Ostdeutsche Katholiken- und Diözesanräte bemühen sich um mehr Vielfalt
Eine Stimme für alle Katholiken
Foto: Adobestock
„Es ist uns ein großes Anliegen, dass sich katholische Christen mit unterschiedlichen Blickrichtungen und Erfahrungen in die Entscheidungsprozesse des Bistums einbringen“, sagt Martina Breyer, Vorsitzende des Katholikenrats im Bistum Dresden-Meißen. Vielfalt in der Zusammensetzung der Gremien sei dafür hilfreich, es sei aber nicht der einzige Maßstab für eine breite Interessenvertretung. Sie erlebe, dass die Mitglieder des Katholikenrats keinesfalls nur für die eigene Klientel sprechen, sondern für andere mitdenken. Zudem brächten viele von ihnen unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungen aus ihren Berufen und ihrem ehrenamtlichen Engagement mit ein.
Die meisten Katholikenratsmitglieder vertreten Pfarreien, Verbände und geistlichen Gemeinschaften. Nur einen kleinen Anteil, die so genannten Einzelpersönlichkeiten, könne das Gremium selbst hinzuwählen und damit Einfluss auf mehr Vielfalt in der Zusammensetzung nehmen. Mit der jüngsten Wahl neuer Einzelpersönlichkeiten sei beispielsweise der Altersdurchschnitt des Gremiums erneut gesenkt worden, da der 20-jährige Clemens Kannegießer mehr Stimmen erhielt als ein lebenserfahrener Richter. Auf seinen bisherigen Platz als Jugendvertreter konnte eine junge Frau nachrücken.
„Ob sich jüngere Christen bei uns engagieren, hängt auch davon ab, wie attraktiv sie unsere Arbeit empfinden“, ist Martina Breyer überzeugt. Dass der Katholikenrat sich an vielen Entwicklungen im Bistum – etwa im laufenden Strategieprozess – aktiv beteilige und die Chancen der Teilhabe nutze, erhöhe die Bereitschaft, sich dem Gremium anzuschließen. Bewährt habe sich auch, die Sitzungen abwechslungsreich zu gestalten. Die Vollversammlungen bestehen längst nicht mehr nur aus Referaten und anschließenden Aussprachen im Plenum der 51 Mitglieder. Hinzugekommen seien Gesprächsformate in kleineren Gruppen wie Thementische oder Gespräche nach der Methode „World Café“, die Martina Breyer als deutliche Bereicherung erlebt. „Bei diesen Formaten kommen wir viel stärker ins Gespräch, es beteiligen sich stärker auch diejenigen, die es nicht gewohnt sind, vor großen Gruppen zu reden“, erläutert sie.
Die Motivation, im Katholikenrat mitzuarbeiten, hänge auch von einer guten Versammlungsleitung ab, mit Zeitmanagement und klarer Abgrenzung der Themen. „Uns der Lösung einzelner Probleme in Pfarreien zu widmen, ist beispielsweise nicht unsere Aufgabe. Relevant sind solche Fälle für uns nur, wenn sie Systemisches ansprechen“, sagt die Vorsitzende.
Streitfreude als Ausdruck gelebter Vielfalt
Erhöht habe sich in den vergangenen Jahren der Frauenanteil, der inzwischen bei 40 Prozent liegt. Auch parteipolitisch sei eine größere Vielfalt erkennbar. Nachholbedarf sieht die Vorsitzende bei der Einbeziehung muttersprachlicher Gemeinden.
Zum Diözesanrat im Erzbistum Berlin gehören laut Satzung drei Vertreter muttersprachlicher Gemeinden. Der großen ethnischen Vielfalt der Hauptstadt entsprechend gehören weitere Mitglieder mit Migrationsgeschichte zur katholischen Laienvertretung. Im Vorstand zum Beispiel arbeiten die französischstämmige Lehrerin Marie-Hélene Müßig mit und Wilfred Josue, der auf den Phi- lippinen aufgewachsen ist. „Dem Diözesanrat gehören Frauen und Männer mehrerer Generationen an, die sich beruflich und ehrenamtlich in unterschiedlichsten Feldern engagieren“, sagt Geschäftsführer Marcel Hoyer. Vertreten sind Katholiken aus Vorpommern, Brandenburg und Berlin, aus den Pfarreiräten von Großstadt- und Landgemeinden, Menschen in Familienverantwortung, Engagierte aus katholischen Verbänden und Gruppen. 40 der 84 Mitglieder sind weiblich.
