Woher neue Leute nehmen?

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Xenia Kalkmann, zuständig für Personalwerbung im Bistum, und Katja Schmitt (Ausbildung Gemeindereferenten).
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Foto: Marco Heinen

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Xenia Kalkmann, zuständig für Personalwerbung im Bistum, und Katja Schmitt (Ausbildung Gemeindereferenten).

Die Kirche hat Nachwuchsmangel in allen Berufen. Die Jugend fehlt, das Image der Arbeitgeberin ist schlecht. Was tun? Zwei Expertinnen sagen: Kirche muss gezielt und früh für sich werben. Und sie braucht ein neues „Arbeitgeberprofil“.

Sendungsfeier im Dom: Am 8. September beauftragte der Hamburger Erzbischof eine Gemeindereferentin und einen Pastoralreferenten mit dem Dienst in der Seelsorge. Die beiden haben alle Phasen der Ausbildung durchlaufen, sind nicht mehr „Assistenten“, sondern „Referenten“. Es gab auch schon Jahre mit zehn Ausgesandten – und es gab Zeiten, in denen sich die Theologen um freie Stellen drängelten. 

Personalgewinnung und Ausbildung in der Gemeindepastoral, das sind die Aufgaben von Xenia Kalkmann und Katja Schmitt. Beide wissen: Einen Sturm auf geistliche Berufe wie in den 1980er Jahren wird es nicht mehr geben. 

„Der Fachkräftemangel, den es überall gibt, betrifft uns in der Diaspora noch spürbarer als im Süden“, sagt Katja Schmitt. „Und es gibt nur ganz wenig Nachwuchs. Immer weniger junge Leute studieren Theologie oder angewandte Theologie oder Religionspädagogik.“

Was die Situation verschärft: In den nächsten Jahren gehen die „geburtenstarken“ Jahrgänge in den Ruhestand – Jahrgänge, die aus einer kirchlichen Aufbruchszeit kommen. Mehr als die Hälfte der derzeit 58 Gemeindereferentinnen und -referenten sind im Alter zwischen 50 bis 60. Unter den 37 Pastoralreferentinnen sieht es ähnlich aus. „Wir erwarten um das Jahr 2030 eine Rentenwelle, und zwar in allen Berufsgruppen“, sagt Xenia Kalkmann. „Dann werden Fachkräfte mit großer Erfahrung weggehen – es wird überall dramatisch.“

Warum kommen so wenig junge Leute nach? Katja Schmitt: „Kirche hat ein negatives Image, und viele scheuen davor zurück, einen Beruf zu ergreifen, für den es nur einen einzigen Arbeitgeber gibt.“ Die Tätigkeit in der Seelsorge ist zudem anspruchsvoll. Man muss einen fundierten Glauben mitbringen – und unterschiedlichsten Menschen vermitteln. Regelmäßige Büroarbeitszeit von neun bis fünf gibt es nicht. Die Wege sind teilweise weit. 

Dagegen sei die Arbeitgeberin Kirche nicht so schlecht wie ihr Ruf. „Die Vergütung ist in Ordnung, die Kirche ist familienfreundlich wie kaum ein anderer. Und man bekommt eine wert- und sinnorientierte Tätigkeit“, zählt Xenia Kalkmann auf. „Wertorientierte Arbeit ist der heutigen Generation wichtig. Es gibt noch weitere Vorteile, etwa dass man fünf Tage im Jahr zusätzlichen Urlaub für Exerzitien nehmen kann. Viele solcher Leistungen sind kaum bekannt.“ 

Wir wollen herausfinden, wie es anders gehen kann

KATJA SCHMITT

Dringend müsse sich die Kirche deshalb besser auf dem Stellenmarkt präsentieren. In den Schulen etwa, in den sozialen Netzen und in den Gemeinden und Gruppen vor Ort. Weniger erfolgversprechend seien Auftritte in Jobbörsen oder Plakate im öffentlichen Raum. Solche Jobwerbung koste sehr viel Geld. Und die Chance, in der Masse auf einen der wenigen Interessierten zu treffen, sei gering.

