Rolle von Religion beim Auswärtigen Amt
Wird Religion unterschätzt?
Das Auswärtige Amt finanziert die Religionskonferenzen in Lindau nicht mehr und beschäftigt keine Religionsvertreter mehr als Berater. Und dann hat es auch noch Ärger um ein abgehängtes Kreuz gegeben. Was ist da los?
Der Aufschrei war groß, als bekannt wurde, dass im Münsteraner Friedenssaal für ein Treffen der G7-Außenminister das Kreuz abgehängt wurde. „Gottloses G7 in Münster“, titelte die „Bild“-Zeitung. Am selben Tag Anfang November wurde auch bekannt, dass das Auswärtige Amt künftig keine internationalen Religionskonferenzen in Lindau mehr finanziell unterstützt. Das Ministerium bestätigte zudem, dass es in seinem Referat „Religion und Außenpolitik“ keine Religionsvertreter mehr beschäftigt. Wird im Auswärtigen Amt dem Thema Religion keine Bedeutung mehr zugemessen?
Ein Rückblick: Unter der Ägide des damaligen Außenministers Frank-Walter Steinmeier wurde vor sechs Jahren das Referat „Religion und Außenpolitik“ im Ministerium eingerichtet. Ziel war es, den Einfluss der Religionen besser zu verstehen und deren Potenzial für friedliche Konfliktlösungen zu stärken. Ein Jahr später kam Benediktinerpater Nikodemus Schnabel aus der Dormitio-Abtei in Jerusalem hinzu, der zwei Jahre als Religionsvertreter in dem Referat tätig war.
Ihm sollten 2020 Vertreter verschiedener Religionen nachfolgen. Ein evangelischer Pastor, ein Rabbiner und eine Muslima: die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nurhan Soykan. Kritiker warfen der Frau jedoch vor, sich nicht genug von Antisemitismus und Islamismus zu distanzieren. Die Berufung wurde aufgehoben und schließlich alle drei Verträge auf Eis gelegt.
Schon einst unter Hausherr Heiko Maas sei intern kaum jemand davon ausgegangen, dass das Modell so wieder aufgenommen werde, hieß es jetzt. Eine Prüfung durch externe Berater habe ergeben, die Beratungen durch die Religionsvertreter nicht zu verlängern. Der letzte Vertrag sei im April 2021 ausgelaufen – also weit vor dem Amtsantritt der Grünen-Außenminis-
terin Annalena Baerbock.
Benediktinerpater Schnabel kritisierte nach der Bekanntgabe, dass „angesichts der heutigen Weltlage dieses Instrumentarium ohne Not aufgegeben wird“. Auch der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, wünschte sich, dass weiterhin „die Religionen als Faktor in der Außen-, Sicherheits- und Friedenspolitik eine große Rolle“ spielen.
Hinter vorgehaltener Hand gab es aber auch Kritik aus kirchlichen Kreisen an dem Referat: Die dort angestoßenen Projekte seien zumindest teilweise nicht nachhaltig. Dazu zählten Kritiker die internationale Religionskonferenz in Lindau. Am Bodensee hatten seit 2019 mehrere Konferenzen stattgefunden. Das Auswärtige Amt argumentierte auch damit, dass Projekte grundsätzlich nur für eine bestimmte Zeit gefördert werden könnten.
Vieles hat die frühere Regierung entschieden
Bleibt das Kreuz im Friedenssaal. Kurz, nachdem das Entfernen bekannt worden war, reagierte das Ministerium: Baerbock sei mit dem Vorgang nicht befasst gewesen, das Abhängen habe protokollarische Gründe. Kurze Zeit später meldete sich die Ministerin selbst zu Wort und nutzte die Abschlusskonferenz des G7-Treffens für ein Statement: Sie habe vom Entfernen erst am selben Tag erfahren und bedauere die Entscheidung, so Baerbock.
Vieles von dem, was Kritiker auf das von einer Grünen geführten Ministerium schieben, wurde in der vergangenen Legislaturperiode entschieden. Klar ist aber auch, dass der gesellschaftliche Stellenwert der Religionen abgenommen hat. Das Ministerium versichert, dass man die Bedeutung der Religionen weiterhin für sehr hoch halte. Und dass das Referat „Religion und Außenpolitik“ für die Pflege von Kontakten zu religiösen Persönlichkeiten und Organisationen auch künftig zuständig sei – auch ohne die Berater aus den Religionen selbst.
Von Birgit Wilke