Zu Caspar David Friedrichs 250. Geburtstag
Kunst für Verstand und Seele
Foto: Rocco Thiede
Der Maler Caspar David Friedrich (1774-1840) ist ohne Religion, die Theologie und das Christentum undenkbar. Davon ist Kunsthistorikerin Birgit Verwiebe, Alte Nationalgalerie Berlin, überzeugt. „Das Geheimnis von Friedrichs Werken besteht darin, dass seine Bilder Gedanken und Gefühlsräume anbieten. Man nimmt mit ihnen Kontakt auf und kann sein Ich bei der Betrachtung einbringen, so dass nicht nur der Verstand, sondern auch die Seele berührt wird“, sagt sie. Als Kuratorin bereitet sie mit ihren Kolleginnen die Caspar David Friedrich-Ausstellung „Unendliche Landschaften“ (ab 19. April zu sehen) für die Hauptstadt vor.
„Von Friedrich weiß man, dass er sehr religiös war und er hat sicher die Bibel gut gekannt. Wahrscheinlich hätte er gar nicht überlebt, ohne seine Religiosität, denn er musste sehr viele Schicksalsschläge ertragen“, stellt Verwiebe klar. Auch um welche Schicksalsschläge es sich handelt, erzählt sie: „Ganz früh verliert er seine Mutter, da ist er gerade sieben Jahre alt. Dann stirbt sein Bruder vor seinen Augen – als der ihn vor dem Ertrinken im Eis rettete. Es ist eine Katastrophe für den jungen Caspar.“ Viele weitere Schicksalsschläge sollen folgen, „bis dahin, dass es ihm nie vergönnt war, wirklich richtig Erfolg zu haben und von seiner Arbeit gut leben zu können.“
Frage nach dem Tod und die Endlichkeit des Seins
In der Berliner Nationalgalerie ist auch das Werk „Abtei im Eichwald“ zu sehen. Es ist ein düsteres Bild. Die Bäume tragen keine Blätter mehr. Es ist bereits Nacht. Friedrich ist viel durch die Natur gewandert, hat die Umgebung Greifswalds bestens gekannt und dabei die Ruine der Klosterkirche Eldena kennengelernt und vielfach gezeichnet. Birgit Verwiebe erklärt: „Das Thema des Bildes ist eigentlich die Frage: Was kommt nach dem Tod und die Frage nach der Endlichkeit des Seins“. Caspar David Friedrich schaut „auf das Verhältnis der menschlichen Existenz gegenüber dem Kosmos. Sie können auch sagen gegenüber dem Göttlichen.“ In diesem Bild sieht man eine Gruppe von Mönchen, die einen Sarg in die Klosterruine tragen. Beim letzten Geleit werden sie an einem Altar mit Christus am Kreuz vorbeikommen. Auf dem Altar brennen Kerzen.
