Magdeburger Bistumswallfahrt 2023
Eine Kirche für alle Menschen
Fotos: Oliver Gierens
Die Stimmung war an diesem Sonntag durchaus vergleichbar mit dem Weltjugendtag. Geschätzt rund 2000 Pilger – und damit wieder mehr als in den Vorjahren, wenn auch weniger als vor der Corona-Zeit – haben den Weg auf die große Wallfahrtswiese hinter dem Kloster Huysburg gefunden. Das Bistum hatte zur jährlichen Wallfahrt eingeladen – und die Besucher saßen auf Holzbänken, mitgebrachten Wolldecken oder Campingstühlen, viele auch auf stabilen Pappkartons. Die Chöre sowie die Band „Di9“ aus Magdeburg sorgten mit schwungvoller Musik immer wieder für wippende Füße und rhythmisches Händeklatschen.
Feige: Kirche als „Lastenträger“
Auch inhaltlich war die Stimmung mit dem Weltjugendtag in Lissabon vergleichbar. Die Kirche sei „offen für ihre Kinder, für alle, alle, alle ohne Ausnahme“, hatte der Pontifex vor gut einem Monat den Jugendlichen aus aller Welt zugerufen.
Das diesjährige Motto der Bistumswallfahrt „Mach den Raum deines Zeltes weit“ griff diesen Gedanken auf – und setzte immer wieder bewusst Zeichen, wie eine inklusive Kirche aussehen kann. Bewusst wurde der Tag von Menschen mitgestaltet, die ansonsten nicht selten am Rand der Gesellschaft stehen, zum Beispiel durch eine Behinderung oder einen Migrationshintergrund. „Inklusion“ war das große Stichwort dieser Bistumswallfahrt, und Bischof Gerhard Feige fand in seiner Predigt hierzu deutliche Worte.
Kirche – das sei für viele inzwischen ein Schreckgespenst oder ein Unwort, oftmals sogar überhaupt kein Thema mehr. Eigenverschuldete Missstände, aber auch antichristliche Propaganda erweckten den Eindruck, als sei Kirche „nichts anderes als eine klerikale Verdummungsanstalt.“
Stattdessen erinnerte der Bischof an das Papstwort von der „Kirche für alle“: eine vielfältige und bunte internationale Gemeinschaft, trotz aller Unterschiede in Lebensauffassungen und Frömmigkeiten durch den Glauben verbunden. „Auch über die Kirche hinaus wäre das wünschenswert“, so Feige weiter: „in einer Welt zu leben, die geschützte Räume und eine Gesellschaft für alle bietet, mit echten Chancen und Möglichkeiten, überall teilhaben zu können.“
Für viele Menschen sei die Wirklichkeit in Kirche und Gesellschaft aber eine andere. Doch Jesus rufe den Menschen zu: „Kommt her zu mir ... mit eurer Last. Bei mir könnt ihr still und froh werden“, wie es in der „Bibel in einfacher Sprache“ heißt. Jesus habe ungewöhnlich und gegen die Gepflogenheiten seiner Zeit gehandelt.
Daran, so Feige, solle sich die Kirche heute ein Beispiel nehmen. „Hinsehen und uns auch in andere Lebenswelten einladen zu lassen – dann machen wir den ‚Raum unseres Zeltes‘ ein Stückweiter.“ Die Kirche solle eher „Lastenträger als Besserwisser“ und zudem ein weites Zelt sein, das für „Offenheit, Mobilität und Veränderung“ stehe.
Wo Kirche Inklusion fördert
Wie das praktisch gelebt werden kann, wurde schon während der Messfeier sichtbar. Die Fürbitten trugen Menschen mit Behinderungen aus der Caritas-Integrativeinrichtung St. Josef in Halberstadt vor, ebenso griechisch-katholische Christen aus der Ukraine. Bischöfe aus Polen, Litauen und Frankreich sorgten für Internationalität, und insbesondere der Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig, stand für die Vielfalt der Konfessionen.
Im Anschluss präsentierten sich zahlreiche Gruppen und Initiativen an Ständen und in Pavillons und zeigten dort, wie inklusiv Kirche sein kann. In einem der Zelte hingen beispielsweise Bibelsprüche in „leichter Sprache“, die zeigen sollen, wie Jesus alle Menschen, die zu ihm kamen, angenommen und geliebt hat. „Darum nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat“ (Röm 15,7), stand beispielsweise auf einem der Plakate.
Die Fachakademie für Gemeindepastoral des Bistums wollte auf diese Weise zeigen, was unter einem christlichen Menschenbild zu verstehen ist. So stand am Eingang des Pavillons ein Teller, auf dem mit kleinen, bunten Steinchen erklärt wurde, was Integration oder Inklusion bedeutet – oder eben Exklusion, also den Ausschluss bestimmter Gruppen von Menschen.
Ein paar Meter weiter zeigte die „AG Inklusion im Bistum Magdeburg“, wie sich Menschen mit Einschränkungen nur schwer im Alltag zurechtfinden. Verschiedene Brillen, die sich die Besucher aufsetzen konnten, simuilierten Augenerkrankungen, und Gewichte an Armen und Beinen zeigten, wie schwer sich Menschen im Alter oft fortbewegen können. Aber die AG präsentierte auch ein praktisches Hilfsmittel, das Menschen, die nicht oder nur schwer sprechen können, zur Kommunikation einsetzen können: Den „Talker“. Es ist ein kleines Tablet, das beispielsweise verschiedene Symbole zeigt. Per Fingerdruck gibt das Gerät Antworten auf einfache Fragen, zum Beispiel „Wie heißt du?“ oder „Wo wohnst du?“.
Auch die Katholische Erwachsenenbildung (KEB) und das Magdeburger Roncalli-Haus stellen die Besucher vor knifflige Aufgaben – zum Beispiel Dinge mit geschlossenen Augen zu ertasten oder mit der „falschen“ Hand ein Wort zu schreiben, um auf diese Weise eine Sensibilität für Inklusion zu wecken.
Am Nachmittag präsentierten die Heimbewohner aus Schelkau zusammen mit anderen Gästen gemeinsam einige Musikstücke – Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam auf der Bühne. „Wir haben dem Thema Inklusion heute ein Gesicht gegeben“, sagte Bischof Feige zum Abschluss.