Kirchliche Bildungshäuser suchen neue Wege
Zwischen Tradition und Wirtschaftlichkeit
Foto: St. Otto-Heim Zinnowitz
Die Bildungshäuser in den ostdeutschen Bistümern tragen Namen wie Otto, Winfried, oder auch Roncalli. Sie sind nach Bischöfen, einem weltoffenen Papst, Heiligen und Jugendseelsorgern benannt. Seit Jahrzehnten vernetzen diese Häuser Christen und bieten ihnen Heimat. In den letzten Jahren schlossen aber zahlreiche kirchliche Bildungshäuser deutschlandweit im Zuge von Strategieprozessen, Einsparungen und Mitgliederschwund. Das Problem zeigt sich auch in ostdeutschen Bistümern, wo die Anbieter teilweise die Preise erhöhen mussten.
„Kirchliche Bildungshäuser haben deutschlandweit identische Probleme“, sagt Frank Haimerl. Er berät seit vielen Jahren unter anderem Bildungshäuser in einer Vielzahl deutscher Bistümer, auch in Ostdeutschland. Sein Firma heißt „ARBOR Bildungsstättenberatung“. Oft kommen zu wenige Übernachtungs- und Tagesgäste. „Häufig liegt die Auslastung kirchlicher Bildungseinrichtungen bei nur 28 Prozent“, sagt Haimerl. „Das ist nicht wirtschaftlich.“
Personal und Veranstaltungen
Das Christian-Schreiber-Haus (CSH) im Erzbistum Berlin liegt mit einer Auslastung von 55 Prozent über dem Durchschnitt. „Einige Häuser können ihre Kapazitäten nicht ausschöpfen, weil ihnen das Personal fehlt“, erklärt Haimerl. Den Arbeitskräftemangel spürt auch Hausleiter Robert Gerke im Berliner CSH.
Im Bildungsgut Schmochtitz Sankt Benno verändert sich die Personalsituation im Zuge von Umstrukturierungen. Bisher haben hauseigene pädagogische Mitarbeiter Kurse durchgeführt. „In der Vergangenheit gab es bis zu 80 Veranstaltungen im Jahr. Aufgrund des geringeren Personals hat sich diese Zahl halbiert“, sagt Rektor Sebastian Kieslich. „Ab 2025 bietet das Haus keine eigenen Veranstaltungen mehr an.“
Die geringe Auslastung führt in den Bildungshäusern zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten. „Als Einnahmen zurückgingen, haben viele Einrichtungen versäumt, ihre hohen Kosten zu senken“, sagt Berater Haimerl. Regelmäßige Besucher der Bildungshäuser bemerkten in den vergangenen Jahren, dass sich die Preise für Gäste erhöht haben. Die Bistümer nennen gestiegene Lebensmittel- und Personalkosten als Gründe für die Preiserhöhungen. Je nach Sparzwängen kommt es regional zudem zu weiterem Kostendruck. Der Tag des Herrn wollte wissen, wie viel eine fünfköpfige Familie mit Kindern im Alter von sechs, zehn und 16 Jahren für ein Familienwochenende in den Häusern zahlen würde. Aus den vorliegenden Antworten ergibt sich je nach Haus ein Preis von gut 200 bis 480 Euro. Einige Preise betreffen jedoch organisierte und dadurch womöglich geförderte, andere privat gebuchte Wochenenden. Das Bistum Erfurt äußert sich nicht zu Preisveränderungen und möglichen Defiziten. Laut Webseite des Marcel-Callo Hauses würde die Beispielfamilie etwa 205 Euro zahlen. Damit gehört das Haus zu den günstigeren in den ostdeutschen Bistümern.
Defizite tragen mit Ausnahme vom Bildungsgut Schmochtitz Sankt Benno und der Ferienstätte St. Otto Zinnowitz die Bistümer. „Ich sehe, dass unser Defizit größer wird und versuche, da entgegenzuwirken“, sagt Annegret Beck, Leiterin des Marcel-Callo-Hauses. Wirtschaftlichkeit helfe, das Haus langfristig zu erhalten.
Mit Bildungshäusern verdiene man in der Regel kein Geld. Ivonne Büttner, Leiterin des Don Bosco Hauses (DBH) in Neuhausen im Bistum Görlitz, sagt: „Kinder- und Jugendarbeit ist ein Dienst an unserer Zukunft, an der Jugend und damit an der nächsten Generation.“ Das sieht auch Kollege Gerke so: „Die Generation, die heute hierher kommt, geht in 30 Jahren in die Kirchen. Wenn sie nicht mehr kommen, sind die Kirchen leer.“ Gerade Jugendhäuser wie das CSH oder das DBH schreiben immer rote Zahlen. Kinder- und jugendfreundliche Preise können beide Häuser nur anbieten, weil ihre Arbeit kirchenpolitisch gewollt ist.
