„Gott.Welt.Menschen“ auf Instagram und YouTube
Zeitvertreib mit Tiefgang
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Am 5. Juli läuft ein Interview als Instagram-Livetalk zwischen dem bekannten Mönch und Buchautor Pater Anselm Grün und Alexander Fischer, einem jungen Mann aus Altenburg. 700 Menschen schauen live dabei zu. Und hinterher werden sich auch noch viele weitere das Video von dem Gespräch im Internet anschauen. Was treibt den jungen Mann aus Ostdeutschland an, der seit über drei Jahren Interviews mit hochkarätigen katholischen Geistlichen führt?
Alexander Fischer ist 23 Jahre und fast fertig mit seinem Studium der Museumswissenschaften in Leipzig. Der Altenburger hat kurz vor der Coronakrise sein Studium begonnen und ist gar nicht erst in die Großstadt gezogen, sondern liebt die kleine Stadt in Ostthüringen. „Mein Ziel ist es, hier weiter wohnen und wirken zu dürfen“, sagt der 23-Jährige. Der Schloss- und Kulturbetrieb in Altenburg hat es ihm angetan, Jugendarbeit und die katholische Kirche. Das war aber nicht immer so. Aufgewachsen in einem ökumenischen Haushalt – zumindest auf dem Papier – „bin ich auch zur Jugendweihe gegangen und hatte das kirchliche Kapitel eigentlich schon beendet“, erzählt Alexander Fischer.
Dann kam ein neuer Pfarrer und lud die Jugend zu sich ein, zum lockeren Gespräch und einem Getränk: „Da bin ich dann mal hingegangen, da war ich 17. Wir waren nur fünf Leute. Aber wir fanden es irgendwie cool.“ Das Angebot schweißte die Jugendlichen zusammen: „Wir haben gemerkt, es geht gar nicht darum, dass man großes Spektakel veranstaltet, sondern dass dieses Gemeinschaftsgefühl ganz wichtig ist. Und Pfarrer Köst ist immer für uns da, wenn wir seine Unterstützung brauchen“, erzählt er. Alexander Fischer begann, sich selbst intensiv mit dem christlichen Glauben und seiner Kirche auseinanderzusetzen. Aus dem Gesprächskreis entstand eine neue Jugendgruppe, die alten Jugendräume wurden wiederbelebt. Aus der inzwischen neu gegründeten Großpfarrei kommen insgesamt bis zu 30 Jugendliche. Wie früher – mit allein 60 jungen Menschen nur aus Altenburg – wird es aber nicht mehr werden.
Vermittlungsformate wie Instagram können die Menschen begeistern
Dass man Jugendliche heute anders abholt, ist Alexander Fischer bewusst: „Ich bin ein Freund von Vermittlungsformaten, die die Leute begeistern. Wenn wir eine Kreuzanbetung machen, kommt keiner. Deshalb dachte ich, jetzt probierst du mal Instagram aus. Ich hatte selber davon überhaupt keine Ahnung, aber die anderen Jugendlichen haben mir gezeigt, wie es funktioniert.“
Als die Coronakrise begann, hatten die Altenburger den großen Bonus, dass sie bereits einen Instagram-Account und erste Erfahrungen hatten. Live-Treffen funktionierten weniger gut, andere Angebote besser, eines davon war Gott.Welt.Menschen. – zuerst nicht einmal eine eigenständige Reihe.
„Am Anfang waren es die Jugendlichen, die das angeschaut haben, keine Massen. Aber seit wir die Videos auch bei YouTube hochladen, haben wir ein extrem breites Publikum. Ich denke nicht, dass es 36 000 junge Menschen sind, die sich die Videos anschauen. Jugendliche suchen ja nicht nach „Katholische Kirche Altenburg“. Bestimmt sind auch Zuschauer darunter, die unsere Gesprächspartner kennen. Man sucht online vielleicht nach denen und kommt dann auch zu unseren Videos“, erklärt Fischer.
Das Gespräch wird live geführt, ist danach aber auch bei Instagram und YouTube als Video abrufbar. Alexander Fischer: „Am Anfang war das nur so ein Corona-Spaß, weil wir gedacht haben, wir müssen uns weiter austauschen. Wir haben Pater Thomas, den ich persönlich gut kenne, aus Einsiedel in der Schweiz angefragt. Weil der nur ab 19.15 Uhr Zeit hatte, nach dem Abendgebet, wurde das unsere Startzeit. Wichtig war, dass wir vor der Primetime die Interviews zeigen, denn ab 20.15 Uhr hätten während Corona weniger Leute zugeschaltet.“ Das erste Interview lief am 15. Mai 2020. Das Format stieß sofort auf Zustimmung – gerade auch bei den angefragten Interviewpartnern. „Gleich zu Beginn der Corona-Krise waren wir mit die ersten, die diese Möglichkeit genutzt haben, gerade im religiösen Spektrum. Deshalb waren die Leute begeistert. Ich erinnere mich daran, dass Bischof Oster angerufen hat und sagte: Er findet das ganz toll, er kennt es nicht, aber er ist dabei“, erzählt Fischer. Dass zu Beginn gleich bekannte Geistliche zu den Interviews bereit sind, führt dazu, dass bis heute das Format beliebt ist – bei Zuschauern und Interviewpartnern, bis hin zu Pater Anselm Grün.
