75-jähriges Bestehen der Gehörlosen-Gemeinde Erfurt
Als Seelsorger sehr geschätzt
Erhard Müller und weitere Engagierte sind für ihren Einsatz in der Gehörlosen-Seelsorge geehrt worden. Gelegenheit dazu bot die Feier des 75-jährigen Bestehens der Gehörlosen-Gemeinde in Erfurt.
Mit Gottesdienst, Begegnung und der Ehrung von engagierten Ehrenamtlichen feierte die Gehörlosen-Gemeinde Erfurt ihr 75-jähriges Bestehen. Fotos: Thomas Müller |
Erhard Müller aus Erfurt ist mit der St.-Elisabeth-Medaille des Bistums geehrt worden. Müller ist Vorsitzender des Kirchortrates der katholischen Gehörlosen-Gemeinde in Erfurt. Weihbischof Reinhard Hauke überreichte dem 72-Jährigen die Auszeichnung, mit der das Bistum herausragendes ehrenamtliches Engagement im christlichen Geist würdigt. In seiner Leitungsfunktion sei er seit 32 Jahren „hochmotiviert und grundverlässlich tätig“, so Hauke, der von 1987 bis 2004 selbst Gehörlosenseelsorger war: Müller erstelle den Jahresplan für die Gemeinde, plane und organisiere Veranstaltungen und Gemeindefahrten und gebe jährlich mit dem Rechenschaftsbericht einen Überblick über die Gesamtsituation des Kirchortes.
Weihbischof Reinhard Hauke überreichte Erhard Müller die Elisabeth-Medaille. Links im Bild Seelsorger Gert Schellhorn. |
Die Ehrung Müllers und weiterer Engagierter fand bei einem Gottesdienst anlässlich der Feier zum 75-jährigen Bestehen der Erfurter Gehörlosen-Gemeinde „Heilige Elisabeth“ statt. Dazu waren die Gemeinde und Gäste am 30. Oktober im Erfurter Marienstift zusammengekommen. Der Gottesdienst wurde von einem gemeinsamen Gebärdenchor aus dem Eichsfeld und Erfurt mitgestaltet. Gemeindemitglieder trugen die Fürbitten vor und zeigten in Gebärdensprache, was sie in Dankbarkeit mit ihrer Gemeinde verbindet.
75 Jahre katholische Gehörlosen-Gemeinde
Erste katholische Gehörlosengottesdienste gab es 1947 in Erfurt. Zur Gemeinde waren gehörlose Vertriebene aus Ostpreußen, Pommern, Schlesien und dem Sudetenland hinzugekommen, berichtete Erhard Müller. Um 1958 hätten die Gottesdienste im Ursulinenkloster, ab 1973 im Caritas Kinder- und Jugendhaus „St. Vinzenz“ und seit 2009 im Marienstift stattgefunden. Zuerst wurden sie in lautsprachbegleitender Gebärde, ab 2008 in Deutscher Gebärdensprache gehalten. 2007 gründete sich ein Gebärdenchor. Für den Chor war es ein Höhepunkt, als er 2010 beim Papstbesuch auf dem Erfurter Domplatz mitwirken konnte.
1955 zählte die Gehörlosen-Gemeinde zirka 80 Mitglieder, heute sind es 19 im Alter von 16 bis 85 Jahren. 2007 konnten 40 Gehörlose an einer Wallfahrt zum 800. Geburtstag der heiligen Elisabeth zu ihrem Geburtsort Sárospatak inUngarn teilnehmen. Sie wurde zusammen mit Gehörlosen aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, dem Eichsfeld und aus Erfurt organisiert.
Von 1980 bis 86 war Schwester Brigitte Springer und im Anschluss bis 2016 Ursula Schiebel in der sozialen Beratung und Seelsorge aktiv. Die Gemeinde kümmert sich um ältere, gehbehinderte Gehörlose im Raum Erfurt (Ettersburg, Warza).
Heute trifft sich die Gemeinde monatlich mit ihrem Gehörlosenseelsorger Gert Schellhorn zum Gottesdienst und anschließendem Programm und zur Begegnung. Feste wie Advent, Nikolaus, aber auch Fasching oder ein Sommerfest werden miteinander gefeiert. Gemeinsam werden Glaubensfragen besprochen, es gibt Bibelgespräche, die Gräber von früheren Gemeindemitgliedern werden besucht und Sozial-Informationen weitergegeben. Zu alledem sind auch die evangelischen Gehörlosen eingeladen. Seit 1990 ist Erhard Müller Vorsitzender der Gemeindeleitung mit vier Teammitarbeitern.
Anlässlich der Ehrung von Müller mit der Elisabeth-Medaille würdigte auch Gehörlosen-Seelsorger Schellhorn dessen Wirken: Müller besuche ältere und kranke Gemeindeglieder zu Hause und im Krankenhaus. „Nicht zuletzt als Kommunionhelfer
übernimmt er zuverlässig und empathisch (einfühlsam)seelsorgerliche Aufgaben in der Gehörlosengemeinde. Er erweist sich im wahrsten Sinn des Wortes als empathischer Seelsorger und wird als solcher sehr geschätzt.“
Alfons Rogge wurde mit einem Ehrenbrief gewürdigt. |
Aufopferungsvolle Arbeit gewürdigt
Neben Müller wurde Ursula Schiebel für ihren langjährigen Einsatz in der Gehörlosenarbeit, der Mitsorge für die Gemeinde und als Dolmetscherin gedankt. Zudem erhielt der Eichsfelder Alfons Rogge für seine unermüdliche und aufopferungsvolle Arbeit im Gehörlosenverein „Eichsfeldia“ einen Ehrenbrief. Rogge hatte den Verein 1991 wiederbelebt, der schon 1916 entstanden war, aber unter den Nationalsozialisten verboten wurde. Er engagierte sich auch im Verband der Katholischen Gehörlosen Deutschlands und als Behindertenbeauftragter im Landkreis Eichsfeld. 1993 erhielt er für seinen Einsatz die „Thüringer Rose“ des Landes Thüringen, 1996 wurde ihm vom Bistum die St.-Elisabeth-Medaille verliehen.
Von Eckhard Pohl