Erinnerung an die Nazi-Zeit in der St.-Josefs-Kirche Blankenburg
Zeugnisse eines tiefen Glaubens
Der Brief mit der Bitte der belgischen Priester sowie die Pflaster-Dose und ein Säckchen, in dem die Hostien versteckt waren, sind in der St.-Josefs-Kirche in Blankenburg zu sehen. Fotos: Pfarrei Blankenburg |
Am Karfreitag 1945 erreichte den Pfarrer der Pfarrei St. Josef in Blankenburg, Bernward Neisen, ein lateinisch verfasster Brief. Darin baten ihn drei Priester, die im KZ-Außenlager Blankenburg-Oesig Zwangsarbeit leisten mussten, um konsekrierte Hostien, damit sie und andere katholische Gefangene zu Ostern die Kommunion empfangen könnten. Nach kurzem Zögern, ob dies vielleicht eine Falle sei, übergab der Seelsorger dem Überbringer des Briefes die Hostien. Der Brief sowie eine angerostete Heftpflaster-Büchse und ein aus Häftlingskleidung genähter Beutel, in denen die Hostien in das Lager gelangten, sind seit kurzem in einer Vitrine in St. Josef in der Helsunger Straße ausgestellt. Dazu liegt ein Informationsblatt aus.
Pfarrei hatte Kontakt zu KZ-Häftlingen
Mitte Dezember wurde in Blankenburg eine noch namenlose Straße nach dem belgischen Widerstandskämfer Albert van Hoeij benannt. Der 20-Jährige und zahlreiche, weitere seiner Landsleute gehörten ebenfalls zu den Häftlingen, die seit 1944 in Blankenburg-Oesig unter dem Tarnnamen „Klosterwerke“ eine unterirdische Rüstungsfabrik bauen mussten. Van Hoeij überlebte. Seit 2004 prägte er als Vorsitzender des Häftlingsbeirates die Arbeit der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Zu dem KZ gehörte seit 1944 auch das Außenlager Blankenburg mit durchschnittlich gut 500 Gefangenen.
Die Einweihung der Albert-Van-Hoeij-Straße samt Enthüllung zweier Erinnerungstafeln griff der heutige Blankenburger Pfarrer Christian Vornewald auf, um mit den vorhandenen Erinnerungsstücken in der Vitrine auf die Beziehung der katholischen Gemeinde zu ehemaligen belgischen KZ-Häftlingen hinzuweisen. „Es sind Zeugnisse aus der düstersten Zeit deutscher Geschichte“, sagt Vornewald auf dem Pfarrgelände bei der Vorstellung des Briefes und der Gegenstände. „Sie bezeugen einen tiefen Glauben aller Beteiligten und erzählen davon, wie in die Hölle eines Außenlagers des KZ Mittelbau-Dora das für uns größte Zeichen der Gegenwart Gottes Eingang gefunden hat.“ Vornewald verlas eine Übersetzung des mit Bleistift auf einen Zementsack geschriebenen lateinischen Briefs der internierten Priester.
Dass Pfarrer Neisen der Bitte um konsekrierte Hostien nachgekommen ist, gehe aus einem Schreiben des Seelsorgers an den Verfasser des Briefes, Pater Etienne Eeckhout, im April 1948 hervor, sagt Christian Vornewald. Eeckhout hatte als einziger der internierten belgischen Priester den Krieg überlebt.
Pfarrer Christian Vornewald (hinten in der Mitte des Bildes) stellt die Erinnerungsstücke an den Kontakt mit den belgischen Priestern und weiteren Inhaftierten im KZ-Außenlager Blankenburg-Oesig vor. |
Wie Pfarrer Neisen in dem Brief an Eeckhout schreibe, musste er selbst 1947 Blankenburg fluchtartig verlassen, weil ihm zehn Jahre Haft wegen antisowjetischer Propaganda drohten. „Morgens feierte er noch Erstkommunion, mittags floh er auf dem Rücksitz eines Mopeds aus der russisch besetzten Zone. Da die Pfarrei Blankenburg zu der Zeit noch zum Bistum Hildesheim gehörte, wurde er an anderer Stelle seiner Diözese eingesetzt als Pfarrer von Bremerhaven.“
Kontakt zu Priester, der um Hostien bat
Anfang der 1980er Jahre, so Pfarrer Vornewald weiter, fanden Gemeindemitglied Klaus Breitkopf und der damalige Pfarrer Georg Kaiser den Häftlingsbrief und weitere Einträge von Pfarrer Neisen im Archiv. Mit Hilfe des Bistums Hildesheim und der belgischen Bischofskonferenz machten sie daraufhin Pater Eeckhout ausfindig. Es folgte ein intensiver Briefkontakt, der 1985 in einem Besuch in Blankenburg und einer Friedenswallfahrt am 1. September zur Huysburg mündete.
Bei der Feier seines 50. Priesterjubiläums 1988 in Maredsous – einer Benediktinerabtei nahe Namur in Wallonien – überreichte Pater Eeckhout Pfarrer Kaiser die kleine Dose und das Stoffsäckchen, in der die geweihten Hostien in das Lager geschmuggelt worden waren. Er hatte diese Dinge 43 Jahre lang aufbewahrt.
Von Eckhard Pohl