Um Preiserhöhungen kommen auch die Jugendhäuser nicht herum. Im DBH stiegen die Preise für unter 17-Jährige in den letzten sechs Jahren um sieben Euro pro Tag. „Wenn ein Angebot gut ist und überzeugt, sind Menschen auch bereit, etwas dafür zu zahlen“, so Büttner.
Im Winfriedhaus in Schmiedeberg (Sachsen) würde die fünfköpfige Familie für ein selbst gebuchtes Wochenende 476 Euro für Übernachtung und Vollverpflegung zahlen. Damit gehört es zu den teureren der hier erwähnten Häuser. Die Gäste nehmen die Preise unterschiedlich auf, sagt Leiter Stephan Schubert. Einige Gruppen zahlen gerne noch einen Aufschlag für Bio-Essen. Andere verzichten wegen der Kosten auf häufige Aufenthalte. Schubert betont, dass das Personal nach Tarif bezahlt werde und von seinem Lohn leben können solle.
Kürzungen nicht zu vermeiden
Auch wenn das Haus weiterhin Zuschüsse des Bistums Dresden-Meißen bekommen soll: „Wir müssen überall kürzen. Den Bereich Kinder, Familie und Jugend verschonen wir am meisten“, sagt Silke Meemken, Leiterin der Pastoralabteilung im Bistum Dresden-Meißen. Viel seien die 30 Prozent Kürzungen dennoch, fügt Meemken an. Das Haus werde dann jährlich noch 400 000 Euro vom Bistum erhalten, sagt Leiter Schubert. Man versuche, diese Kürzungen nicht auf die Gäste umzulegen, unterstreicht er. Eine Idee für Einsparungen sei die verstärkte Kooperation mit dem zweiten Bildungshaus im Bistum Dresden-Meißen, dem Bildungsgut Schmochtitz Sankt Benno. Letzteres soll künftig gänzlich ohne Zuschüsse des Bistums auskommen. „Das Zukunftskonzept sieht vor, dass sich das Haus wirtschaftlich tragen muss. Davon sind wir noch weit entfernt“, sagt Meemken. Für externe Gruppen seien Preiserhöhungen von bis zu 100 Prozent vorgesehen, nicht jedoch für Bistumsgruppen.
Nicht zu reinem Hotel verkümmern
Dass es auch ohne Zuschüsse des Bistums funktionieren kann, zeigt die Familienferienstätte St. Otto in Zinnowitz. Sie trägt sich bereits seit der Berliner Bistums-Finanzkrise 2003 selbst und vermeidet rote Zahlen. Alle Gehälter werden seither eigenständig erwirtschaftet, sagt Rektor Markus Constantin. „Dass das Haus auf Usedom liegt, hilft natürlich.“ Die fünfköpfige Familie zahlt für ein Wochenende in der Hochsaison mit Vollpension 416 Euro. Für einen Ostsee-Standort sei das günstig, meint Constantin. Das Haus kann sich aufgrund der hohen Nachfrage seine Gäste aussuchen. „Wir achten darauf, Familien auszuwählen, die nicht nur kommen, weil wir günstig sind, sondern die hier auch die Begegnung suchen.“
Ganz bewusst ist St. Otto nicht nur ein Haus für Gruppen und Veranstalter mit eigenem Programm, sondern bietet selbst Exerzitien, Seniorenfahrten oder christliche Familienfreizeiten an. „Sonst würden wir zu einem reinen Hotel verkümmern,“ so Constantin. „Als Kirche brauchen wir Hotels, Schulen, Krankenhäuser nur, wenn wir die Chance sehen, dort Menschen für uns zu begeistern.“
Der Gedanke bewegt auch in Schmochtitz. „Es wird ein Tagungsort für externe Gäste sein“, sagt Meemken. Zugleich solle es ein pastoraler Ort bleiben. Derzeit arbeite das Bistum an einem Konzept dafür.
Im Magdeburger Roncalli-Haus wurde nach einem Leitungswechsel vor drei Jahren die Wirtschaftlichkeit neu bewertet. Danach wurde das Restaurant abgeschafft, um Kosten zu senken. Da hohe Energiekosten das Budget belasten, beschloss man, Fördermittel für ökologische Verbesserungen zu nutzen. Diese helfen, finanzielle Engpässe abzufedern. Immer wieder gebe es aber unvorhergesehene Kosten, wie den Inflationsausgleich, der letztes Jahr auf die Gehälter gezahlt wurde.
