Aktuelle Kirchenstatistik

Zahl der Kirchenaustritte gesunken

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Die Zahl der Kirchenaustritte ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Ein Grund zur Freude ist das für die beiden christlichen Kirchen in Deutschland aber nicht. Der "Corona-Effekt" macht sich auch bei Gottesdiensten und kirchlichen Feiern bemerkbar. 

Formular für den Kirchenaustritt auf einem Schreibtisch im Amtsgericht in Bonn am 11. März 2021.
Wegen der Corona-Pandemie war der Kirchenaustritt auf den Amtsgerichten erschwert - für das kommende Jahr werden höhrere Zahlen erwartet. 

Zu Beginn eine frohe Botschaft aus christlicher Sicht. Der Anteil der Christen an der Bevölkerung in Deutschland ist 2020 zwar um einen Prozentpunkt im Vergleich zu 2019 zurückgegangen. Aber weiterhin stellen Katholiken, Protestanten, Orthodoxe und Freikirchen die mit Abstand größte Gruppe unter den Religionen. Das geht aus den am Mittwoch vorgestellten Statistiken der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hervor.

Dann aber wird die Sache schon komplizierter. Denn Corona und die Folgen haben massive Auswirkungen auf das kirchliche Leben gehabt. So lag die Zahl der kirchlichen Trauungen in der katholischen Kirche im Jahr 2020 bei 11.018; im Jahr davor waren es mit 38.537 mehr als drei Mal so viele. In der evangelischen Kirche halbierte sich die Zahl der Taufen im Vergleich zum Vorjahr auf 81.000.

Der Besuch der Gottesdienste ging noch einmal stark zurück. Lediglich die Zahl der Bestattungen stieg an: in der katholischen Kirche von 233.937 im Jahr 2019 auf 236.546 im Jahr 2020. Die EKD erfasste im gleichen Zeitraum einen Anstieg von 4 Prozent bei den evangelisch Verstorbenen auf rund 355.000. Corona habe vieles im gesellschaftlichen und kirchlichen Leben verändert, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing. Zugleich betonte er, dass die Kirche auch in der Pandemie gerade an den Wegmarken im persönlichen Leben für viele Menschen präsent gewesen sei.

Unter dem Strich kam die katholische Kirche im vergangenen Jahr auf 22,2 Millionen Mitglieder und einen Anteil von 26,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Die EKD zählte rund 20,2 Millionen Mitglieder, was einem Anteil von 24,3 Prozent entspricht. Neben der demographischen Entwicklung fallen für diese Daten besonders die Zahlen bei den Kirchenaustritten ins Gewicht. Ihrer Kirche kehrten 221.390 Katholiken den Rücken, der zweithöchste bislang erfasste Wert nach dem Rekordhoch 2019, bei der evangelischen Kirche waren es rund 220.00 Menschen. Das entspricht im Vergleich zu 2019 einem Rückgang um 19 beziehungsweise 18 Prozent.

Kein "Woelki-Effekt" zu sehen 

Ein "Woelki-Effekt" nach den monatelangen Debatten um die Aufarbeitung von Missbrauch im Erzbistum Köln lässt sich aus den Statistiken nicht herauslesen. In der Erzdiözese sank die Zahl der Kirchenaustritte von 24.298 im Jahr 2019 auf 17.281 im vergangenen Jahr. Zugleich deuten die Äußerungen von Spitzenvertretern der beiden Kirchen darauf hin, dass sie die Zahlen allerdings auch nicht dahingehend interpretieren, als sei jetzt eine Talsohle erreicht. Im Gegenteil.


Zeigt sich überrascht von der gesunkenen
Zahl der Kirchenaustritte: ZdK-Präsident
Thomas Sternberg

Von schmerzlichen Zahlen spricht der Bischofskonferenz-Vorsitzende Bätzing. "Jeder Kirchenaustritt bekümmert mich", sagt der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Überrascht von der gesunkenen Zahl zeigte sich dagegen der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg: "Ich hatte nach der Kritik an der Missbrauchsaufarbeitung im Erzbistum Köln mit deutlich mehr Kirchenaustritten gerechnet", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dass sich besonders engagierte Christen abwenden, beunruhige ihn. "Sie sind tief enttäuscht von der Kirche und sehr verbittert und verärgert über ausgebliebene Reformen. Misstöne aus Rom haben diese Verärgerung und Wut auf die Kirche immer weiter gesteigert", sagte Sternberg. Gerade bei diesen Menschen müsse die Kirche Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückgewinnen.

Die evangelischen Landeskirchen aus Württemberg und Westfalen stellten ebenfalls am Mittwoch eine Studie zu den Motiven eines Austritts vor. Demnach sind innere Distanz zum christlichen Glauben und die Kirchensteuer die entscheidenden Gründe für diesen Schritt. Das konkrete Handeln der Kirche spielt der Untersuchung zufolge beim Kirchenaustritt für Menschen ab 40 eine größere Rolle. Bei Jüngeren überwiegen dagegen der Glaubensverlust und eine persönliche Kosten-Nutzen-Abwägung.

Ob durch Austritte oder als Folge der Corona-Krise: Auch die Kirchensteuereinnahmen sanken nach den Rekordwerten von 2019. Um geschätzt 5,4 Prozent auf 5,63 Milliarden Euro im Bereich der EKD und von 6,76 Milliarden Euro auf 6,45 Milliarden Euro auf katholischer Seite.

Statistische "Stimmungsaufheller" finden sich für beide Kirchen eher im Kleinen. So bleibt das Bistum Görlitz in einer Hinsicht weiter Spitzenreiter unter den 27 katholischen Diözesen Deutschlands. Im vergangenen Jahr kamen trotz Corona durchschnittlich 12,6 Prozent der Katholiken zur Sonntagsmesse. Damit lag das Bistum an der Grenze zu Polen wieder deutlich über dem Durchschnitt der deutschen Diözesen von 5,9 Prozent.

kna/Joachim Heinz