Über Menschen, die Ja sagen und Ja meinen

Zweimal Ja fürs Leben

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Sagt Ja oder Nein, alles andere ist vom Bösen. So ähnlich sagt es Jesus in der Bergpredigt. Kerstin und Marcus Leitschuh und Simon Hacker nehmen das 
wörtlich: Zwei haben Ja zueinander gesagt – und einer zum Ordensleben.

Foto: privat
Kerstin und Marcus Leitschuh haben 2015 Ja zueinander gesagt. Foto: privat

Ein „Ich will“. Kein „Ich muss“

Irgendwann war es für Kerstin und Marcus Leitschuh nicht mehr die Frage, ob sie sich das Ja-Wort geben, sondern wann und vor allem wo. Schließlich stammt sie aus Oberschwaben, er ist in Nordhessen zu Hause. „Dass wir uns getroffen haben, ist kein Zufall“, sagt Kerstin Leitschuh.
 
Es war auf dem Katholikentag in Mannheim 2012, sie waren beide an der Organisation derselben Veranstaltung beteiligt. „Das Motto des Katholikentags war ‚Einen neuen Aufbruch wagen‘. Das haben wir wörtlich genommen“, sagt Kerstin Leitschuh und lacht.

2015 haben sie kirchlich geheiratet – in Oberschwaben, dafür war die standesamtliche Trauung in Hessen. „Die Ehe ist das einzige Sakrament, das zwei Menschen sich gegenseitig spenden“, sagt Marcus Leitschuh. „Ich habe das immer so verstanden, dass Gott sich einfach hinzugesellt und im weiteren Leben mit uns mitläuft.“ Im gegenseitigen Ja-Wort, sagt er, „haben wir Gott mit dazu geholt. Er ist da im Ja.“

Auch Kerstin Leitschuh sagt, dass sie sich „sehr bewusst für das Ja entschieden“ hat. „Es ist wie ein Anker, auf den man sich verlassen kann, gerade wenn die See nicht so ruhig ist.“ Es hat, sagt sie „größere Verbindlichkeit“, es sei „ein Aufruf zur Klarheit“.

„Denk dran, du hast Ja gesagt!“

Und das haben die beiden immer vor Augen. „Unser optisches Motto bei der Hochzeitseinladung war ein großes JA und das wurde in unsere Traukerze eingearbeitet“, erzählt Marcus Leitschuh. „Sie steht bei uns im Wohnzimmer und erinnert uns immer an unser Ja zueinander.“

Von großen Krisen, in denen das Ja tragen musste, erzählen sie nichts. Aber große Krisen beginnen ja mit kleinen. „Es gibt schon Momente“, sagt Kerstin Leitschuh, „wenn ich vielleicht ungeduldig war oder zickig, dann sage ich mir: Er hat Ja gesagt, er wird es aushalten.“ Marcus Leitschuh lacht: „Und wenn ich mal wieder die Spülmaschine falsch sortiert habe, sage ich zu dir: Denk dran, du hast damals Ja gesagt!“

Nun ist er Religionslehrer, sie ist in Kassel Referentin für Citypastoral. Gehören sie mit ihrem Ja zu einer aussterbenden Gattung? „Nein, das glaube ich nicht“, sagt Marcus Leitschuh und erzählt von dem Ehevorbereitungskurs, an dem sie selbst teilgenommen haben. „Die anderen waren viel jünger und nicht so kirchlich“, sagt er. „Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sie am Ja zweifeln.“ Auch Kerstin Leitschuh ist überzeugt, dass das Ja vor Gott und Menschen wichtig bleibt. „Die Frage ist eher, wie wir Paaren mit wenig Kontakt zur Kirche zukünftig den Zugang dazu erleichtern.“ Ein Weg sind zwei Geschenkbücher, die sie für Ehepartner geschrieben haben und mit denen sie Gott ins Ehegespräch bringen wollen.

