Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen
Ziel: Bedarfsgerecht und flexibel
Die Heimvolkshochschule Konrad-Martin-Haus Bad Kösen hat fünf unterschiedlich große Seminarräume zur Verfügung. Sie sind in verschiedenen Gebäuden des zugehörigen weitläufigen Gartengeländes der Einrichtung untergebracht. Foto: Konrad-Martin-Haus |
Das Konrad-Martin-Haus (KMH) in Bad Kösen ist mit einem vielfältigen Programm ins Jahr 2021 gestartet. Und das, obwohl die Bildungseinrichtung im schönen Saale-Unstrut-Tal wegen Corona seit Wochen keine Präsenzveranstaltungen anbieten darf. „Wir hoffen auf normale Zeiten, setzen auf das Internet und haben dabei etwa mit einem Angebot für Fachkräfte in der beruflichen Rehabilitation von Menschen mit Behinderung sehr ermutigende Erfahrungen gemacht“, sagt die pädagogische Mitarbeiterin Bianca Thiel.
Viele Wochen musste die Einrichtung der Erwachsenenbildung 2020 geschlossen bleiben und auch derzeit können keine Präsenz-Veranstaltungen stattfinden. „Wir hatten im vergangenen Jahr unter Berücksichtigung des ursprünglich erwarteten Anstiegs zwischen 65 und 70 Prozent weniger Einnahmen als 2019“, sagt Geschäftsführer Michael de Boor. In Lethargie sei man dennoch nicht gefallen.
„Das KMH will Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen Angebote machen“, sagt de Boor. „Das Haus soll ein Segen sein für alle, die hier Bildung erfahren, eine gute Zeit haben und hoffentlich mit neuen Erkenntnissen und berührt an Leib und Seele nach Hause fahren“, so der Geschäftsführer. Darüber, wie diese Angebote konkret aussehen, sei das Team im „ständigen, innerpädagogischen Austausch“. Schwerpunkte seien etwa Angebote für Menschen mit Grundbildungsbedarf, politische Bildung, aber auch berufliche Bildung. Bestrebt, „flexibel zu agieren“, treibe man derzeit die Digitalisierung von Angeboten voran.
Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen
Ein wesentliches Anliegen sei es, „Bildungsmaßnahmen für Menschen mit Beeinträchtigungen zu entwickeln, zu erproben und anzubieten.“ Dabei gebe es inzwischen gute Erfahrungen etwa mit Wahl-Seminaren oder Kooperationen zur Entwicklung von Info-Materialien in leichter Sprache wie zum Beispiel für den Naumburger Dom. „40 Prozent der Menschen haben einen Grundbildungsbedarf. Zu diesem Thema hat 2013 bis 2019 das mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderte Grundbildungsprojekt „blickpunkt alpha“ in Trägerschaft des KMH gearbeitet. „Indem eine pädagogische Mitarbeiterin aus dem Projekt in das KMH übernommen worden ist, wird die Arbeit in diesem Bereich kontinuierlich fortgesetzt, so durch eine Zusammenarbeit mit der Katholischen Erwachsenenbildung Deutschland im Projekt meko-LEGALL“, sagt de Boor.
Mitarbeiterin Bianca Thiel sieht in der Verflechtung von Angeboten für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen eine große Chance für das KMH und alle, die dessen Angebote annehmen: Könnten sich doch alle Beteiligten gegenseitig mit ihren Gaben ganzheitlich bereichern.
Vielfältiges Programmangebot
Zum KMH-Programm gehören Präventionsschulungen gegen sexualisierte Gewalt, aber auch Qigong, Gesundheitswandern oder adventliche Tagesveranstaltungen für Senioren. Mit der im KMH ansässigen Netzwerkstelle „Demokratie leben“ und einem externen Partner wird das Seminar „Umgehen mit Hate-Speech in Social Media“ (Hass und Hetze) für in der Kinder- und Jugendarbeit Tätige angeboten. In einem Selbstbehauptungs- und -verteidigungskurs können Teilnehmer mit und ohne Beeinträchtigung lernen, wie man sich in brenzligen Situationen am besten verhält, so Thiel.
