Bundestag entscheidet über Bluttest

Wollen wir den perfekten Menschen?

In Kürze entscheidet der Bundestag über einen Bluttest, der das Down-Syndrom bei Ungeborenen feststellt. Die meisten dieser Kinder werden vor der Geburt abgetrieben. Das Horrorszenario einer Gesellschaft, die nur aus fitten, gesunden Menschen besteht, sieht der Ethiker Peter Dabrock aber nicht.

Der schottische Gynäkologe Ian Donald war ein Vorreiter der vorgeburtlichen Diagnostik: 1958 nutzte er erstmals ein Ultraschallgerät bei einer Schwangeren und legte damit den Grundstein für die Pränataldiagnostik. Heute können Ärzte eine Schwangerschaft eng überwachen. Sie können Krankheiten feststellen und alle Beteiligten auf komplizierte Geburten vorbereiten. 

Aber längst nicht alle Krankheiten, die entdeckt werden, sind heilbar. Der Bundestag wird in Kürze darüber entscheiden, ob ein Bluttest, mit dem das Down-Syndrom beim Kind festgestellt werden kann, in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen werden soll. Der Test ist für Mutter und Kind sicherer als die bisherigen Maßnahmen. 90 Prozent der Frauen entscheiden sich bei der Diagnose von Trisomie 21 allerdings für eine Abtreibung. Häufig müssen  Frauen, die sich für ein behindertes Kind entschieden haben, sich rechtfertigen: „Das muss doch heute nicht mehr sein.“

Der Theologe und Ethiker Peter Dabrock sagt: „Solche Formulierungen finde ich unerträglich. Das ist menschenverachtend.“ Aber nicht die Technologie ist das Problem: „Die Pränataldiagnostik ist nicht per se verwerflich und nicht per se richtig. Man muss klären, was man damit erreichen will“, sagt Dabrock, der auch Vorsitzender des Deutschen Ehtikrates ist. Hinter allem stehe die Frage: Wie wollen wir mit Menschen umgehen, die nicht den Erwartungen entsprechen? „Nehmen wir sie nur als Last wahr oder nehmen wir sie auch als Bereicherung menschlichen Lebens wahr – ohne wiederum umgekehrt in Sozialromantik zu verfallen?“, fragt Dabrock.


Ein Leben in vollkommenem Glück kann es nicht geben

Das Schreckensszenario einer Gesellschaft, die nur aus perfekten Menschen besteht, sieht er nicht, denn 90 Prozent der Behinderungen entstehen erst während oder nach der Geburt. Dennoch handelt seines Erachtens die Gesellschaft widersprüchlich: Menschen, die mit einer Behinderung geboren würden, werden in den meisten Fällen schon vor der Geburt aussortiert. „Das entspricht aber nicht unserem Umgang mit Menschen mit einer Behinderung, die nach der Geburt aufgetreten ist“, sagt Dabrock. Gerade in den letzten Jahrzehnten sei die Akzeptanz für diese Menschen stetig gewachsen. „Unsere Gesellschaft will Behinderungen nicht ausschließen. Menschen, die nicht den Normalerwartungen entsprechen, sind bei uns durchaus akzeptiert“, sagt Dabrock. 

Der Traum von einem Leben ohne Krankheiten ist legitim. Vielleicht gelingt es zukünftig, Gelähmte zu heilen und Krebs auszurotten. Ein Leben in vollkommenem Glück wird es dennoch nicht geben können. Es werden weiterhin Unfälle passieren, Ehen zerbrechen, Eltern und Kinder sich zerstreiten – zum menschlichen Leben gehört das Leid. „Man soll Krankheiten bekämpfen und verantwortlich mit dem Leid umgehen, aber keinen Pseudo-Perfektionismus an den Tag legen“, sagt Peter Dabrock. Diese Sensibilität, die Endlichkeit des menschlichen Lebens zu würdigen und sich für schwaches und verletzliches Leben einzusetzen, zeichnet für ihn ein gutes Leben aus.

Kerstin Ostendorf