Wo fängt der Glaube an?

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Wie kann man christlichen Glauben in einer Stadt wie Schwerin vermitteln? Das ist auch eine Frage an den eigenen Glauben. Wer bin ich? Wer sind die anderen? Was heißt: Christus begegnen? Solche Fragen sind schwer. Aber sie führen weiter. 

Rudolf Hubert und Weihbischof Eberlein bei der Buchvorstellung in Schwerin
 In Schwerin stellte Rudolf Hubert (2. von rechts) sein neues Buch vor. Gast war auch Weihbischof Horst Eberlein (rechts)  Foto: Andreas Hüser

Wer hat heute noch Interesse an Theologie? Heute ist nicht mehr die Zeit der großen Entwürfe. Und es gibt auch nicht mehr die berühmten Theologen, deren Vorträge große Säle füllten. Der Schweizer Hans Urs von Balthasar (1905–1988) war ein solcher, ebenso Karl Rahner (1904–1984). Ebenso produktiv, aber wegen seiner Kirchenkritik eher zum Außenseiter geworden, ist der heute 78-jährige Eugen Drewermann. 

Buchcover_Rudolf Hubert: Wo alle Sterne verlöschen
„Wo alle anderen Sterne verlöschen – Glaube als
Zukunftsmodell“, Echter-Verlag, 14,90 Euro.

Seine Schriften sind Bestseller. Die Werke von Rahner oder von Balthasar aber werden fast nur von Fachleuten gelesen. Aber auch die schwere Kost lohnt sich. Das zumindest glaubt Rudolf Hubert. Der Schweriner Regionalleiter der Caritas und Kenner Karl Rahners, hat sich die Frage gestellt: Was sagt uns die Theologe des 20. Jahrhunderts zur brennenden Frage des 21. Jahrhunderts: Wie kann christlicher Glaube vermittelt werden? Sein Buch „Wo alle anderen Sterne verlöschen“ gibt zwar keine „Praxistipps“. Hubert blickt eher auf die Voraussetzungen, die der „Vermittlung“ zu Grunde liegen. Und er findet bei seinen Theologen ganz verschiedene Auffassungen. 

„Nichts ist mit Jesus Christus vergleichbar“

Ein Glaube, der wie ein Leuchtturm auf einem hohen Berg steht, so lässt sich die Position von Balthasars beschreiben. „In der ganzen Weltgeschichte gibt es nichts mit Jesus Christus Analoges, und es wird auch nie etwas Derartiges geben.“ Die Menschen müssen demnach das Evangelium als etwas „Unvergleichliches“ annehmen. Wie aber bringt man ihnen dieses Evangelium nahe? So wurde der Theologe einmal gefragt. Seine Antwort: „Vor allem dadurch, dass man die Leute mit dem unverkürzten Evangelium konfrontiert, mit dem integralen Christus.“ 

Eine ganz andere Haltung hat der Konzilsberater Karl Rahner: Jeder Mensch hat schon ein Verhältnis zu Christus, genauer gesagt: Zu Gott, der sich selbst mitteilt. Auch der Nichtgläubige ist nicht ohne Gott. Er begegnet Christus nicht erst, wenn er es selbst weiß und bekennt. Schon der Weg eines Menschen, seine Sehnsucht, seine Fragen, ist von Christus durchdrungen. Der Weg zu einem „wirklichen Glauben“ ist für Rahner „der Weg der alltäglichen und tätig hilfsbereiten Nächstenliebe.“ „Auf diesem Weg“, schreibt Karl Rahner im Tonfall eines Gebets, „begegne ich dir, unbekannt und unerkannt.“ Auch jemand, der Christus gar nicht kennt, kann ihm schon begegnet sein und so etwas wie Glauben haben. Und wie ist es mit bekennenden Atheisten? Rahner spricht von den „bekümmerten Atheisten“, der eine Antwort auf das Rätsel seines Daseins nicht findet. Ein solcher Mensch, so Rahner, ist „vielleicht Gott näher als der, der von ihm nur in gesellschaftlichen Klischees daherredet“. Und der Glaube kann „dort noch gesiegt haben, wo man meint, nicht zu glauben“. 

„Der schönste Lobpreis Gottes ist ein glücklicher Mensch“

In dieser Haltung Karl Rahners – die der Autor Rudolf Hubert unterstützt – , gibt es keine klare Trennung zwischen den Glaubenden und Nichtglaubenden. Die Nichtchristen sind keine geistlichen Habenichtse, und die Christen nicht die stolzen Besitzer ihres Glaubens, den sie in die Welt bringen. 

Der Paderborner Eugen Drewermann, heute 78 Jahre alt, ist nicht nur jünger als Rahner und von Balthasar. Er hat einen seinerzeit neuen Zugang zur Theologie gefunden, indem er als Seelsorger merkte: Mit theologischen Worten allein kann ich Menschen, die mit Ängsten, Komplexen, Unsicherheiten zu mir kommen, nicht wirklich helfen. Drewermann studierte Psychoanalyse. „Befreiung von der Angst“ wurde sein Thema. 

Der Theologe geriet später in Konflikt mit dem kirchlichen Lehramt. Aber er blieb überzeugt, dass Glaube nötig ist, weil sonst die Menschen mit ihren Ängsten und dem Gefühl ihrer Wertlosigkeit nicht klar kommen. Denn mit dem Glauben an Christus können die Menschen erfahren, dass Gott bei ihnen ist und sie in der Liebe Gottes geborgen sind. Drewermann: „Keine bessere Verkündigung ist als ein Mensch, der zu leben beginnt, und der schönste Lobpreis Gottes ist ein glücklicher Mensch. Wem das zu wenig ist, der hat keine Ahnung, wie gefährdet wir wirklich sind, wie ausgespannt zwischen Himmel und Abgrund.“ Deshalb, argumentiert der Theologe, brauchen die Menschen Religion. „Wer, wenn nicht sie, könnte den Menschen sagen, dass sie mehr sind als Übergangsgebilde im Stoffwechselhaushalt der Natur.“  

Wie aber bringen uns solche Überlegungen weiter? Rudolf Hubert ist überzeugt: „In der Kirche wird heute viel diskutiert über Strukturen, Finanzen und Personal. So wichtig das alles ist – die geistliche Dimension darf dahinter nicht zurückbleiben. Wir haben einen Auftrag zum Gebet und zum Gespräch: Besonders mit all jenen, die nicht glauben können. Und dabei helfen uns Glaubenszeugen weiter, von deren Antworten wir lernen können.“

Text u. Foto: Andreas Hüser