Auch wenn die Probleme deutschlandweit identisch seien, „sind die Lösungswege verschieden, da die Schwerpunkte der Probleme variieren“, sagt Berater Haimerl. Ein Rezept, das viele Häuser, die Haimerls Firma beraten hat, heilen konnte, sei eine Doppelspitze in der Leitung mit einem Verwaltungs- und einem Bildungsexperten.
Zunehmend legen die Häuser den Fokus auf die reine Wirtschaftlichkeit. Das birgt auch Gefahren. Im Bildungsgut Schmochtitz wechselt derzeit die Leitung von einer pädagogischen zu einer wirtschaftlichen Führung. Hotelberater Max Rothe ist aktuell Geschäftsführer neben dem pädagogischen Rektor Kieslich, der im Februar 2025 geht. Auch im Winfriedhaus wird Schubert die Leitung abgeben. „Wenn der Fokus jetzt auf der Wirtschaftlichkeit liegt, gibt es hierfür kompetentere Ansprechpartner mit mehr Fachexpertise“, sagt der Religionspädagoge. Fraglich bleibt, ob die sächsischen Häuser lebendige Orte bleiben, wenn keine Pädagogen mehr vor Ort sind.
Auch St. Otto-Rektor Constantin betont die Bedeutung einer christlich-pädagogischen Leitung: „Glauben kann ich nicht verwalten. Einzelne Menschen begeistern durch ihre Ausstrahlung für den Glauben. Das lässt sich nicht managen.“ Gleichzeitig dürfe man die Wirtschaftlichkeit solcher Häuser nicht vernachlässigen. Deshalb sei er dankbar für seinen Verwaltungsleiter.
An vielen Standorten offenbart sich ein weiteres Problem: ungeklärte Kommunikationsstrukturen. „Es ist nicht klar, wer was entscheiden darf. Vor allem fehlt es oft an Transparenz“, sagt Berater Haimerl. Dies führe zu Unzufriedenheit in der Belegschaft. In kirchlichen Einrichtungen, wo viele Menschen mitreden und sich stark mit den Häusern identifizieren, sei dieses Problem ausgeprägter als bei anderen Trägern.
An aktuellen Fragestellungen dran bleiben
Trotz der Herausforderungen und Unsicherheiten, denen die Bildungshäuser in ostdeutschen Bistümern begegnen, gibt es positive Nachrichten: „Der Ruf nach Bildung ist da“, so Haimerl. Er erkennt keinen Rückgang der hohen Nachfrage. Häuser füllen sich, wenn Konzept und Bau aktuell sind. „Insgesamt wird das Angebot weiterhin gut angenommen,“ sagt Beck aus dem Marcel-Callo-Haus. Gruppen aus den Pfarreien nutzen es regelmäßig bis zur Kapazitätsgrenze. Damit das so bleibt, müsse man an aktuellen Fragestellungen und neuen Kunden dranbleiben, so Beck. „Unsere Kurse und Workshops wirken, weil nicht der vertraute Lehrer oder Pfarrer den jungen Menschen etwas erzählt, sondern jemand anderes, der nicht so nah dran ist“, sagt auch Gerke in Berlin.
Das Roncalli-Haus Magdeburg möchte Marktführer in der frühkindlichen Pädagogik der Region werden, sagt Geschäftsführerin Uta Tettenborn. Weitere Nutzungsideen sind etwa ein Open-Space-Büro, in das sich Einzelne einmieten können. „Wir müssen zukunftsfähig denken, nicht nur: mein Haus, mein Raum, mein Keks“, sagt Tettenborn.
Auch die Familienferienstätte St. Otto hat sich im Laufe der Jahre verändert: Früher war es ein katholischer Widerstandsort, auch während der DDR-Ära. „In der Nachwendezeit entwickelte sich daraus eine Bunker-Mentalität,“ so Constantin. Das Haus war bekannt als katholischer Treffpunkt. Abgelegen. Constantin strebte an, das Haus allmählich zu öffnen. Nicht alle Gäste mochten das. „In einer Region mit 2,4 Prozent Katholiken ist es wichtig zu zeigen, dass die katholische Kirche nicht absurd ist, sondern aus netten, weltoffenen Menschen besteht,“ so Constantin. Heute ist das Haus für alle geöffnet.