1947: Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg pachtet das ehemalige Wohnhaus der Familie von Ehrenberg in Bad Kösen und nutzt es als Bildungshaus. 1950: Das Haus wird gekauft und nach dem Paderborner Bischof Konrad Martin benannt. (Er wurde im preußischen Kulturkampf wegen Verletzung antikirchlicher Gesetze zu Festungshaft verurteilt und 1875 abgesetzt.) 1978: Das KMH geht in die Trägerschaft des Caritasverbandes für das Bischöfliche Amt Magdeburg über und dient vorwiegend als Ferienstätte. 1990: Nach baulichen Erweiterungen wird das Haus wieder als Bildungsstätte genutzt. 1994: Als erste Heimvolkshochschule Sachsen-Anhalts erhält das KMH die staatliche Anerkennung als Einrichtung der Erwachsenenbildung. Danach: Schaffung weiterer Seminarräume, Modernisierung der Gästezimmer, Aufzug, energetische Sanierung, Modernisierung, Erweiterung. 2014: Umwandlung des Hauses in eine gemeinnützige GmbH – 100prozentiger Gesellschafter ist das Caritas-Behindertenwerk GmbH - Burgenlandkreis. Heute verfügt das Haus über fünf Seminarräume sowie 56 Betten in 33 Zimmern. |
Wie schon 2020 finden zwei dreitägige Veranstaltungen zum Thema „Darüber spricht man doch: Liebe – Sex – Partnerschaft“ für Menschen mit Behinderungen statt. Neu ist das Angebot „Sexualpädgogik in der Behindertenhilfe“ für pädagogische Fachkräfte. Darüber hinaus würden in der Tradition des KMH fest verankerte Angebote wie ein Exerzitienkurs oder gemeinsame Seminare mit der Katholischen Akademie weitergeführt.
Finanzierung bisher ein „täglicher Spagat“
Geschäftsführer de Boor wird nicht müde, für eine stärkere Unterstützung der Erwachsenenbildung durch das Land zu werben. „Wenn wir in Sachsen-Anhalt Erwachsenenbildung wollen, muss die auch halbwegs finanziert werden“, so sein Credo. Derzeit sei endlich ein neues Erwachsenenbildungsgesetz in Beratung, das „extrem paritätisch mit den Bildungsträgern erarbeitet wurde“ und die finanzielle Situation hoffentlich weiter verbessern werde.
„In Sachsen-Anhalt ist in den letzten Jahren die politische Bedeutung von Erwachsenenbildung deutlich größer geworden. Das zeigt sich u.a. in einer deutlich gestiegenen Finanzierung. Und auch in der Corona-Krise hat das Land Sachsen-Anhalt sehr intensiv den Erwachsenenbildungseinrichtungen verschiedene Hilfeangebote unterbreitet. Diese waren ein wichtiger Baustein, damit wir bislang durch die Krise kommen konnten“, so de Boor. Dennoch ist das Konrad-Martin-Haus seit vielen Jahren betriebswirtschaftlich nur sehr schwer zu führen. Hier leisten die Caritas-Behindertenwerk GmbH Burgenlandkreis und zuvor der Caritasverband für das Bistum Magdeburg als Träger wesentliche Unterstützung. Der Zuschussbedarf soll aber in den nächsten Jahren gesenkt werden. „Wenn ich für das KMH aus staatlicher Förderung 100 000 Euro mehr zur Verfügung hätte, wie das bei vergleichbaren Einrichtungen in Thüringen gegeben ist, wäre es kein Problem, das Haus zu führen. So bleibt es ein täglicher Spagat, über die Runden zu kommen.“
Angesichts der Pandemie habe das KMH immerhin aus einem vom Land aufgelegten Hilfsfonds „Leistungen in sechsstelliger Größenordnung“ bekommen. Zudem habe man für einen Teil der 17 Mitarbeiter (sie haben zusammen 10 Vollbeschäftigtenstellen) für April bis Juni und seit Dezember 2020 bis heute die Kurzarbeits-Regelungen in Anspruch genommen, so de Boor.
Im Dezember 2020 ist das KMH 70 Jahre alt geworden. In der Hoffnung, dass das dann möglich ist, soll dies am 28. Mai mit einem Fest im Rahmen eines Tages der offenen Tür begangen werden.
Mehr Infos/Jahresprogramm: www.konrad-martin-haus.de
Von Eckhard Pohl