Es sei eine Herausforderung, Arbeitsbedingungen zu schaffen, die es Menschen mit verschiedenen Erfahrungen und Lebensentwürfen ermöglichen, sich ehrenamtlich in der Vollversammlung, den Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften einzubringen. „Wir bemühen uns um größtmögliche Ehrenamtsfreundlichkeit“, sagt Marcel Hoyer, beispielsweise durch hybride Sitzungen, Netzwerktreffen, unterschiedliche Veranstaltungs- und Engagementformate, Fortbildungen für Ehrenamtliche, Ansprechbarkeit der Geschäftsstelle und diverse Beratungsangebote. Vorstand und Geschäftsführung besuchen Pfarreien, treffen Verbände und stellen dabei immer wieder den Diözesanrat vor und werben für eine Mitarbeit.
Nicht überall stoßen sie auf Bereitschaft und Offenheit. Manche Ablehnung ist verbunden mit der Kritik, der Diözesanrat diskutiere und entscheide abgehoben von der Lebenswirklichkeit der Kirchengemeinden. „Ich halte das für ein Vorurteil, das der Realität nicht entspricht“, hält Marcel Hoyer entgegen.
Er lädt Kritiker ein, als Gast an den Sitzungen teilzunehmen und sich ein eigenes Bild zu machen. Sie könnten erleben, wie nah an der Basis der Diözesanrat sich bewege. In einer der jüngsten Versammlungen ging es beispielsweise um Kirchenaustritte. „Wir haben nicht theorisiert, sondern Erfahrungsberichte eingeholt“, sagt der Geschäftsführer. Dass der Berliner Diözesanrat für Vielfalt stehe, zeige sich insbesondere an den sehr kontroversen Debatten. „Natürlich ist das oft anstrengend. Ich finde es aber auch beruhigend, denn es zeigt mir, dass wir keine ,Abnicktruppe‘ sind, sondern dass bei uns Vielfalt gelebt wird“, schätzt er ein.
Ähnlich wie im Bistum Dresden-Meißen versuche man in Berlin, durch unterschiedliche Gesprächsformate die Beteiligung an Diskussionen zu erhöhen. Unter anderem starten die Vollversammlungen seit einigen Jahren mit einer weniger formellen Vorabendveranstaltung, die Raum biete für ruhige Gespräche in kleiner Runde. Neue Mitglieder haben dort die Möglichkeit, ihre Kollegen im Rat kennenzulernen und Vertrauen zu fassen.
Auch in den Bistümern Erfurt, Görlitz und Magdeburg sind die Räte daran interessiert, die Vielfalt innerhalb ihrer Gremien zu erhöhen. Mit einer Mitgliederbefragung haben sie einige Kriterien für Vielfalt zu erheben versucht. Beteiligt hat sich in Magdeburg ein Drittel der Mitglieder, in Erfurt gut die Hälfte. Den höchsten Frauenanteil aller ostdeutschen Laienvertretungen hat mit 50 Prozent das Bistum Görlitz, geht aus der Abfrage hervor. Das Durchschnittsalter liegt dort zwischen 50 und 60 Jahren, ähnlich hoch wie in Erfurt und Magdeburg. Alle drei Bistümer haben einen hohen Anteil an Mitgliedern mit akademischem Abschluss. Die CDU ist die einzige Partei, die Ratsmitglieder dieser Bistümer auf die Frage nach ihrer Parteizugehörigkeit benannten.
Mitglieder mit Migrationsgeschichte gibt es in keinem der drei Räte. Magdeburg hat ein Katholikenratsmitglied, das im Erwachsenenalter getauft wurde, Erfurt sogar vier.
Nachwuchssorgen in Erfurt und Görlitz
Um die Beteiligung jüngerer Katholiken zu stärken, hat der Erfurter Katholikenrat vor einigen Jahren entschieden, dass der
BDKJ zwei Vertreter zu den Vollversammlungen entsenden darf. Ein Mitglied weist darauf hin, wie wichtig eine angemessene Vertretung von Hausfrauen, kinderreichen Familien und Mehrgenerationenhaushalten im Katholikenrat sei. Ansonsten sieht Geschäftsführer Felix Hunsicker, die Möglichkeiten begrenzt, das Gremium gezielt vielfältiger zu gestalten: „Lediglich bei der Wahl der Persönlichkeiten für das Gremium gibt es einen Handlungsspielraum, sofern genügend Kandidaten sich bereit erklären, zur Wahl anzutreten“, sagt er.
Auch der Görlitzer Diözesanratsvorsitzende Hartmut Schirmer wünscht sich zwar größere Diversität, verweist aber auf die Grenzen des Machbaren: „Grundsätzlich besteht das Problem, dass die Mitglieder des Diözesanrates bereits in mehreren Ehrenämtern der Pfarreien und Verbände tätig sind und somit für das Gremium Diözesanrat nur noch begrenzte Ressourcen zur Verfügung stehen“, bedauert er.