Sind Wort-Gottes-Feiern die Zukunft?

Wort-Gottes-Feier: Notlösung oder Chance?

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Wort-Gottes-Feier
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kna/Harald Oppitz

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Wort-Gottes-Feiern eignen sich für viele Gelegenheiten.

In vielen Gemeinden gibt es nicht mehr an jedem Sonntag eine Eucharistiefeier - von Werktagen ganz zu schweigen. Sind Wort-Gottes-Feiern die Zukunft? Was unterscheidet sie von der Messe, wenn eigentlich nur das Hochgebet fehlt? Und bieten diese Feiern ein Potenzial, das noch gar nicht ausgeschöpft ist? Susanne Haverkamp hat sich umgehört.

„Wir werden einfach gebraucht“

Rainer Haas aus Freital bei Dresden leitet seit 40 Jahren Wortgottesdienste. „Früher bei uns in der DDR hießen sie Stationsgottesdienste“, sagt er, „und wir, die wir sie geleitet haben, hießen Diakonatshelfer.“ In der DDR waren Katholiken in der Diaspora und an Priestern herrschte schon lange Mangel. „Als in unserer Pfarrei der letzte Kaplan versetzt wurde und der Pfarrer allein zuständig war, musste etwas passieren“, erinnert sich Haas. Eine Hauptkirche gab es und drei teils weit entfernt liegende Außenstellen – das war allein nicht zu schaffen. Also fragte der Pfarrer einige Frauen und Männer, ob sie sich zu Stationsgottesdienstleitern ausbilden lassen wollten – auch Rainer Haas. „Es gab dann zunächst einige Kurse in Dresden“, sagt er. „Und danach wurden wir vom Bischof gesendet, richtig mit Urkunde und Siegel drauf.“ Regelmäßig machte er sich sonntags zu einer der Außenstationen auf. „Dass bei den Stationsgottesdiensten auch die Kommunion verteilt wurde, stand damals nicht infrage“, sagt Haas. Wenn es zeitlich passte, wurde er am Ende einer sonntäglichen Eucharistiefeier mit der Hostienschale ausgesendet. „Die Gemeinden haben das gut angenommen. Es war eben ihr Sonntagsgottesdienst. Für die meisten wäre der Weg zu einer heiligen Messe viel zu weit gewesen.“

Auf dem Rückweg, sagt Haas, habe er oft noch Station bei Kranken gemacht. „Die haben manchmal die Messe im Fernsehen angeschaut, und wenn ich kam, brannte eine Kerze und ich habe ihnen die Kommunion gespendet.“ Gute Erfahrungen und Gespräche seien das gewesen. Nach der Wende wurde vieles neu, auch in der Kirche und auch bei den lang eingeübten Stationsgottesdiensten. „Wir hießen dann Wortgottesdienst-Beauftragte und es gab ein neues Werkbuch“, sagt Haas. Viel wichtiger aber: Es war im Bereich der gesamtdeutschen Bischofskonferenz zunächst nicht gewünscht, in diesen Feiern die Kommunion zu spenden. „Da gab es einen Aufschrei in den Gemeinden“, sagt Haas. „Da wurde gesagt: Dann können wir ja gleich in die evangelische Kirche gehen.“ Und der Aufschrei war so groß, dass die Praxis blieb, wie sie war. 

Kirche St. Joachim Freitag
Die Kirche St. Joachim in Freital. Drei weitere Kirchen gehören zur katholischen Pfarrei Osterzgebirge.

Bis heute übt Rainer Haas seinen Dienst aus. Vieles sei leichter geworden, sagt er, auch dank des Internets, das viele Anregungen zur Gestaltung der Feier und für die Predigt gibt. „Der Ablauf orientiert sich in der Regel am Wortgottesdienst der Messe“, sagt er. „Aber es gibt auch weitere Möglichkeiten zur Gestaltung, zum Beispiel die Tauferneuerung.“ Regelmäßige Fortbildungen geben neue Anregungen.  Er investiere immer viel Arbeit in die Vorbereitung der Feier, sagt Haas, in die Auswahl von Liedern und Gebeten. Manchmal frage er sich aber, „ob wir nur ein Notnagel sind, weil Priester fehlen“. Aber wenn er dann in die kleinen Gemeinden kommt, ist ihm das auch egal. „Die Leute sind froh, dass wir kommen, und bedanken sich für unseren Dienst. Wir werden einfach gebraucht!“

 

 

