Geplante Krankenhausreform alarmiert katholische Krankenhäuser in der Region
Patientenversorgung in Gefahr?
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Die Pläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sorgen für Aufsehen: Eine Krankenhausreform soll das Gesundheitssystem moderner und bedarfsgerechter gestalten – heißt es zumindest in der Theorie. Den Regierungsplänen zufolge soll es künftig drei Kategorien von Kliniken geben: Häuser, die zur wohnortnahen Grundversorgung zählen, Kliniken mit einer Regel- und Schwerpunktversorgung sowie sogenannte Maximalversorger, insbesondere Unikliniken.
Vor allem kleinere Häuser fürchten seitdem massiv um ihre Existenz. Fallen sie nur noch in die erste Kategorie der Grundversorger, müssten bestimmte Stationen schließen, etwa die Geburtshilfe oder Kardiologie. Auch kirchliche Krankenhäuser sind betroffen. Der TAG DES HERRN hat sich bei drei Häusern in Berlin, Halle und Leipzig umgehört.
„Der Caritasverband warnt für das Erzbistum Berlin vor einer Gefährdung der Patientenversorgung durch die geplante Krankenhausreform“, sagt beispielsweise Torsten Robert, Sprecher der Caritas Gesundheit Berlin. Das Caritas-Unternehmen betreibt drei Krankenhäuser in Berlin sowie eines in Brandenburg an der Havel. Würden Lauterbachs Reformpläne wie geplant umgesetzt werden, sei auch in Berlin ein Großteil der Kliniken bedroht, warnt Robert.
Qualität als Maßstab für Reformen
Besonders von den Reformplänen betroffen wären die freigemeinnützigen Krankenhäuser – wie die der Kirchen –, die einen wesentlichen Teil der Berliner Bevölkerung versorgten. Schwerwiegend wären auch die Folgen im ländlichen Raum Brandenburgs. „Schlimmstenfalls wird es zu einer Rationierung von medizinischen Leistungen kommen“, warnt auch die Caritasdirektorin im Erzbistum Berlin, Ulrike Kostka. „Wir finden Reformen im Krankenhaus notwendig, aber diese müssen sich an der Qualität der Versorgung ausrichten und nicht an den Interessen politischer Gruppen“, so Kostka.
Die Caritas-Chefin sieht die Einführung von Leistungsgruppen zwar positiv, spricht sich aber gegen die geplanten drei Versorgungsstufen aus, da die Umsetzung einen dramatischen Eingriff in die Krankenhauslandschaft und Versorgungssicherheit bedeuten würde. „Wenn die von der Expertenkommission des Bundesgesundheitsministers vorgeschlagenen Empfehlungen Gesetz werden, würden in Berlin von derzeit 60 Standorten nur sieben Standorte als Krankenhäuser übrigbleiben.
In Brandenburg würden von 64 Standorten nur 30 überleben. Für die Patienten bedeutet das lange Wege und schlechtere Versorgung“, sagt Ulrike Kostka. „Außerdem wird der Pflegenotstand weiter verschärft, weil allein in Berlin und Brandenburg hunderte von Ausbildungsplätze für den Pflegeberuf, die die Krankenhäuser derzeit anbieten, wegfallen würden“, sagt Ulrike Kostka. Im zweitgrößten Klinikum in Halle, dem katholischen Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara, teilt Geschäftsführer Peter Pfeiffer die Kritik. Das Haus würde nach eigenen Angaben in die erste Kategorie der Grundversorgung fallen und müsste, um in die nächsthöhere Stufe zu gelangen, mehrere zusätzliche Abteilungen aufbauen, die es woanders bereits gebe, so Pfeiffer. „Dies ist aus unserer Sicht das Gegenteil eines sinnvollen und effektiven Reformvorhabens“, sagt der Klinik-Geschäftsführer.
Krankenhäuser warnen vor Verwerfungen
In der Grundversorgung sieht Pfeiffer zahlreiche Abteilungen des Klinikums in Gefahr, darunter die größte Geburtshilfestation in Sachsen-Anhalt, die Kinderchirurgie oder die Kardiologie. Würde die Reform wie geplant umgesetzt, dürfte das Hallenser Krankenhaus künftig etwa 12 000 Patienten pro Jahr nicht mehr behandeln und würde rund 70 Prozent seines Umsatzes verlieren, warnt Pfeiffer. Das hauptsächliche Problem sei die geplante Leveleinstufung. „Nicht nur unserem Haus würde damit die Existenzgrundlage entzogen werden.“ Im Dresdner St. Josephstift würde es auch die Hospizstation treffen, die einzige in der Landeshauptstadt, fürchtet der Dresdner Caritasdirektor Matthias Mitzscherlich. Als existenzbedrohend sieht auch das St.-Elisabeth-Krankenhaus in Leipzig die Reformpläne des Bundesgesundheitsministers. „Wenn die Reform wie ursprünglich geplant umgesetzt werden würde, sind große Verwerfungen in der Krankenhaus-Landschaft zu erwarten“, sagt Kliniksprecherin Anja Godehardt.
In Leipzig hofft man allerdings, dass Lauterbachs bisherige Pläne noch nicht das letzte Wort sind – schließlich haben die Bundesländer bei der Krankenhausreform auch noch ein Wörtchen mitzureden. Und die haben zuletzt in einem gemeinsamen Papier ihren Widerstand gegen die Pläne deutlich formuliert.
Amputationen leistungsfähiger Kliniken, die für die lebensweltnahe Gesundheitsversorgung von Kindern, alten Menschen, von Notfallpatienten und Schwangeren dringend benötigt werden, dürfen wir nicht zulassen“, sagt Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes und Vorstandsmitglied des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands.
„Die Umsetzung der im Dezember 2022 vorgelegten Vorschläge der Regierungskommission würden zu einer deutlichen Verknappung genau jener Angebote führen, die sich in der Corona-Krise als unverzichtbar erwiesen haben,“ betont Welskop-Deffaa.
Leidtragende sind chronisch Kranke
Unter der zu erwartenden Ausdünnung von Versorgungsstrukturen, verlängerten Wartezeiten und beschwerlicheren Wegen hätten ihrer Überzeugung nach besonders Menschen mit geringer Mobilität, mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen zu leiden. Auch Einrichtungen der Behindertenhilfe bekämen Probleme, da ihre Klienten besonders auf die medizinische Versorgung der Krankenhäuser vor Ort angewiesen sind, mit denen die Einrichtungen Kooperationsverträge haben.
„Die Krankenhausreform muss die stationäre Akutmedizin mit der ambulanten Versorgung, der Langzeitpflege und weiteren Bereichen der Gesundheitsversorgung wie der Behindertenhilfe oder der Rehabilitation zusammendenken. Nur dann wird eine konsequente Orientierung am Wohl der Patienten gelingen“, sagt die Caritas-Präsidentin.