Beginn der Fastenzeit

Zwischen Besinnung und Ehrgeiz

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Auf Alkohol, Fleisch und Süßes verzichten: Doch in der Fastenzeit geht es eigentlich um mehr ...

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Auf Alkohol zu verzichten, kann eine Möglichkeit sein, die Fastenzeit zu gestalten. Eigentlich geht es aber um die Frage, was und wer für mich in meinem Leben eine Rolle spielen. Foto: kna


Sieben Wochen ohne Alkohol, Fleisch oder das Auto: An Ideen für die Fastenzeit mangelt es nicht. Wer sie aus christlichen Motiven angeht, für den steht allerdings nicht unbedingt der Verzicht allein im Mittelpunkt. "Es geht vielmehr um die Intention, bewusster mit dem eigenen Leben umzugehen - und sich zu fragen, was mir im Leben wichtig ist und welche Rolle die Beziehung zu Gott darin spielt", erklärt Markus Wonka. Der Theologe und Psychologe leitet die Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) im Bistum Münster.

Andere Aspekte können durchaus hinzukommen: etwa, der Umwelt etwas Gutes zu tun, indem man vom Auto aufs Fahrrad umsteigt, oder dank Süßigkeiten-Fasten ein paar Kilo abzunehmen. Aber, so Wonka: "Der Leistungsgedanke ist in unserer Gesellschaft tief verankert." Auch das Fasten könne dadurch schnell zum Wettbewerb ausarten. Dabei gehe es darum, eine größere innere Freiheit zu gewinnen - nicht darum, neue Abhängigkeiten zu schaffen.

Gute Vorsätze und Vergleiche mit anderen hängen grundsätzlich zusammen. Beides kann ein Ansporn sein, aber auch zu Frust führen. In den vergangenen Jahren ist das Vergleichen nach Einschätzung des Kölner Psychologen Peter Groß "ziemlich aus dem Ruder gelaufen. In der heutigen Leistungsgesellschaft reicht 'gut' eben nicht, es muss immer 'sehr gut' sein - oder 'sehr sehr gut', also 200 Prozent." Und das lernen Menschen schon sehr früh. Manche Eltern stachelten ihre Kinder stets zu Höchstleistungen an. "Es ist in Ordnung, jemanden zu motivieren. Aber zu großer Druck führt häufig eher zu Problemen."

Menschen sind im ständigen Abgleich mit ihrer Umwelt und damit, wie sie von ihr wahrgenommen werden. Das muss nichts Schlechtes sein, sagt Wonka. "Ein entscheidender Moment in der Persönlichkeitsentwicklung, für das Empfinden des Eigenen, ist, wenn ein Kind lernt, nein zu sagen." Der Vergleich sei nämlich zunächst eine Voraussetzung dafür zu erkennen, was man selbst will - und nicht will. Die Kehrseite entstehe, wenn Menschen nur noch auf andere schauten.

 

Fastenzeit ist kein Wettkampf

Wonka beobachtet eine verbreitete Neigung, sich nach oben zu vergleichen: mit Leuten, die mehr haben, schlanker sind, schneller sind. "Wer einseitig auf diese Bahn gerät, macht sich selbst unglücklich", warnt er. Das sieht Groß ähnlich - insbesondere im Hinblick auf Aussehen und finanzielle Lage seien Vergleiche nicht ratsam. "Ganz schlimm ist das Vergleichen mit Fotos in Zeitschriften: Da ist nichts und niemand echt, und der Betrachter schneidet immer 'schlechter' ab." Auch die Sozialen Netzwerke können eine wahre Fundgrube für solche asymmetrischen Vergleiche sein.

Also zur Fastenzeit lieber nicht darauf schauen, was die anderen machen? Nicht unbedingt, sagen die Experten. Ideen von anderen könnten durchaus motivieren, sagt Groß. "Wenn ein guter Freund seinen Fernseher abschafft, kann mich das zum Beispiel dazu anregen, meinen eigenen Fernsehkonsum etwas einzuschränken." Übertreiben sollte man es mit dem Ehrgeiz aber nicht - Verzicht sei schließlich kein Wettkampf. Ebenso sei es meist zum Scheitern verurteilt, wenn Menschen sich zu viel auf einmal vornähmen, sagt der Psychologe. Kleine Schritte führten eher zum Ziel.

Groß verweist auch auf die Bibel. Im Matthäus-Evangelium sagt Jesus zu seinen Jüngern: "Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler! Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten." Es gehe also nicht darum, sich mit dem Verzicht zu brüsten, betont der Psychologe. Im Austausch mit anderen merke man aber schnell, "dass wir im Prinzip alle ähnliche Probleme haben".

Kirchengemeinden bieten dafür zum Beispiel Exerzitien an. "Dabei geht es auch darum festzustellen, wofür ich eigentlich faste und wie es mir damit geht", erklärt Berater Wonka. Wegbegleiter, die ähnliche Ziele hätten wie man selbst, könnten sehr hilfreich sein - und das nicht nur, um sich gegenseitig zu motivieren. "Durchs Fasten entsteht ein innerer Freiraum", erklärt Wonka, "und damit die Freiheit, sich anderen Dingen und Menschen zuzuwenden." Die besten Impulse für dieses Neue, meint der Experte, erhalte man gemeinsam.

kna