„Wir wollten etwas anderes machen“

G esmold und Wellingholzhausen sind Ortsteile der Kleinstadt Melle rund 25 Kilometer von Osnabrück entfernt. Beide Orte und ihre Kirchen St. Bartholomäus und St. Petrus bilden eine Pfarreiengemeinschaft – und zwar eine, die seit Ende 2018 von einem Laien geleitet wird, dem Pfarrbeauftragten Michael Göcking. „Als wir damals die neue Gottesdienstordnung geplant haben, war klar: Es wird weniger Messen geben“, sagt er. Am Wochenende sind es jetzt zwei, in jeder Kirche eine. Entweder am Samstagabend oder am Sonntagmorgen – jeweils im monatlichen Wechsel. „Unsere Idee war, in der Kirche, in der sonntags keine Messe ist, zur gewohnten Zeit eine Wort-Gottes-Feier anzubieten.“ Neun Frauen sitzen an diesem Montagabend mit Michael Göcking um einen Tisch. Es ist das Team der Wort-Gottes-Feiern. Die Bereitschaft, sich ausbilden zu lassen, war am Anfang groß. „Wir dachten, es ist doch gut, wenn auch mal jemand anderes da vorne steht“, sagt Amelie Hartmann. „Wir wollten Vielfalt in die Gemeinde tragen.“ Lange wurde darüber diskutiert, ob bei der sonntäglichen Wort-Gottes-Feier die Kommunion verteilt werden soll. „Wir haben uns dann ganz bewusst dagegen entschieden“, sagt Gertrud Osterheider. „Das Wort Gottes hat doch so viel Eigenes zu bieten.“ Und Michael Göcking ergänzt: „Wir wollten etwas anderes machen und eben gerade keine kleine Messe.“

Kirche Wellingholzhausen
St. Bartholomäus in Wellingholzhausen bildet zusammen mit St. Petrus in Gesmold eine Pfarreiengemeinschaft.

So wurden anders als in der Eucharistiefeier üblich alle drei Lesungen des Sonntags vorgetragen. Und es gab „kreative Elemente“, sei es Musik, Stille, besondere Fürbitten oder andere Riten. Die Orgel und Messdienerinnen und Messdiener sorgten für die gewohnte Feierlichkeit. Zu Anfang war die Neugier groß. Dann kam Corona, der Einbruch. „Für viele Leute wurden Fernsehgottesdienste eine Alternative“, sagt Brigitte Heitz. Und die blieb auch nach Corona, gerade wenn am Sonntagmorgen in der eigenen Kirche keine Messe gefeiert wird. „Bei der Messe am Sonntag kommen rund 90 Leute, wenn die Wort-Gottes-Feier ist, nur 30“, sagt Michael Göcking. „Die Eucharistie zieht einfach mehr“, bestätigt Amelie Hartmann. Und dann gebe es auch noch einen „relativ großen Kreis von Leuten, die Wort-Gottes-Feiern für sich ausschließen“. 

Deshalb stand an diesem Abend im Januar die Frage im Raum, ob Aufwand und Resonanz noch in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Und ob der wöchentliche Sonntagsgottesdienst wirklich der richtige Ort ist für die Wort-Gottes-Feiern. „Eigentlich geht es doch um zusätzliche liturgische Angebote, nicht um Lückenbüßer“, sagt Michael Göcking und die Frauen stimmen zu. Von Friedensgebeten ist die Rede, von Taizégebeten, von Maigängen, vom Valentinstag, von Erntedank auf dem Bauernhof oder dem Sommergottesdienst auf der Wiese. Und was bei unserem Gespräch Anfang des Jahres noch ein Gedanke war, ist inzwischen von den Gremien der Pfarreiengemeinschaft beschlossen: Am Sonntagmorgen gibt es mittlerweile keine Wort-Gottes-Feiern mehr. „Aber ihr seid damit nicht raus“, bestärkt Michael Göcking die Frauen. Vielmehr soll das Andere der Feiern weiterentwickelt werden: andere Orte, andere Gestaltung. Vielfältig soll es sein: personell, musikalisch, thematisch. Auf der Homepage gibt es bereits eine Liste mit konkret geplanten Wort-Gottes-Feiern. Keine kleinen Messen, sondern etwas ganz Eigenes.

 

Meurer

„Die Wort-Gottes-Feier ist keine Antwort auf den Priestermangel“
Wolfgang Meurer hat in seinem Ruhestand an der Universität Bonn eine Dissertation über die Wort-Gottes-Feier geschrieben. Sein Anliegen: die Feier stärken – aber nicht als kleine Sonntagsmesse. Hier lesen Sie das Interview mit Wolfgang Meurer.

 

Susanne Haverkamp