Wie das Christendorf Mi'ilya sein Schicksal in die Hand nahm
Zwei Schachteln Zigaretten für eine Burg
"Die Leute lieben Archäologie", sagt Rabei Khamisy. Er kämpft für den Erhalt einer Kreuzfahrerburg in seinem christlichen Heimatort Mi'ilya.
Die Zeit nagt unerbittlich am "Castellum Regis" im galiläischen Mi'ilya. 30 Jahre lang scheitern Behörden und örtliche Politiker an dem Vorhaben, das historische Erbe in den Bergen Galiläas zu sichern. Als die Nordwand der Kreuzfahrerburg einzustürzen droht, kann Rabei Khamisy nicht länger tatenlos zuschauen. Der in Mi'ilya geborene Archäologe am "Zinman Institute of Archaeology" der Universität Haifa - Fachgebiet Kreuzfahrerzeit - umwirbt Bewohner und Behörden, rettet das Denkmal vor dem Schlimmsten und bringt einen Stein ins Rollen, der das Gesicht des Dorfes verändert.
Drei Millionen Schekel, umgerechnet 740.000 Euro, würde die Restaurierung der gesamten Burg nach Schätzung der israelischen Antikenbehörde insgesamt kosten, eine abschreckend hohe Summe. Doch Khamisy denkt klein. Sein Deal scheint so einfach wie bestechend: 300.000 Schekel kosten die gefährdetsten fünf Meter. "Geteilt durch die Familien im Ort sind das 66 Schekel pro Person, zwei Schachteln Zigaretten. Gebt mir zwei Schachteln Zigaretten, und ich rette die Burg", zitiert der Archäologe sich selbst beim Klinkenputzen.
Sein Charme und Vorträge über unbekannte Details der Dorfgeschichte tun das übrige. Private, Geschäftsleute und die Ortsverwaltung spenden. Am Ende reicht das Geld für zehn Meter Mauerrestauration. Jeder Schekel, sagt Khamisy den Leuten, "bleibt hunderte Jahre in diesen Mauern", weit mehr als eine Zigarettenlänge. Bei allem Stolz bleibt er bescheiden: "Der Boden in Mi'ilya ist reif: Die Leute lieben Archäologie und Geschichte, es braucht nur einen, der anfängt."
Statt Weinbar eine Kreuzfahrerwinzerei im Keller
Salma Assaf ist der Beweis. Ihr gehören die Häuser rund um die Burg, zusammengekauft von Verwandten und liebevoll restauriert, um "Geschichte zum Leben zu bringen". Eigentlich wollte die Tankstellenbesitzerin dort eine Weinbar einrichten. Das Nivellieren des Bodens nutzt sie als Gelegenheit, nach einem unterirdischen Raum aus ottomanischer Zeit zu suchen, in dem Vorfahren ihres verstorbenen Mannes während längerer Abwesenheiten zur Erntezeit ihre Wertsachen versteckten. Dann kommt alles anders.
Salma Assaf stößt auf zwei bearbeitete Steine. Ruft Rabei Khamisy hinzu. Kreuzfahrerzeit, lautet seine Expertise, und der Rat, sich das weitere Vorgehen gut zu überlegen. Will sie weiter graben, muss eine Lizenz von der Antikenbehörde eingeholt werden. Die Kosten für die Grabung müsste sie selbst tragen. Alternativ könnte sie alles wieder zuschütten. Doch Assaf ist angesteckt. "Ohne Vergangenheit werden wir keine gute Zukunft haben", sagt sie, und lässt weitergraben. Khamisy und sein Team finden einen Tretboden für Wein aus Kreuzfahrerzeit, mit 12 Quadratmetern Fläche um ein Drittel größer als das bisher bekannte größte Kreuzfahrerweingut im nahegelegenen Montfort.
Noch einen Meter wollen die Archäologen weitergraben, um die Konservierung der Grabung zu erleichtern. Und finden einen zweiten Tretboden, identisch mit dem ersten - ein einzigartiger Fund. "Wir kennen sonst keine Anlage aus dieser Zeit mit einem doppelten Tretboden, und die Größe ist zusätzlich außergewöhnlich", sagt Khamisy. Hinzukommen ein in den Fels gehauener Raum, den die Forscher auf die Römerzeit datieren und dessen genaue Funktion noch ungeklärt ist. Sein Überbau stammt aus Mamlukenzeit, während die Außenmauer des Hauses sich als Teil der Stadtbefestigung der Kreuzfahrer entpuppt.
Eine Etage höher herrscht angespannte Geschäftigkeit. In den Dielenboden hat Salma Assaf Glasplatten einbauen lassen, die künftigen Besuchern den Blick in die Geschichte unter ihren Füßen erlauben. Handwerker schrauben an den letzten Steckdosen. Die geplante Weinbar hat sich zum "Chateau du Roi" entwickelt, einem italienisch-mediterranem Restaurant, das in wenigen Stunden seine ersten Gäste willkommen heißen wird. Der Chef, gebürtig aus Mi'ilya, hat seine jahrzehntelange Karriere in Padua aufgegeben, um Teil dieses Kapitels seines Geburtsorts zu werden.
Für Salma Assaf und Rabei Khamisy ist damit noch lange nicht Schluss - und ihre Projekte haben bereits andere inspiriert. Ein Museum mit den archäologischen Funden soll entstehen, ein Nachbar will in seinem Haus gefundene byzantinische Mosaike konservieren und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, auf dem Gelände der Kreuzfahrerburg sollen Gästezimmer im Stil eines alten Dorfes entstehen. "Mi'ilya", sagt Salma Assaf, "hat nicht enttäuscht".
kna