Eremitin im Bistum Görlitz: Schwester Stella Maris
Stille und Schönheit
Foto: Ruth Weinhold-Hese
Sie ist weltgewandt, spricht fließend Englisch, Spanisch und Französisch, arbeitete schon in London und New York und weiß, was sie gut kann: Stella Maris, die auf den Namen Maria Vanesa Fernandez getauft wurde, ist Kunstkritikerin und Kuratorin für zeitgenössische Kunst und war unter anderem Stiftungsdirektorin des „Museo Tamayo Arte Contemporáneo“ in Mexiko-Stadt. „Ich bin ambitioniert und habe mir gerne schwierige Projekte an Land gezogen, ich bin gut vernetzt und war gefragt als Kunstexpertin und Fundraiserin“, erzählt sie nicht ohne Stolz. Eine Geschäftsfrau ist sie auch, gründete mit 16 Jahren einen Antiquitäten-Laden, weitere Gründungen folgten, darunter die des Verlags „Editorial Celeste“.
Jetzt sitzt die 53-Jährige an einem langen Esstisch aus dunklem Holz in einem ehemaligen evangelischen Pfarrhaus in einem kleinen Dorf nahe Neuzelle. Seit 2018 ist es ihr Zuhause. Antike Möbel neben modernen Stühlen und besondere Farbanstriche an den Wänden lassen sofort einen Sinn für Kunst erkennen. Neben der Wohnküche, mit den Einmachgläsern auf dem Bücherregal, die durch viele Stunden Arbeit in dem großen Garten gut befüllt sind, gibt es auch eine Hauskapelle im Erdgeschoss. Die eigene kleine Kapelle, an deren Wand ein mexikanisches Kruzifix aus Ton hängt, ist das Symbol für ihr neues Leben. Vor zehn Monaten gab ihr Bischof Wolfgang Ipolt den Namen Stella Maris. „Entsprechend der Ordnung der Kirche für Eremiten hat sie im September 2023 ein Probejahr als Eremitin begonnen, das von mir begleitet wird“, sagt der Bischof. In diesem Sommer legt sie ihr ewiges Gelübde vor ihm ab. Das ist ihre andere Seite: die eher stille, schüchterne, auch wenn man es ihr nicht im ersten Moment anmerkt.
„Im Humor sehe ich Gott und spüre seine tiefe Freude.“
Stella Maris lacht viel, als sie von sich erzählt. Sie sagt: „Im Humor sehe ich Gott und spüre seine tiefe Freude.“ Mit einem Augenzwinkern erklärt sie auch: „Mein Leben ist Gebet. Das Gebet unterbreche ich ein kleines bisschen, um zu arbeiten oder zu essen.“ Die vielen Pfannen und Töpfe, die über dem Herd hängen, verraten, dass Stella Maris gerne kocht. Einmal wöchentlich kocht sie für die Mönche aus dem benachbarten Kloster Neuzelle, denen sie das Essen in den großen Töpfen bringt. „Sie lieben die mexikanische Küche.“
Dass es sie in den Osten Deutschlands zog, überraschte ihre Mutter: „Sie sagte: ,Du bist zu alt, um noch einmal eine neue Sprache zu lernen.‘ Ich verstehe inzwischen Deutsch, aber mich zu unterhalten, fällt mir immer noch schwer“, gibt sie zu. Das Interview führt sie auf Englisch. Stella Maris wuchs in einer großen katholischen Familie auf. In London studierte sie Zeitgenössische Kunst im Sotheby‘s Institute, das zur Universität Manchester gehört.
Vor zehn Jahren lernte sie bei einem Projekt in Israel Pater Kilian vom Kloster Heiligenkreuz in Österreich kennen. Der Mönch spricht ihr – ohne es selbst zu wissen – mitten ins Herz und teilt ihren Humor. „Gott hat durch ihn zu mir geredet und tut das bis heute“, sagt Stella Maris. Sie wurden Freunde und trafen sich in Rom wieder, Pater Kilian lud sie auch in seine Heimat ein. Erst zwei Jahre später fuhr sie nach Österreich, denn sie konnte die Reise nicht mit einem ihrer Arbeitstermine verbinden – das Land ist nicht gerade bekannt für zeitgenössische Kunst. Das Kloster liegt zudem im Nirgendwo – ein uninteressanter Ort, so dachte sie zunächst. Umso überwältigter war sie von dem Barockstil des Klosters und der gregorianischen Liturgie in Heiligenkreuz, die sie tief berührten. „Da war soviel Kunst, die mich überzeugte. Das brachte mir Gott so nahe, dass ich dachte, es ist richtig, dass ich hier bin.“ Auch die Liturgie führte sie zu Gott. „Es ist für mich wirklich schwer zu beten, wenn die Umgebung um mich herum hässlich ist oder jemand schief singt“, sagt die Eremitin über ihren Zugang zur Spiritualität. „Durch Schönheit findet man die Liebe Gottes“, ist sie überzeugt. Sie betont dass die Qualitäten Gottes die Wahrheit, die Liebe und die Schönheit seien. Sie kommt mehrmals nach Heiligenkreuz für Exerzitien zurück.
Von Pater Simeon und Pater Kilian, inzwischen Prior und Subprior in Neuzelle, wird sie bei einem ihrer Aufenthalte nach Brandenburg eingeladen. Als die Zisterzienser 2017 ein Tochterkloster in Neuzelle gründeten, kommt auch sie dort an. Sie stellte den Mönchen die mexikanische Architektin Tatiana Bilbao vor, die schließlich den Neubau des Zisterzienserklosters Maria Friedenshort in Treppeln plant. Außerdem berät sie die Mönche beim Fundraising. „Es gilt, kreative Wege zu finden, um Projekte wie den Neubau des Klosters zu finanzieren – ohne dass Menschen dadurch ärmer werden“, erklärt sie. Durch eine Erbschaft oder ein Vermächtnis zugunsten des Klosterneubaus können Menschen zum Beispiel einen Beitrag leisten.
„Gott hat mich immer mehr in das Gebet hineingezogen.“
Bereits 2016 hatte Stella Maris in Mexiko ihr privates Gelübde gegenüber Gott abgelegt. Schon vorher lebte sie ein geistliches Leben und hielt regelmäßige Gebetszeiten. Bis heute praktiziert sie das hörende Gebet. Es ärgere sie, wenn ihr Gebet unterbrochen werde, deshalb kennen nur wenige ihre Telefonnummer.
Im Januar 2018 kaufte sie das Pfarrhaus, brachte Möbel aus Übersee mit, verfolgte ihr geistliches Leben nun noch ernster und im Verborgenen. Lange dachte sie, sie sei die einzige Person, die heute als Einsiedlerin lebt. Dann erhielt sie eine Einladung zu einem Treffen deutscher Eremiten. „Dort merkte ich sofort: Die sind alle wie ich! Keinen von ihnen konnte man in eine Schublade stecken. Jeder Eremit lebt ein klein wenig anders diesen besonderen Lebensstil.“
Nun wird sie ihre ewige Profess ablegen, als Bistumseremitin lebt sie in Gehorsam dem Bischof gegenüber. „Als Eremit zu leben, ist schwer“, gibt sie zu, „man muss sehr diszipliniert sein. Ich lebe allein und in Stille.“ Auch wenn sie nicht gedacht hätte, einmal so zu leben, ist sie mit sich im Reinen: „Ich bin in meinem Leben einfach Gott gefolgt, der mich immer mehr in die Anbetung und das Gebet hineingezogen hat.“