Beantragung öffentlicher Fördergelder
Zu viel Bürokratie
Die Geschichte könnte überall passieren, unsere spielt in Osnabrück. Zwei kirchliche Institutionen machen eigene Erfahrungen mit der Beantragung öffentlicher Fördergelder – weil die Bedingungen schwer zu durchschauen sind.
Im ganzen Bistum Osnabrück betreibt die Caritas Pflegedienste. In der stark ländlich geprägten Region sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das Auto angewiesen, um Patienten zu Hause zu besuchen und die Angehörigen bei der Pflege zu unterstützen. Jetzt möchte die Caritas prüfen lassen, ob der Einsatz von E-Autos sinnvoll wäre. Eine Studie soll Fragen beantworten zu den langen Wegen, zum Ausstoß von CO2, zu den Ladezeiten. Die Studie sollte rund 65 000 Euro kosten, die Caritas fand einen Fördertopf, aus dem sie 80 Prozent der Kosten erstattet haben wollte.
Zum ersten Mal beschäftigte sich der Diözesancaritasverband daraufhin mit der öffentlichen Ausschreibung einer solchen Leistung und stieß schnell auf Hürden. Um Korruption zu vermeiden, muss die Ausschreibung bestimmten Kriterien genügen. Jeder mögliche Anbieter muss die Gelegenheit haben, die Ausschreibung zur Kenntnis zu nehmen, sonst kann er später gegen die Nichtberücksichtigung klagen. Die Folge könnte sein, dass die öffentlichen Fördergelder nachträglich zurückgezogen werden.
Verschiedene Rechtsanwälte haben sich auf solche Tätigkeiten spezialisiert. Sie garantieren eine Ausschreibung, die der Form genügt. Natürlich gegen Honorar. „Bei unseren Recherchen haben wir festgestellt, dass wir dafür 10 000 bis 20 000 Euro hätten bezahlen müssen, vielleicht sogar noch mehr. Dieses Risiko wollten wir als Caritasverband auf keinen Fall tragen“, sagt Julia Lütkemeyer, die zuständige Referentin. Und: „Der bürokratische Aufwand ist völlig unverhältnismäßig.“
Interne Beratungen führten zu einer Lösung: Die Caritas beantragt jetzt nur eine 50-prozentige Förderung, dann kann sie auf die besonders aufwendige Ausschreibung verzichten. Zwar sind mehr Eigenmittel notwendig, doch insgesamt ist das Verfahren für die Caritas transparenter. „Wir haben nicht mehr dieses hohe Risiko“, sagt Lütkemeyer.
Szenenwechsel: Sie machen Umzugshilfen, entrümpeln Häuser und Wohnungen, pflegen Gärten, bauen Zäune – die MÖWE hat in Osnabrück einen guten Ruf. Anfang der 80er Jahre wurde der soziale Betrieb gegründet, Träger ist der Katholische Verein für soziale Dienste. Das Ziel: Langzeitarbeitslose oder Menschen mit schwieriger beruflicher Perspektive fördern. Das Prinzip: Eigenmittel mit öffentlichen Geldern anreichern und die benachteiligten Angestellten fit machen für den ersten Arbeitsmarkt. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit entstanden solche kirchlichen Initiativen an vielen Orten.
Wer Dienstleistungen der MÖWE bestellt, weiß in der Regel, dass er es nicht unbedingt mit Profis zu tun hat. Sicher, für jeden Bereich gibt es einen Meister, aber die Mitarbeiter sind Menschen, „die durch alle Raster fallen, wenn wir sie nicht fördern“, sagt Betriebsleiter Thomas Schulke. Im Laufe der Jahre hat sich die MÖWE bei Arbeitsagenturen oder Sozialämtern Respekt verschafft – denn viele der MÖWE-Mitarbeiter befinden sich sonst in deren Obhut.
Wenn die MÖWE vier Mitarbeiter zu einer Entrümpelung schickt, kommt oft jeder über eine andere Fördermaßnahme, je nachdem, aus welchem Grund er bei der MÖWE arbeitet: Der erste ist schon lange arbeitslos, der zweite suchtkrank, der dritte hat die Schule abgebrochen, der vierte hat eine psychische Erkrankung. Für die einzelne Entrümpelung dürfte aber auch nur ein einziger Fördertopf angezapft werden, die vier Männer dürften im Grunde gar nicht miteinander arbeiten. Weil das in der Praxis so nicht umzusetzen ist, hat sich die Möwe über Jahre mit der N-Bank beraten, die in Niedersachsen öffentliche Fördergelder verwaltet. Nach Auffassung der Betriebsleitung stimmte die N-Bank zu. Später wurde die Bank von einer übergeordneten Behörde geprüft – und widerrief daraufhin die vermeintliche Zusage der Förderung durch den Europäischen Sozialfonds (ESF). Derzeit läuft ein Gerichtsverfahren.
Der Ausgang des Verfahrens ist offen. Wenn es schlecht läuft, muss die MÖWE Fördergelder mehrerer Jahre zurückzahlen und wäre damit in ihrer Existenz gefährdet. Eine Konsequenz hat der Betrieb bereits gezogen: „Wir beantragen keine ESF-Mittel mehr, weil wir das einfach nicht so abrechnen können, wie es die Geldgeber fordern“, sagt Thomas Schulke. Damit können aber auch nicht mehr so viele benachteiligte Menschen beschäftigt werden.
Die Zurückhaltung der MÖWE stört wiederum Arbeitsagentur und Kommunen, denn auf diese Weise fließen diese öffentlichen Fördergelder nicht mehr in die eigene Region. Übrigens ein Trend, der sich auch in anderen Bereichen zeigt: Fördergelder zu erhalten, wird offenbar immer schwieriger.
Matthias Petersen