Und noch etwas ist beiden wichtig: Trotz Ja bleibt Freiheit. „Uns ist bewusst, dass im Leben viel passieren kann“, sagt Marcus Leitschuh. Das Ja der Trauung müsse man pflegen, es müsse sich entwickeln. „Das Ja“, sagt er, „ist immer ein ‚Ich will‘, kein ‚Ich muss!“‘

Susanne Haverkamp

Foto: Dominikaner/Adam Rokocz
Simon Hacker hat 2022 Ja gesagt zum Leben als Dominikaner. Foto: Dominikaner/Adam Rokocz

Jeder Tag braucht eine Entscheidung

Sein Ja galt nicht einem einzelnen Menschen, sondern einer ganzen Gemeinschaft. Am 3. September vergangenen Jahres hat Simon Hacker (33) seine feierliche Profess abgelegt. In die Hände des Provinzials der Dominikaner versprach er sein Leben Gott und der Gemeinschaft. Für ihn ist das eine Möglichkeit des Christseins: die „Ausgestaltung meiner Taufberufung“ und „die konkrete Form“, sagt er. In der Zeit der Ordensausbildung sei immer klar gewesen, „ob du Dominikaner wirst oder nicht, hat nichts damit zu tun, ob du Christ bist“. Die Frage sei nur, ob die Gemeinschaft der richtige Weg sei.

Ungewöhnlich ist diese Lebensform nicht für ihn. Glauben und Kirche waren feste Bestandteile des Familienlebens. Als Kind und Jugendlicher hat er alles mitgenommen, was Kirche zu bieten hatte: „Gottesdienstbesuche, Ministranten, Pfarrjugend, das ganze Programm“, erzählt er.

Spätestens mit 14 Jahren habe er zum ersten Mal überlegt, Priester zu werden. Seinen Zivildienst habe er „bewusst in einem katholischen Jugendhaus gemacht, um die Sache nochmal näher anzuschauen“. Dann sei er zum Theologiestudium gegangen, jedoch nicht als Priesteramtskandidat – und lernte die Dominikaner kennen.

Der Ordenseintritt fühlte sich für ihn passend an, als ob „ich den Weg, den ich irgendwann mal begonnen habe, den Gott mit mir begonnen hat, einfach immer weitergehe“. Dennoch findet er die Prüfungszeit in Ordensgemeinschaften sehr hilfreich. Für ihn waren es viereinhalb Jahre: ein halbes Jahr unverbindliches Mitleben im Postulat, dann die Aufnahme in den Orden und das einjährige Noviziat, dann eine zeitliche Verpflichtung für drei Jahre, das sogenannte Studentat, und erst dann das Versprechen auf Lebenszeit. Nicht nur er musste sich jeweils für den nächsten Schritt entscheiden, auch die Dominikaner stimmten ab. 

Das nächste Ja steht bevor

Wie in einer Ehe ist auch das Leben in einem Orden ein Wagnis. Nur schwerer als mit dem Risiko einer falschen Entscheidung lebt es sich wahrscheinlich mit Unverbindlichkeit. Das hat wohl auch Jesus im Sinn, wenn er fordert „eure Rede sei: Ja ja, nein nein“. Für Simon Hacker gilt: „Die Profess ist das Wozu meines Lebens, die große biografische Landmarke.“ Aber er habe seit seiner Profess nicht immer nur Lust zu beten. „Ich muss mich jeden Tag wieder dafür entscheiden“, sagt er.

Der schönste Moment seiner Professfeier sei für ihn die Allerheiligenlitanei gewesen: „Ich war sehr bewusst da, habe aber nicht mitgesungen, sondern mich von den anderen tragen lassen.“ Von den Heiligen, die da angerufen wurden, den Vorfahren im Glauben, und von den über 250 Gästen, die in der Kirche hinter ihm standen und für ihn und seinen Mitbruder gebetet haben. Für ihn, der ebenso wie sein Mitbruder mit ausgestreckten Armen und dem Gesicht nach unten auf dem Boden lag, war das „auf ganz eigene Art ein sehr erhebender Moment“.

Seitdem ist Simon Hacker im Seelsorgepraktikum an der Leipziger Propstei und bereitet ein weiteres Versprechen vor – für die Priesterweihe im kommenden Mai.

Barbara Dreiling