Friedrich schuf zu diesem Gemälde ein Pendant: „Mönch am Meer“. Zwei Jahre soll er daran gearbeitet haben. Beide Bilder waren 1810 auf der Berliner Akademieausstellung zu sehen und wurden verkauft. „Und wer hat sie gekauft? Das war damals der preußische König, Friedrich Wilhelm III. auf Wunsch seines Sohnes“, sagt die Kunsthistorikerin. Beim „Mönch am Meer“ handelt es sich um eine Tagesansicht. Unten sieht man das dunkle schwarze Meer, darüber düstere Wolken am Horizont. Aber oben im Bild reißen die Wolken auf und man erkennt den strahlend blauen Himmel. Der einsame Mönch ist auf der Suche nach dem Anfang und dem Ende des Lebens. Frau Verwiebes Interpretationshilfe dazu: „Es geht auch um Sehnsucht. Die unerfüllten nicht aussprechbaren Dinge im Leben des Menschen. Oben haben wir die Hoffnung, symbolisiert durch den hellen Himmel. Auch wenn es um den Tod geht, ist bei Friedrich die Hoffnung immer dabei.“
Das trifft ebenso auf das großformatige Blatt „Kreuz im Gebirge“ aus dem Berliner Kupferstichkabinett zu. Die Sepia-Tinte-Zeichnung auf Papier ist eine Vorarbeit für den „Tetschener Altar“ – ein Gemälde, das heute in Dresden hängt. Anna Pfäfflin ist Kuratorin für die Kunst des 19. Jahrhunderts am Kupferstichkabinett in Berlin. Sie erklärt und beschreibt die Zeichnung von 1806: „Wir sehen eine Kulisse mit einem großen Fels. Darauf stehen Tannen sowie ein Kreuz mit dem Christuskörper. In der Ausdeutung des Protestanten Friedrich steht der Fels für den Glauben, das Tannengrün für die Hoffnung. Das Kreuz wendet sich von uns ab, wird aber von einer Sonne, die nicht sichtbar ist, angestrahlt. Es ist vielleicht eine göttliche Sonne. Wir sehen nur diesen göttlichen Schein in diesem von uns abgewandten Christus.“
Alles hat bei Caspar David Friedrich eine Bedeutung, weil nach seiner Meinung nur der ein richtiger Maler ist, der auch das malt, was er in seinem Inneren sieht. Schon zu seinen Lebzeiten polarisierte der Künstler. „Es gab große Bewunderer, die sagten, dass seine Werke großartige Zukunftskunst seien“, wie Anna Pfäfflin erklärt. Andere Kunstkritiker hingegen waren kritischer und fragten: „Kann ein solches Landschaftsbild ein Altarbild sein? Darf die Landschaftskunst auf die Altäre kriechen?“ Für die Kunsthistorikerin Pfäfflin ist es aber genau das, was die Kunst von Caspar David Friedrich ausmacht: „Er malt keine Veduten (wirklichkeitsgetreue Darstellung einer Landschaft oder eines Stadtbildes) mehr. Wir finden daher nicht den genauen Ort, von dem aus er die jeweiligen Motive gezeichnet hat. Denn es ist immer auch sein innerer Blick, der im Bild umgesetzt wird.“
Kunst bietet Platz für eigene Erfahrungen
Die Kunsthistorikerin Pfäfflin deutet die Botschaften des Malers in seinen Bildern theologisch und konfessionell: „Ich denke, es ist immer auch der protestantische Versuch, den Betrachter an eigene Gotteserlebnisse zurückzubinden und ihn zum Nachdenken anzuregen, damit er zu einer Erkenntnis oder zu einer Form von Gebet kommt. Landschaft wird zur Schöpfung und bietet eine Möglichkeit für die Gotteserfahrung.“
Die Frage, was heutige Ausstellungsbesucher an Caspar David Friedrichs Werken so anspricht, dass sie so zahlreich in die Sonderausstellungen anlässlich seines 250. Geburtstages strömen, scheint an der Identifikation mit seinen Themen zu liegen. Das hat Birgit Verwiebe in der Nationalgalerie festgestellt: „Vielleicht liegt es an diesen schwierigen Zeiten. Friedrichs Bilder sprechen viele emotional an. Man muss nicht erst ein Buch gelesen haben, um seine Motive zu verstehen.“ Dieses Schweifen-Lassen der Gedanken fesselt das Publikum offensichtlich. „Es wird kein Fertiggericht vorgesetzt, sondern jeder darf sich selbst miteinbringen und kommt zum Nachdenken.“ Der „Mondaufgang am Meer“, sei so ein Bild, sagt Verwiebe. „Die Betrachter identifizieren sich mit diesen ‚Rückenfiguren‘. Sie beginnen zu träumen. Ich glaube, das mögen die Menschen.“
In der Hamburger Kunsthalle ist bis 1. April die Ausstellung „Caspar David Friedrich: Kunst für eine neue Zeit“ zu sehen. Außerdem wird es Sonderausstellungen in Greifswald, Dresden und sogar in New York geben.