Es gibt aber nicht nur junge Menschen unter 20, die in einen Seelsorge-Beruf einsteigen. Zunehmend gibt es Quereinsteiger. Leute mit Berufs- und Familien-
erfahrung, die schon ehrenamtlich in der Kirche tätig sind und einen sinnerfüllten Beruf suchen. Auch die beiden jetzt Ausgesandten Neuen sind Quereinsteiger. Gerrit Spallek war lange als Theologe an der Universität, Bianca Leinung-Holtfreter ist nach Jurastudium und Familienphase per Fernkurs in den Beruf gekommen. 

Solche Fernstudien bieten mehrere Ausbildungsstätten an – etwa die katholische Fachhochschule Paderborn. Den „Würzburger Fernkurs“ mit verschiedenen Abschlüssen gibt es seit Jahrzehnten, auch andere berufsbegleitende Studiengänge sind im Kommen. Die meisten, die sich für einen solchen „fliegenden Wechsel“ entscheiden, haben schon gute Erfahrungen in ehrenamtlichen Einsätzen in Liturgie und Katechese. Erlebte Seelsorge vor Ort ist eine wirksamere Werbung als Plakate im Autobus. 

Eine Tagesvisite im Rahmen des „Girls’Day und Boys’Day“ kann schon im Schulalter einen ersten Einblick in die Praxis bieten. Besser noch: ein längeres Praktikum. Deshalb soll es bald eine eigene Praktikumsbörse mit vielen Einsatzstellen geben. Eine weitere Idee: Bachelor-Arbeiten am Ende eines Studiums, die einen Praxis-Projekt in der Kirche wissenschaftlich aufarbeiten. 

In der Ausbildungsförderung hat bereits die Katholische Förderstiftung für sozialpädagogischen Fachkräfte gute Erfahrungen. Die Stiftung beteiligt sich an Ausbildungskosten und bildet Seminargruppen zum Austausch und zur Weiterbildung. 

In sozialen Netzwerken und mit einem guten Internetportal soll ein positives Image des Arbeitgebers Kirche entstehen – nicht nur in den Berufen der Seelsorge. Denn die Kirche beschäftigt auch Verwaltungskräfte, Journalisten, Architekten, Musiker, Techniker, Lehrkräfte. Und in diesen Berufen ist die Nachwuchsfindung manchmal sogar noch schwieriger. „Eine Buchhalterin, die in der Hamburger City einen Job sucht, hat die freie Auswahl in einer Masse von Angeboten“, schildert Xenia Kalkmann. 

Speziell in der Seelsorge ist derzeit vieles im Fluss. Wie kann eine Pastoral der Zukunft aussehen? Vielleicht ganz anders als heute – mit anderen Akteuren als Pastor, Pastoral- und Gemeindereferentin klassischer Prägung? Unter dem Titel „Personalstrategie 2030“ arbeitet seit 2022 ein vierköpfiges Team an neuen Formen von Seelsorge. „Die abnehmende Zahl von Katholiken, die kleiner werdenden Gemeinden stellen neue Anforderungen an Seelsorge“, sagt Katja Schmitt, Mitglied dieses Strategieteams. In acht Projektstellen werden jetzt über zwei bis drei Jahre neue und unkonventionelle Wege der Pastoral getestet. Dazu gehört „franziskanisch unterwegs“ mit Franzikanerbruder Gabriel Zörnig oder ein „Fresh-X“-Projekt in Hamburg-Harburg: Gemeindebildung außerhalb der „klassischen“ Kirchengemeinde. „Was da entsteht, muss nicht perfekt funktionieren“, sagt Katja Schmitt. „Es geht um etwas anderes: Wir wollen aus diesen Erfahrungen lernen und herausfinden, wie es auch anders gehen kann “.

Eine Präsentation von Seelsorge-Berufen findet sich im Internet 
https://berufung.erzbistum.hamburg
Eine Übersicht über freie Stellen gibt es hier: 
https://www.erzbistum-hamburg.de/ebhh/Unterseiten/Jobs_Karriere/extern/