Geflüchtete im Mittelmeer und auf Lesbos

Wo bleibt Europas Gewissen?

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Seit Jahren scheitert die EU daran, einen menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten zu finden – während der Corona-Krise wurde das Problem einfach verdrängt. Und was tun die Kirchen? Der Papst mahnt immer wieder christliche Werte an, die Evangelische Kirche schickt nun ein Rettungsschiff. 

Tausende Geflüchtete leben im Lager Moria unter erbärmlichen Bedingungen.
Zelte für tausende Menschen: Das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist überfüllt. 

Von Sandra Röseler 

Sieben Jahre ist es her, dass Papst Franziskus auf der italienischen Insel Lampedusa die „Gleichgültigkeit vieler Menschen angesichts der Dramen unserer Zeit“ kritisiert hat. Mit diesem Worten bat er damals um Verzeihung für die tausenden Bootsflüchtlinge, die im Mittelmeer ums Leben gekommen waren. Seitdem muss Franziskus immer wieder an seine eigene Rede erinnern – denn Europa scheitert nach wie vor daran, einen menschenwürdigen Umgang mit Geflüchteten zu finden.

„Das ist ein Armutszeugnis“, sagt Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die EKD schickt im August ein eigenes Rettungsschiff ins Mittelmeer, für das unter anderem auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx gespendet hat. Vertreter der beiden christlichen Kirchen in Deutschland fordern seit Langem, dass das Sterben im Mittelmeer aufhören muss. Aber tun sie auch genug dafür? „Genug tut man nie“, sagte Marx kürzlich. „Solange die Politik keine menschenwürdige Lösung für dieses Problem findet, nicht für den Krieg in Syrien, für die Lager auf Lesbos, solange müssen wir handeln.“

Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland
Unterstützer der zivilen Seenotrettung:
Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender
der evangelischen Kirche. 

Auch Bedford-Strohm will erreichen, dass die Politiker endlich umdenken. Ihr  aktuelles Verhalten sei Europas nicht würdig, kritisiert er. Die Konsequenzen könne man gerade an den europäischen Außengrenzen beobachten, beispielsweise im Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Tausende Menschen müssten dort seit Monaten unter erbärmlichen Bedingungen ausharren und seien der Gefahr des Coronavirus ausgesetzt. „Wenn sich die Pandemie dort ausbreitet, geschieht eine humanitäre Katastrophe auf dem Boden Europas“, sagt Bedford-Strohm.

Papst: die Menschen erleben "die Hölle" 

Seit dem Ausbruch des Coronavirus scheint es so, als ob sich Europa noch stärker vor dem Leid der Geflüchteten verschließt. Plötzlich sollten vorerst doch keine Kinder aus Moria aufgenommen werden, Häfen schlossen ihre Tore für zivile Seenotrettungsorganisationen. Dabei ist das eigentliche Problem nicht das Virus – sondern die Tatsache, dass sich die EU-Staaten nach wie vor nicht einig sind, wie die Menschen verteilt werden sollen.  

Zwar fordert auch Bedford-Strohm einen fairen „Verteilmechanismus“, gleichzeitig betont er: „Wir können nicht warten, bis alle EU-Länder im Boot sind.“ Er hofft auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft: Deutschland und die anderen Länder, die bereit sind, Menschen aufzunehmen, sollten „eine Koalition der Willigen“ bilden. Der politische Wille dazu ist allerdings nicht zu erkennen. 

Stattdessen wollen die EU-Innenminister nun enger mit dem Grenzschutz der Herkunftsländer kooperieren. „Man kann die Menschen nicht daran hindern, ihr Recht auf Asyl wahrzunehmen“, kritisiert Bedf­ord-Strohm. Die Lager, in denen gerade zehntausende Menschen feststecken, seien keine menschenwürdige Option. Ähnlich äußerte sich Papst Franziskus: Man könne sich „die Hölle“ nicht vorstellen, die die Menschen in den Camps erlebten. Der Papst mahnte eine „Gewissenserforschung“ im Umgang mit Geflüchteten und Migranten an. Alles, was Christen „im Guten und im Schlechten“ anderen antäten, täten sie Christus an.