Willkommensteam der katholischen Gemeinde in Potsdam

„Jeder Neue wird angesprochen“

Image
Willkommensteam der Potsdamer Pfarrei
Nachweis

Foto: Privat

Caption

Das Potsdamer Willkommensteam kurz nach seiner Gründung im Jahr 2020.

Wer sich dem christlichen Glauben annähern möchte oder an seinem neuen Wohnort Kontakt zur katholischen Gemeinde sucht, findet vielerorts nur schwer Zugang. In Potsdam hilft seit Jahren ein Willkommensteam.

Ungefähr zehn Jahre ist es her, dass Beate Schmidt als neu Zugezogene vor der Kirche St. Peter und Paul in Potsdam stand. Nachdem die Kieferorthopädin ihre Berliner Praxis in gute Hände übergeben hatte und mit ihrem Mann nach Potsdam gezogen war, wollte sie auch in ihrer neuen katholischen Gemeinde Fuß fassen. Doch es dauerte eine ganze Weile, bis sie bei den Alteingesessenen andocken konnte. „Und das nur, weil ich von Natur aus ein kommunikativer Mensch bin und selbst den ersten Schritt gemacht habe.“ Damals hätte sie sich gewünscht, dass es umgekehrt gewesen wäre.

Von zwei Jahren USA inspiriert: „Sowas brauchen wir auch!“ 

Ähnlich ging es Johann Evangelist Hafner. Der aus dem bayerischen Schwabenland stammende Theologe wurde 2004 an die Uni Potsdam berufen. Hafner, genannt „Hans“, ist beruflich viel unterwegs, auch über Europas Grenzen hinaus. 2015 ging er für ein Jahr als Gastforscher in die USA, nach Los Angeles.
Dort besuchte er viele Kirchengemeinden, katholische und evangelische. Was ihm dort begegnete, kannte er aus Deutschland so nicht: „Fast überall wurde ich am Kirchentor freundlich begrüßt: ‚Hallo! Schön, dass Sie da sind! Wie geht es Ihnen?‘ Das empfand ich als sehr angenehm. Man kam schnell ins Gespräch. Kinder erhielten eine kleine Kinderbibel zum Mitnachhausenehmen.“ Wie er erfuhr, handelte sich um sogenannte „Greeters“, Begrüßer, die in Kursen lernen, wie man herzlich, aber nicht zu aufdringlich auf die Gottesdienstbesucher zugeht. Neulingen, wie Hafner einer war, stehen sie als Ansprechpartner zur Verfügung.
Die Idee erinnerte ihn an die „Ostiarier“, eine der vier niederen Weihenstufen, die ein Priesterkandidat früher durchlaufen mussten. Als Torwächter waren diese auch für die Begrüßung der Gottesdienstbesucher zuständig. „Nachdem das II. Vatikanum und danach Papst Paul VI. die niederen Weihen abschaffte und diese Dienste für Laien öffnete, geriet dieses Amt des Torhüters oder Türöffners etwas in Vergessenheit“, sagt der Religionswissenschaftler, der auch nebenberuflicher Diakon der Peter-und-Paul-Gemeinde ist.
Hans Hafner war überzeugt: „Sowas braucht es bei uns auch.“ Er erklärt, warum: „Zu unseren Sonntagsmesse kommen mitunter über 400 Menschen. Die meisten gehen danach wieder nach Hause, nur der harte Kern bleibt. Hinzu kommen viele Touristen, die Potsdam besuchen. Doch immer wieder kommt es vor, dass beim Plausch nach dem Gottesdienst noch vereinzelt Leute herumstehen und dabei etwas verloren wirken“, sagte Hafner. Oft seien es Leute, die zum ersten Mal da sind, weil sie zugezogen sind oder nach Jahrzehnten erstmals wieder zum Gottesdienst gehen – und Anschluss suchen.

Willkommenstisch vor dem Eingang, hunderte Briefe an Mitglieder 

Mit seiner Idee, das Amt in neuer Form wiederzubeleben, stieß Hans Hafner bei Engagierten in der Gemeinde auf offene Ohren. Anfang 2019 kam ein sechsköpfiger Engagiertenkreis zusammen, brütete Ideen aus. Neben Hafner und Schmidt, die inzwischen im Pfarrgemeinderat mitwirkte und aktuell als Pfarreiratsvorsitzende und im Kirchenvorstand aktiv ist, gehören Sozialarbeiter Georg Jatzwauk, Caritas-Beraterin Sigrid Rogge und die Lehrerinnen Angelika Wemhoff und Regina Bläsing zum Willkommensteam. 
Es sind Menschen, die auch in ihrem Beruf auf andere zugehen. „Man braucht eine gewisse positive Ausstrahlung, darf keine Scheu haben“, sagt Schmidt. Seit 2020 stehen immer zur ersten Sonntagsmesse im Monat und bei besonderen Anlässen zwei aus dem Team an einem mit Blumen geschmückten Willkommenstisch, sprechen Besucher an, verteilen Maikäfer-Schokolade an Kinder. „Wir haben uns selbst die Regel auferlegt, nach der Messe nicht einfach nur ‚Wiedersehen‘ zu sagen, sondern jedes unbekannte Gesicht anzusprechen“, erklärt Hafner.

Willkommenspostkarte
Motiv einer Postkarte, die an Zugezogene versandt wurde. Die 300 Gesichter aus der Gemeinde sollen ihnen das Gefühl geben, willkommen zu sein.

Komme man ins Gespräch, gehe es weiter. „Wir nehmen Name und Kontaktdaten auf, fragen, ob die Person Lust hat mitzumachen – zum Beispiel in einem Familienkreis, bei den Lektoren oder erst einmal ganz locker am Grillstand beim nächsten Schöpfungsfest“, so Schmidt.
Dazu versendet das Team mehrmals im Jahr mehrere Hundert Willkommensbriefe an Zugezogene, die der Pfarrei gemeldet werden. „Oder wir laden gezielt die Täuflinge oder Firmlinge aus dem Vorjahr ein, damit diese am Ball bleiben“, sagt Beate Schmidt. Ein Hemmnis sei die Software zur Mitgliederverwaltung, die die Pfarrei zur Verfügung habe. „Es ist nicht ohne Weiteres möglich, die betreffenden Mitglieder gezielt herauszusuchen.“ Die zeitaufwendige Suche sei ein Hemmnis bei der Umsetzung neuer Ideen, sorge für Frustration. „Da würden wir uns ein Update wünschen“, sagt sie. 

„Danke, dass ihr damals auf mich zugegangen seid“

Abgesehen davon lohne sich der Einsatz aber, meint Beate Schmidt. Durch Willkommensarbeit hätte man Neulingen die Beheimatung in der Gemeinde erleichtern können, sagt Hafner. Gemeinden im Osten hätte wegen der feindlichen Umgebung einen starken Zusammenhalt und damit auch eine gewisse Geschlossenheit. Diese inneren Bindungen gelte es nun zu nutzen, um neue Leute einzubinden. „Tut man das nicht“, sagt Beate Schmidt, „bleibt viel Potenzial ungenutzt“. 
Neulich sei nach dem Gottesdienst ein junger Mann auf sie zugekommen. Er gehört mittlerweile  zur Katholischen Studierendengemeinschaft Potsdams. „Er sagte: ‚Ich fand es klasse, dass Sie damals auf mich zugegangen sind. Jetzt bin ich hier so richtig angekommen.‘“ 

Stefan Schilde