Neues Buch über Thomas Müntzer
Ehemann, Vater und kein Bauernführer
Foto: Julia Reinard
Bauernführer oder der Mann mit der Mütze vom 5-Mark-Schein der DDR: Mit dem Namen Thomas Müntzer verbinden viele ein, zwei Schlagworte. Das thüringische Mühlhausen war einer der Hauptschauplätze des Bauernkriegs vor genau 500 Jahren und der Ort, wo Müntzer zuletzt wirkte und starb. Bettine Reichelt, evangelische Theologin und Schriftstellerin, hat sich dem Leben des 1489 in Stolberg im Harz geborenen Theologen in einem Büchlein genähert. „Freiheit in 12 Artikeln. Der Aufbruch der Bauern und Thomas Müntzers Sehnsucht“ heißt es. Darin stellt sie einerseits das kurze, intensive Leben des streitbaren Mannes dar. Andererseits betrachtet sie es im Rahmen der damaligen Zeit, so dass manches, das heute unverständlich scheint, nachvollziehbar wird.
Bettine Reichelt geht es nicht um Schlagworte. Sie möchte den Menschen Thomas Müntzer verstehen und anderen verständlich machen. Fünf möglicherweise unerwartete Fakten ihrer Recherchen präsentiert sie hier:
Thomas Müntzer hatte Ehefrau und Kind.
Thomas Müntzer heiratete Ottilie von Gersen 1523 in Allstedt (heute Sachsen-Anhalt). Im Jahr darauf gebar sie einen Jungen. Sie sei vermutlich eine aus einem Kloster entlaufene Nonne gewesen, sagt Bettine Reichelt, und müsse wirklich an Müntzers Seite gestanden haben. Denn sie habe seine Gedanken weitergetragen, als er von Dezember 1524 bis Februar 1525 nach Süddeutschland gereist war.
Als Müntzer vor 500 Jahren am 27. Mai 1525 vor den Toren Mühlhausens enthauptet wurde, war sie wieder schwanger. In Gefangenschaft hatte er ausdrücklich darum gebeten, ihr seine Hinterlassenschaft zu geben – das wurde ihr jedoch verweigert. Ihre Spur verliert sich anschließend.
Müntzer war nicht von Anfang an fanatisch.
Müntzer entwickelte sich erst zu dem, was man ihm heute zuschreibt. Zwar sei sein Weltbild durch eine starke Leidensmystik geprägt, sprich, er nahm an, er müsse durch tiefes Leid gehen, um Gott zu finden. (Auch Luther hatte das.) Doch anfangs erhoffte er sich die Reform gemeinsam mit den Fürsten. Er sah sich als Prophet im Sinne des Alten Testaments. Erst durch seine Reise nach Süddeutschland habe sich das bei ihm geändert, stellt Bettine Reichelt fest: „Dort muss er begriffen haben, dass die Bauern diejenigen sind, die seiner Vorstellung von Gottesherrschaft zum Durchbruch verhelfen.“ Zudem wirken seine Texte heute sehr drastisch, denn er spricht in den Worten der damaligen Zeit. Seine Sprache ist derber, körperlicher, direkter, als wir heute formulieren würden.
Müntzer war kein Bauernkriegsführer.
Am häufigsten wird Müntzer als Bauernführer bezeichnet, was im engeren Wortsinn nicht stimmt. Denn er war weder Soldat noch Heerführer. Inwieweit er sich in die Kriegshandlungen eingemischt hat, könne man nicht sagen, so Bettine Reichelt. Man wisse, dass er in Mühlhausen politischen Einfluss genommen habe. In Frankenhausen sei er dann wohl vor allem Prediger und Wortführer gewesen.
In der Reformation wendet sich keiner gegen Gott.
Weder Luther noch Müntzer hatten die Absicht, eine neue Kirche zu schaffen oder gar den Glauben an Gott abzuschaffen. Sie haben Missstände gesehen und wollten, dass über sie diskutiert wird und sie abgestellt werden. Sowohl Müntzer als auch Luther wollten, dass das Gotteswort rein gepredigt werde. Die Entwicklung zu zwei Kirchen sei dann ein Prozess gewesen. Müntzer war schon fünf Jahre tot, als 1530 beim Reichstag zu Augsburg deutlich wurde, dass es über die trennenden Ansichten nicht zu einer Einigung kommen würde.
Freiheit im mittelalterlichen Kontext meinte etwas anderes als heute.
Bei uns sei Freiheit mit den bürgerlichen Freiheiten verbunden, zum Beispiel Reisefreiheit, erklärt Bettine Reichelt. Für Menschen im Mittelalter spielte diese dagegen keine Rolle. Fürsten waren unablässig unterwegs. Außerdem wurde gereist, um zu handeln. Reisen tat man überhaupt nur mit einem Anlass, denn es war teuer und gefährlich.
Zur Reformationszeit wurde Freiheit gekoppelt an Fragen wie: Bin ich in der Lage, etwas zu entscheiden, zum Beispiel, wen ich heirate? Bei Leibeigenen war die Antwort: Nein. Oder: Wie viel Einfluss habe ich auf das, was mich von Außen bestimmt? Hier hieß es für alle: nahezu keinen.
In Thomas Müntzers Schriften komme das Wort „Freiheit“ nur drei, vier Mal vor, sagt Bettine Reichelt. Es sei dann verbunden mit dem Bundesgedanken, wie er in der Schweiz gelebt wurde: Gott schließe einen Bund mit den Menschen. Und wenn ein Mensch in diesen Bund eingetreten sei, dann sei es in Ordnung, wenn er sich gegen die Herrschaft stelle, wenn diese nicht Teil des Bundes ist.
Das Buch
Bettine Reichelt
Freiheit in 12 Artikeln – Der Aufbruch der Bauern und Thomas Müntzers Sehnsucht
St. Benno Verlag
ISBN 978-3-7462-6803-3
17,95 Euro
Das Buch ist bei Vivat (Bestellnummer 1068033) erhältlich.