Weihnachtsgrußwort von Bischof Wolfgang Ipolt

Worte, nichts als Worte?

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Stellvertretend für die Bischöfe im Tag des Herrn-Verbreitungsgebiet schreibt Bischof Wolfgang Ipolt, Bistum Görlitz, ein Weihnachtsgrußwort für die Leser:

Ich habe seit vielen Jahren die Gewohnheit, in der Christmette nach der Verkündigung des Weihnachtsevangeliums das aufgeschlagene Evangeliar zur Krippe zu tragen und es dort vor der Heiligen Familie abzulegen. Angeregt dazu hat mich ein Bild des Priesters und Malers Sieger Köder (+ 2015). Er hat eine Krippe gemalt, um die eine Familie staunend steht. Aber auf dem Stroh der Krippe ist kein Kind zu sehen, sondern ein aufgeschlagenes Buch, in dem man die Worte lesen kann: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ (Joh 1,14) Das Bild des Malers will das anschaulich machen, was an Weihnachten geschehen ist. Mit diesem einfachen Satz aus dem Prolog des Johannesevangeliums hat der Evangelist den Kern des Weihnachtsfestes zusammengefasst. 
Auch unter uns Menschen sind wir dankbar, wenn Worte nicht leer bleiben oder gar nur in den Wind gesprochen sind. Wir sind froh, wenn sich Worte bewahrheiten. Wir leben davon, dass ein einmal gegebenes Wort gehalten wird. Von Menschen, die solche Worte sprechen, sagen wir: „Auf dich kann man sich verlassen! Dir kann man vertrauen.“

Bischof Wolfgang Ipolt
Bischof Wolfgang Ipolt

Das schönste Zeichen dafür, dass Worte auch unter Menschen Fleisch werden können, ist die Ehe zwischen Mann und Frau, ist die Familie. Sie versprechen einander vor Gottes Angesicht die Treue in guten und in bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit und lösen dieses Versprechen ein Leben lang ein. In der ehelichen Gemeinschaft wird dieses Wort Fleisch im wahrsten Sinn des Wortes und es wird fruchtbar in den Kindern. Das einmal gesprochene Wort will im Alltag je neu eingeholt werden und muss sich dort bewahrheiten. Das ist zugegebenermaßen nicht immer leicht – aber unverzichtbar. 
In unserer säkularen Umwelt wird Weihnachten gern als Fest der Familie bezeichnet. Man trifft sich zum Fest, weil dort Zeit und Raum für ein ausgedehntes Miteinander ist. Wenn es gut geht, wird dadurch der Zusammenhalt in der Familie gestärkt und bereichert, durch die Freude eines Festes vertieft.
Weihnachten erinnert uns daran: Bloße Worte sind Schall und Rauch. Sie müssen Fleisch werden, was so viel heißt wie: durch das Leben eingeholt und erfüllt werden. Gott macht es uns vor. Seine Worte, die er an das auserwählte Volk Israel durch die Propheten zu allen Zeiten gerichtet hat, werden in der Geburt seines Sohnes Fleisch – ein Kind in der Krippe von Betlehem. Auf diese Weise hat Gott die Sehnsucht des Menschen erfüllt, aber noch mehr seine eigene Sehnsucht – ein Mensch unter uns zu sein, wie es kürzlich der tschechische Priester und Philosoph Tomáš Halík ausgedrückt hat. 
Mögen alle Worte und guten Wünsche, die wir an Weihnachten einander sagen oder schreiben mit unserem Leben und unserer Liebe gefüllt sein.