Nonnen aus dem Kloster Alexanderdorf erinnern sich an Mauerfall
Zwischen Skepsis und Dankbarkeit
Foto: Rocco Thiede
Schwester Elisabeth Neumann und Schwester Ruth Lazar sind Zeitzeugen als Katholikinnen in der DDR. Die politische Wende, die friedliche Revolution, der Mauerfall vor 35 Jahren und die Wiedervereinigung erreichte sie im Kloster Alexanderdorf, etwa eine Stunde von Berlin entfernt.
Schwester Elisabeth erinnert sich an die ersten Jahre in der DDR. Obwohl sie im ersten Versuch noch abgelehnt wurde, konnte sie dann doch am Institut in Meinigen Lehramt studieren: „Meine Mutter hat für mich gekämpft. Sie ist in die SED eingetreten. Sie, die treue Genossin, während ich, aus ihrer Sicht, eine undankbare Tochter war, die stur an der Kirche festhielt.“ Weil sie kirchliche Kurse besucht hatte, wurde sie nach dem Mauerbau aber exmatrikuliert „und als Bewährung in einen sozialistischen Betrieb geschickt, wo ich im Akkord Bleche für Mistgabeln stanzen musste“. Doch sie ging ihren Weg und lernte in Erfurt den Beruf der Krankenschwester. „Wir waren in der Kardiologie eine sehr christliche Station und dennoch ein sozialistisches Kollektiv mit Brigadetagebuch“, lacht sie.
Anders verlief der Weg der jüngeren Ruth Lazar, gebürtige Ostberlinerin. In ihrer katholischen Familie habe sie „eine normale DDR-Kindheit und eine lebendige christliche Pfarrjugend erlebt.“ Ihr Vater war Leiter in einem wissenschaftlichen Institut, Mitglied der CDU-Ost und Mandatsträger in der Berliner-Stadtverordnetenversammlung. „Wir hatten gewisse Freiheiten und Vater stärkte uns den Rücken, wenn wir in der Schule mal angezählt wurden, weil wir in der Kirche sind und manches nicht mitmachten.“
Den Tag, an dem die Mauer fiel, erlebten beide im Kloster. „Die Menschen waren immer weniger bereit, sich in dieses System zu fügen. Dann kamen das Massaker in Peking und die großen Montags-Demonstrationen in Leipzig“, so Schwester Ruth. Proteste im Kloster Alexanderdorf liefen anders ab: „Wir haben viele christliche Nachbarn hier im Dorf, die haben sich jeden Abend bei uns in der Klosterkirche versammelt und Rosenkranz gebetet, dass alles friedlich bleibt.“
Für Schwester Ruth war der Mauerfall: „ein Wunder“. Sie erinnert sich an Geistliche, die gerade zu Exerzitien zu Besuch waren. In der Abschlussmesse „sangen alle Priester aus vollem Hals ‚Großer Gott, wir loben dich‘“.
Als Schwester Elisabeth im Februar 1990 vor dem Brandenburger Tor stand, kam sie nicht auf die Idee hindurch zu gehen. „Für mich war das noch eine unsichtbare Grenze. Da war eine Sperre in mir.“ Das erste Mal im Westen war sie ein Jahr später, im Tochterkloster Dinklage in Niedersachsen. Sie fühlte sich dort als „Exotin“. Für ihre westdeutschen Mitschwestern war „die DDR weiter weg als China“.
Bleibt die Frage, ob es für die Nonnen Alternativen zur historischen Entwicklung gegeben habe. Schwester Elisabeth zögert: „Ich war nicht begeistert. Damals habe ich mehr diese Bürgerrechtsbewegung innerlich unterstützt, die einen sozialistischen Staat mit humanistischem Gesicht propagierte. Heute weiß ich, dass das unrealistisch war. Die DDR war kaputt. Da war nichts mehr zu retten.“
Schwester Ruth verkündet: „Ich war mit dem Weg, der in rasanter Schnelligkeit zur Wiedervereinigung geführt hat, voll einverstanden. Ich weiß noch, dass ich am 3. Oktober ein sehr starkes Gefühl hatte: Jetzt ist der Krieg vorbei.“