Fachtag zum Leben von Erich Klausener

Kontroverse Blicke auf den ersten Berliner Blutzeugen

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Klaus Große Kracht am Rednerpult
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Foto: Thomas Marin

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Der Hamburger Zeitgeschichtler Klaus Große Kracht hielt das Eingangsreferat eines Erich-Klausener-Fachtags, der im Berliner Kronprinzenpalais stattfand.

Mit einer Fachtagung knüpfte das Erzbistum Berlin Ende Juni an das Erich-Klausener-Gedenkjahr 2024 an. Für einen umfassenden Blick auf den 1934 ermordeten Katholikenführer braucht es weitere Forschungen.

Der 90. Jahrestag der Ermordung des ersten Blutzeugen des Erzbistums Berlin aus der Zeit des Nationalsozialismus war 2024 Anlass für ein ganzes Gedenkjahr mit einer Vielzahl von Veranstaltungen zur Würdigung des ersten Vorsitzenden der Katholischen Aktion im Bistum Berlin. Der Forderung von Erzbischof Heiner Koch nach Schritten zu einer fundierten Biografie Erich Klauseners stellte sich der Verein „Freundeskreis Dr. Erich Klausener“ nun mit einer wissenschaftlichen Fachtagung.

Um „Bausteine zu seiner Biografie“ sollte es am 91. Todestag des Katholikenführers und Ministerialbeamten gehen. Geschichtsträchtiger Ort der Tagung war das Kronprinzenpalais Unter den Linden. Im Raum, in dem 1990 der Einigungsvertrag unterzeichnet worden war, boten die Referenten aus unterschiedlichen Blickwinkeln teils kontroverse Sichtweisen auf das Glaubens- und Lebenszeugnis Klauseners.

Dass die Organisatoren auch kritische Bewertungen nicht fürchten, zeigte das Eingangsreferat des Hamburger Zeitgeschichtlers Klaus Große Kracht. Schon vor etwa 15 Jahren hatte dieser Klausener die Qualitäten eines Vorbilds für heutiges Christsein abgesprochen und ihm eine zu große ideologische Nähe zu völkischem Denken vorgeworfen. An dieser Sicht meinte Große Kracht auch heute wenig ändern zu können. Laut Befunden aus dem Nachlass des Berliner Prälaten Walter Adolph würden Äußerungen Klauseners statt der allen Menschen geltenden Nächstenliebe die „Volksgemeinschaft“ betonen.

Deutlichen Widerspruch erhielt Große Kracht – übrigens in gegenseitig freundschaftlichem Ton und einem vorbildlichen Stil akademischer Streitkultur – unter anderem vom Staatsrechtler Hermann Pünder. Über die Großmutter mit Klausener verwandt, berichtete er aus familiärer Perspektive von der durchgehenden Ablehnung nationalsozialistischen Gedankenguts im gesamten Umfeld Klauseners, lange vor der Machtübernahme der Nazis. Dem Zentrumsmann Klausener eine rechtsnationale Haltung zuzutrauen, hielt Pünder für absurd, die Formulierungen des Katholikenfunktionärs für der Zeit geschuldet. In der Diskussion räumte auch Große Kracht ein, dass Klausener wenigstens bis zum Amtsantritt Hitlers nichts vorzuwerfen sei.

Die Ermordung Klauseners im Reichsverkehrsministerium und das Verhältnis zu seinem Vorgesetzten Paul von Eltz-Rübenach beleuchtete dessen Biograf Andreas von Mettenheim, während Stefan Samerski den zeitgeschichtlichen Gesamtzusammenhang herstellte. Hinweise für die weitere Forschung lieferte Elmar Kleinert als stellvertretender Leiter des Diözesanarchivs, der allerdings auch die kriegsbedingt magere Aktenlage feststellte.

Der Zeitgeschichtler Peter Longerich empfahl als nächsten Schritt, Klauseners Wirken als Ministerialbeamter zu erforschen, wozu es große Aktenbestände gebe. Scheint der Weg zu einer wissenschaftlichen Gesamtbiografie auch weit, sind hier spannende Erkenntnisse zur geistigen Auseinandersetzung zwischen Katholiken und Nationalsozialismus zu erwarten.

Thomas Marin