Jugendpastoral spielerisch gestalten
Nichts muss bleiben, wie es ist

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Mit spielerischer Leichtigkeit… wer wünscht sich das nicht? Beim Lernen, beim Schreiben, beim Sport – wie schön ist es, wenn Aufgaben leicht von der Hand gehen und man danach zufrieden und ein klein wenig stolz darauf zurückblicken kann. Thomas Lösche, der über viele Jahre hinweg für die „Gestaltende Verkündigung“ der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands zuständig war, plädiert dafür, das Leben ein wenig leichter zu nehmen und spielerisch vorwärts zu gehen.
„An vielen Stellen des Neuen Testaments spielt Jesus das Leben durch“, sagt der Referent, der oft mit Jugendlichen gearbeitet hat und sich im Zuge dessen auch mit Spielen und vor allem mit „Spiel“ in der Bibel auseinandersetzte. Als Beispiel nennt er die Gleichnisse und Frage-Antwort-Runden, in denen Jesus spielerisch die Botschaften verbreitet, die ihm ernst sind. Außerdem weist er auf die Hochzeit zu Kana hin, zu der Jesus mehr Wein schuf, als die Gäste in einer Woche hätten trinken können. Nicht etwa, um sich kopflos zu besaufen, sondern um den Anwesenden ein schönes Fest zu ermöglichen. Er war sehr diesseitig, attestiert Thomas Lösche dem Heiland. Und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm: „Dass die ganze Schöpfung permanent spielt, ist der Wille Gottes“, sagt der Referent. Gott habe mit spielerischer Schöpferkraft die Erde geschaffen. Deshalb sei das schöpferische Spiel die göttlichste Eigenschaft des Menschen. Wir sind dazu berufen, uns mit dem Heiligen Geist durch das Leben zu spielen, denn, so steht es im zweiten Brief an die Korinther: „Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit.“ Freiheit, Friede und Spiel gehören zusammen, sagt Thomas Lösche und zitiert den frühmittelalterlichen Dichter Notker Balbulus: „Hier unter deinem Weinstock, Christus, spielt in Frieden deine ganze Kirche.“ Wenn Kinder wieder auf den Plätzen der Stadt spielen, dann ist Frieden, lässt es sich auch bei Sacharja in der Bibel interpretieren.
Deshalb habe Jesus auch die Pharisäer kritisiert, so Lösche. „Ihr spielt ja nur noch im 16-Meter-Raum und nicht mehr auf dem ganzen Spielfeld“, würde er ihnen heute vielleicht sagen. Denn sie sind seiner Einladung zum Leben nicht gefolgt, sondern waren Spielverderber, meint der Referent im Hinblick auf Lukas 7: „Wir haben für euch auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt.“ Eine Vielfalt an spielerischen Formen stellt er hingegen, historisch gewachsen, bei der katholischen Kirche fest und findet, dass die Katholiken gut feiern könnten. Nicht nur zu Fasching und bei Bier werde es laut und bunt. Auch die katholische Liturgie sei vor allem eins: Ein Spiel mit Farbe, Musik, Gewändern und – Regeln.
„Übergangszeiten haben oft die gleichen Symptome“
Regeln brauche es auch im Leben. Erst innerhalb eines Regelwerks gelangten wir Menschen zur vollen Freiheit, sagt Thomas Lösche. Ein begabter Fußballer zum Beispiel könne sein Talent nur einsetzen, weil es Richtlinien gibt, in denen er sich bewegen kann. Auch Jugendliche müssen, damit sie von der Kindheit aus in eine neue Freiheit starten können, in Regeln gehalten sein. Ein Paradoxon, erklärt der erfahrene Jugendreferent, doch nur so könnten Jugendliche mit Grenzen spielen.

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In der Pubertät befindet man sich in einem permanenten Zustand des Übergangs. Diese Zeiten des Umbruchs finden sich auch in der Gesellschaft wieder. Heute sind es Klimawandel, Krieg und Künstliche Intelligenz. Zur Zeit der Reformation waren es die kleine Eiszeit, der Türkenkrieg und der Buchdruck, sagt Lösche. Er sehe da momentan viele Parallelen: „Übergangszeiten haben oft die gleichen Symptome.“ Auch die Bibel sei ein Buch der Übergänge. 40 Jahre Auszug aus Ägypten, die Jünger ziehen mit Jesus mit… derlei Beispiele gibt es viele.
Während sich diese Zeiten der Übergänge in der Menschheitsgeschichte mit Zeiten der Ruhe abwechseln, befinden Jugendliche sich immer in einer Zeit des Umbruchs. Sie seien zutiefst verunsichert, spielen vieles durch und probieren sich aus, sagt Thomas Lösche. Sie gehen ins Leben. Und jeder Schritt berge das Wagnis, zu fallen. Dabei sei Wagnis bei Weitem nicht dasselbe wie Risiko. Ein Risiko ist ungeplant und kopflos, findet der Referent und vergleicht es mit S-Bahn-Surfen. Ein Wagnis hingegen will geplant und vorbereitet sein – es hat ein Ziel. Reinhold Messners Bergexpeditionen zum Beispiel seien ein geplantes Wagnis gewesen, oder die Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus. Jugendliche gehen mit jedem Schritt in Richtung Leben ein Wagnis ein.
„Ich habe in meiner Arbeit versucht, Jugendliche immer wieder dazu einzuladen, die Bibel als eine Anleitung zum spielerischen Wagnis des Lebens zu sehen“, so Thomas Lösche. Dabei gehe es stets darum, miteinander zu spielen. Spiel sei immer ein soziales Ereignis, sagt er. Und: die spielerische Form ist nachhaltig. „Weil sie zum persönlichen Erlebnis wird“, weiß der Referent aus Erfahrung. Die Informationen, die Jugendliche sich im Spiel erarbeiten, erhalten einen persönlichen Bezug, weil sie sich mit Haut und Haar darauf einlassen müssen.
Nichts muss so bleiben, wie es ist. Das ist gleichzeitig die Botschaft von Spielen und die Botschaft der Bibel, so Thomas Lösche. In der Bibel wandle sich das Kreuz vom Zeichen des Todes zu einem Zeichen des Lebens. „Sie ist voll von solchen Umkehrungen“, sagt er und schlägt vor, es ein Leben lang wie die Kinder zu machen: selbstvergessen und hingebungsvoll spielen, sich dem Glauben mit so hoher Konzentration widmen, wie Kinder es beim Spielen tun. „Wir spielen ja eh ständig“, sagt der Referent. Schon die Entscheidung, wo man sich in der Straßenbahn hinsetzt, sei ein Gedankenspiel. Und für gewöhnlich, stellt Thomas Lösche fest, entscheidet man sich am Ende für den Platz, an dem man den größten Spielraum hat. Spiele spiegeln immer auch das Leben wider, und umgekehrt, sagt er, und empfiehlt, sich ab und an mal auf den Kopf zu stellen… „Dann sieht die Welt anders aus!“