Ökumenischer Verein "Zeit schenken"

Zuhören ist das Wichtigste

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„Zeit schenken“: Der Name ist Programm eines ökumenischen Vereins aus Bramsche. Die Mitglieder wollen einsamen Menschen Gesellschaft leisten. Ein Konzept, das beide Seiten glücklich macht.


Schönster Tag der Woche: Lydia Keßler und Lieselotte Kortekamp genießen die gemeinsame Zeit. Foto: Astrid Fleute

Die roten Steine bringen ihr Glück. Davon ist Lieselotte Kortekamp überzeugt. Meistens gewinnt die 82-Jährige damit beim Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielen am Dienstagnachmittag. Dieser Tag ist der Seniorin der liebste in der Woche. Denn dienstags kommt Lydia Keßler zu ihr ins Bramscher St.-Martinus-Heim, in dem Lieselotte Kortekamp seit eineinhalb Jahren lebt. Sie bekommt nicht viel Besuch, ihre Familie lebt weit entfernt. Dafür kommt Lydia Keßler. Die beiden machen es sich gemütlich, trinken Kaffee, essen ein Stück Kuchen, spielen Mensch-ärgere-dich-nicht – und reden. Sie erzählen sich von ihrer Woche, von ihren Sorgen und Freuden, von den Enkeln, aus ihrem Leben. Das tut gut, das baut auf. 

Zueinander gefunden haben sie durch den ökumenischen Verein „Zeit schenken“ aus Bramsche. Seit acht Jahren machen es sich die Mitglieder zur Aufgabe, Menschen zu helfen – wie die guten Nachbarn von nebenan. Sie bieten kleine Hilfestellungen und Handreichungen im Alltag, leisten Gesellschaft, lesen vor, gehen spazieren, schenken Zeit. Oft ist es eine Win-win-Situation für beide Seiten: Auch für Lydia Keßler ist der Besuch im Pflegeheim ein „Highlight“ der Woche. „Lieselotte hat mich wieder aufgebaut“, erzählt die 75-Jährige. „Wir wissen voneinander – Positives und Negatives.“ Auch ihr tut der Austausch gut.

Wie bei Lydia Keßler und Lieselotte Kortekamp achtet der Verein „Zeit schenken“ sehr darauf, dass die Kontakte, die sie vermitteln, auch zueinander passen. „Die Menschen sollen die gemeinsame Zeit genießen können“, erklärt Gründungsmitglied Maria Höhne. Der erste Besuch findet daher immer zu zweit statt, um zu checken, „ob die Chemie stimmt“. Mittlerweile haben die Verantwortlichen ein gutes Auge entwickelt, „die meisten Anfragen können wir vermitteln.“

Gut 25 Mitglieder führt Maria Drieschner auf ihrer Vereinsliste. Alle acht Wochen treffen sie sich, tauschen sich aus, besprechen neue Anfragen. Ursprünglich entstanden ist die Idee zu dieser Hilfsaktion im Pfarrgemeinderat von St. Martinus. „Ich freue mich, wie gut sich das entwickelt hat“, erzählt Katja Pahlmann von motivierten Anfängen und auch von Durststrecken, die die Mitglieder durchstehen mussten. „Eine Zeitlang hatten wir kaum Leute, die besucht werden wollten. Wir mussten erst Vertrauen aufbauen und Kontakte knüpfen.“ Mittlerweile arbeiten sie gut mit der Caritas und der Stadt Bramsche zusammen, die ihnen Anfragen weiterleiten. Auch besuchen sie Fortbildungen, besichtigen Heime oder holen Referenten zu sich, um sich für ihre Arbeit zu qualifizieren und fortzubilden. „Der Verein ist mittlerweile eine bekannte und gefragte Gruppe“, betont auch Maria Stuckenberg, Ehrenamtskoordinatorin der Stadt Bramsche. „Familien können sich heute oft nicht mehr selbst versorgen, die Eltern bleiben allein zu Hause. Nicht selten melden sich die Kinder bei uns und fragen nach einer Besuchsmöglichkeit.“ Da ist sie froh, wenn sie auf den aktiven Verein verweisen kann.

Noch mehr jüngere Leute und Männer erwünscht

Überwiegend sind es Senioren, die einen Besuch wünschen. „Die Heime haben großen Bedarf. Der Personalmangel ist ein Problem, das spürt man“, erzählt Maria Drieschner. Sie selbst besucht zurzeit einen Rentner, der einen Schlaganfall hatte „und mit jemandem reden möchte.“ 

Alle Mitglieder sind sich einig, dass sie ihre Zeit sinnvoll vergeben, der Gesellschaft etwas zurückschenken möchten. „Das gibt eine tiefe Befriedigung“, betont Katja Pahlmann. Eine jüngere Frau erzählt: „Ich habe selbst keine eigenen Großeltern erlebt. Mir ist es wichtig, einen Bezug zur älteren Generation zu haben.“ 

Dabei achten sie aufeinander, dass sie sich nicht überbelasten und stellen klar: „Wir übernehmen keine Pflege- oder Putzdienste. Dafür sind die Profis da.“ Und: „Ein Kontakt pro Mitglied, das reicht. Man muss das auch in den Alltag einbauen können“, betont Maria Höhne. Wünschen würden sie sich, dass noch mehr jüngere Leute oder auch Männer zu ihnen dazustoßen.

Zuhören, das ist an ihrer Aufgabe das Wichtigste. Das merken die Mitglieder immer wieder. „Die Menschen haben heute viel zu wenig Zeit“, erzählt auch Lieselotte Kortekamp von den „schönsten zwei Stunden der Woche“ mit Lydia Keßler. „Es interessiert sie wirklich, was ich erzähle.“ Nur beim Spielen hat die Seniorin nicht so viel Zeit zum Gespräch und zieht konzentriert die roten Steine. Oft zum Nachteil von Lydia Keßler: „Ich unterhalte mich einfach so gern, dass ich manchmal übersehe, dass ich sie rauschmeißen kann.“

Astrid Fleute

Kontakt: Maria Höhne, Telefon 01 60/90 17 75 09