Inzwischen wird die Serie hauptsächlich von Alexander Fischer betreut. Er tauscht sich mit den Jugendlichen in Altenburg über Themen und Gesprächspartner aus, aber bestreitet die Recherche und Interviews selbst, ein nicht geringer Zeitaufwand. Fischer erzählt: „Ich überlege, wen ich interessant finde, weil mich die Person inspiriert oder überhaupt nicht vertritt, was ich gut finde. Einerseits will ich den Menschen vorstellen, aber auch zeigen, wie vielfältig die Einstellungen gerade in der Geistlichkeit der katholischen Kirche sind. Und ich will zeigen, wie die Leute auf bestimmte Fragen, die Jugendliche heute haben, reagieren. Zum Beispiel: ‚Wenn Sie Jesus im Zug treffen würden, was würden Sie dann mit ihm besprechen?‘ Also Fragen, die man sonst nicht so fragt.“
Alexander Fischer liest viel und stößt so auf Sätze von Geistlichen, die ihn inspirieren oder ärgern. Dann fragt er sie an, liest noch mehr von ihnen und über sie und schickt einen Fragenkatalog per E-Mail. Es kamen auch schon Einschränkungen aus den Vorzimmern, was er nicht fragen solle.
Oder es wird im Jugendkreis in Altenburg diskutiert, wie bei Erzbischof Stefan Heße aus Hamburg. Alexander Fischer erinnert sich: „Da gab es hitzige Debatten. Gerade bei sexualisierter Gewalt an Schutzbefohlenen – sollte man solchen Menschen eine Bühne geben? Auch da gab es vorher Absprachen mit dem Sekretariat, was alles nicht gefragt werden sollte. Aber eine Stunde vor dem Gespräch kam eine Mail, direkt vom Erzbischof, in der stand: ‚Sie können alles fragen, was Sie wollen.‘ Und er hat wirklich zu allem Rede und Antwort gestanden. Man hat gemerkt, dass Erzbischof Heße verstanden hat, dass er Fehler gemacht hat, die er nicht wieder gut machen kann. Trotzdem versucht er es irgendwie. Das hat mich sehr überrascht.“
Bei so viel Arbeit, die das Projekt für ihn macht und auch dem Zuspruch, den die Interviews erhalten, könnte man meinen, Alexander Fischer konzentriert sich ganz auf die Instagram-Reihe. Aber er gibt zu bedenken: „Gott.Welt.Menschen. ist nur ein spielerisches Projekt, hauptsächlich von mir. Es ist das öffentlichkeitswirksamste und das, worauf wir am meisten angesprochen werden. Aber wenn ich sage, ich mache jetzt eine Online-Reihe, bei der wie bei Pater Anselm 700 Leute live zuschauen – das bringt niemanden in der Jugend hier in Altenburg was.“
Junge Menschen sollen Glauben so nutzen, wie er gut für sie ist
Alexander Fischer ist etwas anderes wichtiger: „Mein Hauptaugenmerk liegt auf den Jugendstunden, die wir wieder machen. Vor allem in der Diaspora ist es nicht selbstverständlich, dass Jugendliche sich hinstellen und öffentlich sagen, ich glaube nicht nur an Gott, sondern ich bin sogar römisch-katholisch. Da kann ich nicht sagen, kümmert euch um euch selber, ich mach jetzt hauptsächlich Gott.Welt.Menschen. – das wird denen gar nicht gerecht. Mir ist es immer wichtig, dass junge Leute den Glauben als Chance, als Möglichkeit der Entfaltung sehen und ihn so nutzen, wie er für sie gut ist. Gott.Welt.Menschen. ist vielleicht eine Methode, Denkanstöße zu geben. Aber in den Jugendstunden behandeln wir dann die Themen, die die jungen Leute direkt betreffen.“
Nächstes Gespräch am 25. August, 19.15 Uhr: Weihbischof Ansgar Puff, Köln – live oder als Video: Instagram (@romerojugendabg) und YouTube
Weitere Termine:
- 15. September, 19 Uhr: Bruder Andreas Murk, Kloster Schwarzenberg (Vorsitzender der Ordensobererenkonferenz)
- 6. Oktober, 19 Uhr: Erzbischof em. Ludwig Schick, Bamberg
- 24. November, 19.15 Uhr: Abt Leopold Baumberger, Stift Wilten in Österreich