokathedrale, Domkapitel, Generalvikar, Konsistorium, Priesterseminar und Caritas. All das waren entscheidende Punkte, die dazu beitrugen, dass das kleine Görlitzer Gebiet seine Eigenständigkeit belegen konnte. Ohne die langfristig gedachten Perspektiven Bernhard Huhns wäre es dazu wohl nie gekommen.
Von Winfried Töpler