Wo Menschen ein Segen sind
Foto: Andreas Hüser
„Es gibt viele schlechte Nachrichten da draußen. Wir wollen euch ein paar gute Nachrichten bringen. Wir wollen euch Menschen zeigen, die Gutes tun“, sagt Mira Enders. Die Journalistin produziert zusammen mit dem Theologen Dr. Gerrit Spallek eine Reihe von Hörbeiträgen (Podcast) mit dem Titel „Stadt, Land, Segen“. Sie gehen dazu in Stadt und Land, das heißt, sie besuchen Orte in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg. Und sie stellen Menschen vor, die ein Segen sind.
„Segen – davon sind wir überzeugt –, ist überall dort, wo das Gute eine Chance hat zu wachsen“, sagt Gerrit Spallek. Mitten in einer Welt, die nicht in Ordnung ist, widmen sich die beiden drängenden Themen der Zeit. „In jeder Folge stellen wir eine Frage, die gesellschaftlich von großer Bedeutung ist.“
Die Idee für diesen Podcast fand von Beginn an großen Anklang. Das Projekt wird unterstützt vom Bonifatiuswerk, vom Verein Andere Zeiten und von der Medienabteilung des Erzbistums.
In der ersten Folge, die im Dezember 2023 ins Netz ging (https://stadtlandsegen.de) geht es um die Frage: „Was mache ich, wenn mein Nachbar rechts ist?“ Der vorgestellte Segensmensch ist Norbert Koschmieder. Norbert Koschmieder lebt in Nordwestmecklenburg in der Nähe von Grevesmühlen, ist Gemeindereferent und seit langem in der Flüchtlingsarbeit engagiert. Druck von rechts bekommt er quasi „automatisch“. Ein Dorf in seiner Nachbarschaft ist als „Nazidorf“ berüchtigt für seine rechtsradikale Szene. Aber auch anderswo begegnet Norbert Koschmieder ähnlichen Tendenzen. „Es gab hier in der letzten Zeit einen riesigen Rechtsrutsch.“ Die Rechtsradikalen von heute, so hat er beobachtet, sind unauffällig geworden. Sie treten nicht mehr als Rabauken und glatzköpfige Schläger auf, sondern als der „nette Nachbar von nebenan“.
Auch Christen in den Kirchengemeinden fühlten sich zunehmend von rechter Ideologie angesprochen.
Was tun, wenn der Nachbar rechts ist, das heißt: vom Hass erfüllt ist gegenüber Ausländern, Flüchtlingen oder Juden, die Demokratie ablehnt und eine autoritäre Staatsordnung fordert? Koschmieder sagt: Menschen mit fester rechtsradikaler Weltanschauung kann man mit Argumenten nicht überzeugen. Da bleibe am Ende nur zu sagen: „Diese Meinung kann ich nicht teilen.“
Die Menschen bekehren? Das funktioniert nicht
Die Angst vor Fremden könne man abbauen wie die Angst vor dem Fahrstuhlfahren oder Angst vor Spinnen: Indem man bei der Hand genommen wird und Erfahrungen macht. Wer eine Flüchtlingsfamilie persönlich kennt, wird möglicherweise seine ablehnende Haltung ändern.
In Norbert Koschmieders Initiative „Bleib Mensch“ geschieht das. Es sind Patenschaften entstanden, in denen Einheimische und Flüchtlinge zueinander finden, miteinander etwas machen, der eine dem anderen hilft. Mit acht Aktiven aus der Umgebung von Grevesmühlen hat diese Initiative begonnen, heute machen 70 Menschen mit.
So etwas gibt es nicht überall. Was tun, wenn der Nachbar, Kollege oder Verwandte rechtsradikale Sprüche klopft? Oliver Trier, Bildungsreferent beim BDKJ Hamburg, hat sich dieser Frage schon lange gewidmet. Auch er weiß: „Die Wahrscheinlichkeit, mit Argumenten einen Menschen zu bekehren, ist gering.“ Sein Tipp: Ruhig bleiben, den Frieden bewahren, die Situation analysieren – eine Familienfeier eignet sich nicht unbedingt als politisches Diskussionsforum – und nachfragen: „Woher haben Sie diese Information?“ „Verstehe ich Sie richtig? Sie meinen, dass …“
Gerrit Spallek: „Ich sehe in dieser Folge jede Menge Segen. Was für ein Riesensegen ist das, dass sich in Grevesmühlen und in ganz Deutschland sich so viele Menschen für Menschen einsetzen. Ich sehe einen Riesensegen in Menschen wie Norbert, die es schaffen, auch in einem politischen Kontrahenten trotzdem den Menschen zu sehen.“
Inzwischen ist auch die zweite Folge von „Stadt, Land, Segen“ im Netz (https://stadtlandsegen.de) Diesmal lautet die aktuelle Frage: Warum tut Natur uns gut?