Zum Abschied brennen Kerzen

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Die Kieler Pfarrei Franz von Assisi hat in einem schmerzvollen Prozess geschafft, was anderen noch bevorsteht: Sie hat fünf ihrer neun Kirchen geschlossen. Am Samstag wurde Heilig Kreuz in Elmschenhagen profaniert.


Propst Benner übergab einen Schlüssel der St. Joseph-Kirche an Conny Brieske als Zeichen, dass die Gemeinde Heilig Kreuz nun dort ebenfalls Hausrecht hat. Rechts sitzt Pastor Orphée Agbahey. | Foto: Marco Heinen

Wenn eine Kirche profaniert – also entweiht – wird, dann gibt es keine Gewinner. Weder der Erzbischof noch der Priesterrat, die auf Antrag einer Pfarrei zuvor ihr Einverständnis geben müssen, noch der Kirchenvorstand und der Pfarrer, die vor Ort alle Entscheidungen in die Wege geleitet haben, empfinden Genugtuung. Und für die Menschen, die in einer Kirche vielleicht geheiratet und ihre Kinder haben taufen lassen, die hier Abschied von Angehörigen genommen haben, ist die Schließung ihrer Kirche ohnehin nahezu unerträglich.

So war es auch am Samstag, 19. November, als der Kieler Propst Dr. Thomas Benner mit seinem Liturgie-Team den schweren Weg zur Kirche Heilig Kreuz in Kiel-Elmschenhagen antrat. „Wir waren überrascht, wie viele hier sitzen“, sagte gegen Ende des Gottesdienstes Messdienerin Conny Brieske. Die etwa 70 Gläubigen, die erschienen waren, spendeten einander auch Trost, „weil es sich gemeinsam einfach leichter erträgt“, wie sie es ausdrückte.

Entsprechend konnte beim letzten Gottesdienst natürlich nicht wirklich von einer Feier die Rede sein. Es war vielmehr ein Zelebrieren des Abschieds, das mit dem Entzünden von Lichtern an einem vorn am Altar aufgestellten Leuchter begann und mit einem besonderen Gebet zu Ende gehen sollte. Der Leuchter wird – wie auch die Gemeinde – künftig einen Platz in der St. Joseph-Kirche am Kieler Ostufer finden. Es ist nicht viel –, aber es ist eben doch ein Stück kirchlicher Heimat, das die Gemeinde mitnehmen kann. So hatte es ein gemeinsamer Ausschuss der nun aufgelösten Gemeinde und der Gemeinde am Ostring in Kiel-Gaarden verabredet.

Der Leuchter solle „eine symbolische Brücke“ bauen, wie Propst Benner in seiner Predigt sagte. „Das Symbol des Lichtes wird deshalb auch am ersten Advent in besonderer Weise aufgegriffen, wenn die Gläubigen aus Elmschenhagen sich erstmalig in Gaarden zum Gottesdienst versammeln und von den Gläubigen aus St. Joseph ganz besonders willkommen geheißen werden“, so Benner.

Die Schließung von fünf der neun Kirchen der Pfarrei hatte der Kirchenvorstand bereits Mitte 2017 beschlossen mit dem Hinweis, vier Kirchen als „Leuchttürme christlichen Glaubens“ erhalten zu wollen, ergänzt durch die Kirche Liebfrauen, die sich im Besitz des Erzbischöflichen Stuhls befindet. Die Kirchen von Heikendorf, Schönberg, Kiel-Pries und Kronshagen wurden bereits geschlossen. Heilig Kreuz war die letzte, die zu schließen war. St. Nikolaus, St. Birgitta, St. Heinrich und St. Joseph stehen nun für die 21 000 Katholiken der Pfarrei zur Verfügung mit der Option, auch noch in den evangelischen Kirchen von Heikendorf und Schönberg Gottesdienste zu feiern.

Allein für dieses Jahr ein Defizit von 400 000 Euro

Im Februar dieses Jahres fasste der Kirchenvorstand den Beschluss zur Schließung von Heilig Kreuz. Propst Benner beantragte dies Anfang März beim Priesterrat, der wiederum Anfang April zustimmte. Bevor Benner am Ende des Gottesdienstes die Angaben des Profanierungsdekrets des Erzbischofs verlas, warnte er vor diesem „furchtbar nüchternen Rechtstext“, in dessen Mittelpunkt die „Unmöglichkeit der Pfarrei“ steht, die Unterhaltskosten für mehr als vier Kirchstandorte dauerhaft aufzubringen.

Für das aktuelle Haushaltsjahr habe die Pfarrei ein Defizit von 400 000 Euro, das aus den Rücklagen entnommen werden müsse, erläuterte der Propst später. Der Priestermangel und der Rückgang der Zahl der Katholiken sind weitere Gründe für die Schließung der Kirchen.

Als der Propst das Dekret ankündigte, stand ein Ehepaar auf und verließ mir versteinerter Miene die Kirche. Einige andere waren von vornherein ferngeblieben.

Zum Schluss ergriff Conny Brieske noch einmal das Wort. Sie beschwor den Zusammenhalt, der „diese Gemeinde ja immer ausgemacht hat“. Aber sie erhob auch Vorwürfe gegen das Erzbistum und erhielt Applaus für ihre kurze, emotionale Ansprache.

Propst Benner zeigte sich nach dem Gottesdienst „erschöpft und ein bisschen müde“. Die fünfte Kirchenschließung, das war auch für ihn als Priester kein Pappenstiel. Mit Herzklopfen sei er gekommen, weil er die Menschen ja kenne, ihre Trauer und Enttäuschung. Routine, die stelle sich nicht ein. Propst Benner: „Man gewöhnt sich nicht daran.“

Und doch war er auch ein bisschen erleichtert. Immerhin hat die Pfarrei Franz von Assisi nun das schon hinter sich, was auf die anderen Pfarreien im Erzbistum noch zukommt. Allerdings wartet auch auf den Kirchenvorstand in Kiel noch viel Arbeit, weil die Nachnutzungen zu klären sind. Die Kirche in Heikendorf wurde bereits abgerissen und hat Platz für eine einfache Wohnbebauung gemacht. An den anderen Standorten sind noch viele Fragen offen. Für die Standorte Kiel- Pries und Heilig Kreuz ist man mit der Stadt im Gespräch. In Heilig Kreuz könnte zum Beispiel das benachbarte Schulzentrum seine Nachmittagsbetreuung, Unterrichtsräume oder eine Mensa unterbringen. Nur Gottesdienste, die werden wohl in keiner der Kirchen mehr stattfinden.