Mutter Katharina Hauschild leitet den Konvent der Zisterzienserinnen in Helfta
Oberin ohne „Weihwasserbeckenfrösche“
Foto: Kloster Helfta
Oft erlebe sie in Helfta interessierte Menschen, die einen Ort bräuchten, an dem sie auftanken könnten, erzählt Mutter Katharina Hauschild von ihren Erfahrungen im ersten Jahr als Oberin des Zisterzienserinnenkonvents. Klöster werden also noch gebraucht, auch in der Region Eisleben, zu der ein katholisches Kloster zumindest auf den ersten Blick nicht wirklich passen will: In einer Lutherstadt, Geburts- und Sterbeort des Reformators, und in einer Region, die wie kaum eine andere in Europa als „entkirchlicht“ gilt. Doch gerade hier könnten die Menschen mit ihrem Herzen und vielleicht auch mit Gott in Kontakt kommen, ist Mutter Katharina überzeugt.
„In Frankreich sagt man, es sind Menschen, die keine Weihwasserbeckenfrösche sind“, schmunzelt die Oberin – also Menschen, die dem Glauben fernstehen oder mit ihm noch nicht in Kontakt gekommen sind. „Aber es ist eine große Offenheit da, eine große Suche.“ Von vielen Menschen, die in die Klosterkirche kämen und eine Kerze anzündeten, kenne man die Einstellung gar nicht. Aber aufgrund der Zahl der Kerzen sei offensichtlich, dass es nicht nur Christen seien. Viele setzten sich einfach hin und nutzten die Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. „Da ist alles dabei von Nichtchristen über Interessierte, Konvertiten – eine ganz bunte Palette.“ Es gebe fast kein Chorgebet, an dem keine Gäste teilnehmen würden, auch nicht um kurz nach 5 Uhr in der Früh.
„Diaspora ist keine große Umstellung“
Mutter Katharina stammt aus Regensburg in der bayerischen Oberpfalz. Hier ist der katholische Glaube noch stark verankert, die Volkskirche vielerorts noch lebendig. 1999 trat sie in die Abtei Seligenthal im niederbayerischen Landshut ein. Zehn Jahre später führte sie ihr Weg nach Frankreich, in die Abtei Boulaur westlich von Toulouse.
Nach dem Weggang von Mutter Christiane Hansen, die im Mai 2023 zur neuen Oberin in Seligenthal gewählt wurde, wurde Mutter Katharina zunächst für ein Jahr von Zisterzienserpater Bruno Robeck aus dem Kloster Langwaden – Präses der Kongregation von der heiligen Gertrud der Großen, zu der auch Kloster Helfta gehört – zur Priorin Administratorin des Konvents in Helfta ernannt. Kürzlich wurde ihre Amtszeit um zwei Jahre verlängert.
„Was die Diasporasituation betrifft, war es aber keine große Umstellung, weil ich aus Frankreich kam“, erzählt Mutter Katharina. So sehr katholisch sei das Land inzwischen nicht mehr. Heute gehe man davon aus, dass gerade noch vier Prozent der Kinder im Land am Katechismusunterricht teilnehmen – was noch nicht heiße, dass sie praktizierende Christen seien. „Da kann Ostdeutschland durchaus mithalten“, sagt die Oberin schmunzelnd. In dem Bistum, in dem das Kloster in Frankreich liege, gebe es nur wenige Priester. „Da kann es durchaus sein, dass ein Priester mal 70 Kirchen betreut.“ Das sei eine genauso starke Diaspora. „Deshalb kommt mir das hier sehr bekannt vor.“ Auch das Unwissen der Menschen, das sehr frei von Vorurteilen und mit viel Neugier und großer Offenheit verbunden sei, kenne sie aus Frankreich.
Sie ist überzeugt, dass das Ordensleben mehr ist als die sogenannten Evangelischen Räte – Armut, Keuschheit und Gehorsam – und auch nichtreligiösen Menschen in der heutigen Zeit erklärbar sei. „Wenn man versteht, dass Keuschheit ganz grundlegend zuerst einmal Respekt vor dem anderen bedeutet, ihm uneigennützig zu begegnen, ihn nicht zum Gegenstand zu degradieren oder Armut als einfaches, bewusst ressourcenschonendes Leben zu begreifen sei, dann verstehen das die Menschen sehr wohl, weil das sehr aktuelle Themen sind.“
Der Gehorsam, der heutzutage eher in Verruf geraten ist, sei zwar schwer zu vermitteln. „Aber das, was dem Gehorsam zugrunde liegt, ist ja eigentlich, dass ich darauf vertraue, dass jemand es gut mit mir meint und für mich das Beste im Blick hat.“ Dieses Vertrauen sei gerade bei jungen Menschen oft angegriffen, weil die Ehe der Eltern schief gegangen sei oder es Gewalt in der Familie gegeben habe. „Aber das ist die gute Botschaft des Christentums, dass wir an einen Gott glauben, bei dem wir sicher sein können, dass er es eben gut mit uns meint.“
Gott und den Menschen vertrauen
Es sei durchaus eine Herausforderung an sie als Oberin, diese Güte Gottes den Mitschwestern zu spiegeln und weiterzugeben. „Das gelingt freilich nicht immer und auch ich selbst muss mich in diesem Vertrauen immer wieder üben.“ Ein Misstrauen, dass Gott uns vielleicht doch etwas vorenthalte, sei die Ursünde. „Das trägt jeder im Herzen, und das ist die eigentliche Bekehrung, an der wir unser ganzes Leben lang arbeiten müssen: Wir können Gott und den Menschen vertrauen“, sagt Mutter Katharina.
Der Nachwuchsmangel in den Orden sei vor allem darauf zurückzuführen, dass es immer weniger Christen gebe. Und es gebe in der Gesellschaft eine nachlassende Bindungsfähigkeit, was man auch an den vielen gescheiterten Ehen erkennen könne – es sei oft schwierig, zu bleiben und auszuhalten. Das sei am Ordensleben womöglich abschreckend. Dabei sei der Altersdurchschnitt in Helfta momentan relativ niedrig. Es gebe auch eine Interessentin, die eintreten möchte.
„Pläne mache ich gar keine, weil man sowieso nicht weiß, was kommt“, erklärt Mutter Katharina. Ihr sei es wichtig, das zisterziensische Leben so gut wie möglich zu leben. „Wir versuchen es wenigstens, und bleiben so immer Suchende.“
Dass sich Klöster auch für Menschen öffnen, die religiös noch auf der Suche sind, ist für sie schon immer deren Aufgabe gewesen. „Es ist unsere Aufgabe, die Türe aufzusperren und das Licht anzuzünden.“ Wer dann komme oder nicht, das liege nicht in ihrer Hand. „Wir sind da und wir beten“, sagt Mutter Katharina.
Information über Glaubensfragen seien mittlerweile auch für Nicht-Christen aktuell. Auch Menschen, die sich selber als nicht christlich sozialisiert bezeichneten, würden an Besinnungstagen oder Exerzitien teilnehmen. „Sie haben gemerkt, sie brauchen etwas, um zur Ruhe zu kommen – und sie sagen, für sie ist es wichtig, dass hier Schwestern sind, weil sie dadurch getragen werden.“
„Helfta hat sicher als Ort eine ganz besondere Anziehung“, ist die Oberin überzeugt. „Ich kann aber gar nicht sagen, worin diese besteht.“ Aber viele Menschen sagten, es sei ein besonderer Ort. Der Rhythmus der Gebetszeiten trage vermutlich dazu bei, weil so die Wichtigkeit von Ritualen den Menschen bewusst werde.
„Auch für Menschen, die selber nicht an Gott glauben, ist es wichtig, dass es jemanden gibt, der glaubt, dass es Gott gibt, und für ihn alles auf eine Karte setzt, das fordert sie heraus und rührt etwas in ihnen an“, ist Mutter Katharina Hauschild überzeugt. „Wenn wir weiter eine brennende Kerze sein können, an der sich die Menschen aufwärmen, wäre mir das eine große Freude.“