Frauen besuchen DDR-Gefängnis von Cottbus

Auf dem Weg zur Versöhnung

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Das ehemalige Gefängnis von Cottbus ist heute eine Gedenkstätte. Hier waren – vor allem zu DDR-Zeiten – politische Gefangene inhaftiert. Der Verein Menschenrechtszentrum leistet hier Versöhnungsarbeit. Frauen der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands waren kürzlich zu Besuch.

Die Frauen der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands bei der Führung durch das ehemalige Gefängnis. | Foto: privat

Frauen der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) besuchten kürzlich das Menschenrechtszentrum (MRZ) in Cottbus. In der einstigen, vor allem für politische Gefangene genutzten Strafanstalt erhielten sie eine Führung von Pfarrer Christoph Polster. Er ist der für die Nagelkreuzarbeit im MRZ von der evangelischen Landeskirche Beauftragte. Die Nagelkreuzbewegung verfolgt die Idee einer weltweiten Versöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg. 2015 wurde das MRZ in das Netzwerk aufgenommen.
Bei der Führung informierte Pfarrer Polster über die Geschichte des Gefängnisses. Es wurde als „Königliches Centralgefängnis“ im Jahr 1860 eröffnet. In den Jahren 1930 bis 1945 war es erst Jugendgefängnis, dann Männerstrafanstalt, dann Frauengefängnis und Frauenzuchthaus.
 
Zeitweise größtes Gefängnis für politische Häftlinge in der DDR
Durch Bombenangriffe im April 1945 wurden große Teile des Gefängnisses zerstört, doch schon im Juli 1945 wurde es als Gefängnis unter der damaligen Brandenburgischen Justizverwaltung neueröffnet. 1951 erfolgte die Übernahme durch das DDR-Innenministerium und das Objekt wurde zur Vollzugsanstalt Cottbus, ab 1975 Strafvollzugseinrichtung.
Waren anfangs auch Frauen inhaftiert, wurde die Vollzugsanstalt immer mehr zu einem Gefängnis für politische Häftlinge. Mit – in den 1970er Jahren – bis zu zeitgleich 3000 Inhaftierten war es maßlos überfüllt und somit auch das größte Gefängnis der DDR für politische Häftlinge. Es gab Gefängnis-Zellen, in denen 28 Häftlinge untergebracht waren. Da fehlte die Luft zum Atmen!
 Im Gegensatz zum Stasi-Gefängnis „Bautzen II“, in dem die „Langjähren“ einsaßen, hatten die „Politischen“ in Cottbus zwischen sechs und 45 Monaten Gefängnisstrafen zu verbüßen. Die Häftlinge mussten unter menschenunwürdigen Bedingungen Haftzwangsarbeit für den Fotoapparate-Hersteller Pentagon und für die Möbelindustrie leisten. 35 000 politisch Gefangene wurden für 3,5 Milliarden DM freigekauft.
Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde das Cottbuser Gefängnis – unter bundesdeutschen Bedingungen – als Justizvollzugsanstalt des Landes Brandenburg bis zum Jahr 2002 weiter betrieben. Danach gab es einen Leerstand. Vandalismus war die Folge. Viele Einrichtungsgegenstände und – aus heutiger und Gedenkstätten-Sicht – wertvolle, authentische Dokumente gingen verloren. Vieles wurde einfach weggeworfen.
 
Ehemalige Inhaftierte gründeten den Verein Menschenrechtszentrum
Dann geschah etwas Einmaliges: Nach einem Häftlings-Treffen im Oktober 2007 gründete sich der Verein „Menschenrechtszentrum Cottbus“. Die meisten Mitglieder sind ehemalige politisch Gefangene der DDR, die im Zuchthaus einsaßen. Ihr Ziel ist es, im Rahmen der Aufarbeitung und Aufklärung einen Beitrag zur Versöhnung zu leisten. Seit 2011 ist der MRZ Eigentümer des ehemaligen Gefängnisses. Die Sanierung des Zellengebäudes und eine Teilsanierung des Torhauses wurde realisiert und im September 2012 konnte die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus eröffnet werden. Besucher können sich einen Eindruck verschaffen, unter welchen Bedingungen unschuldige Menschen einst hier inhaftiert waren.
Die Dauerausstellung „Karierte Wolken – politische Haft im Zuchthaus Cottbus 1933 – 1989“ zeigt das politische Unrecht sowohl in der Zeit der nationalsozialistischen Terrorherrschaft als auch während der SED-Diktatur.
Nach der Führung konnten die Frauen und weitere Besucher in einer ehemaligen Zelle, in der auch die Häftlings-Treffen stattfinden, ins Gespräch kommen und weitere Informationen erhalten. Pfarrer Polster berichtete beispielsweise über die einmal im Monat in der Gedenkstätte stattfindende Nagelkreuzandacht. Sie findet in dem Raum statt, wo sich einst die Häftlinge zum Gottesdienst versammelten. Pfarrer Polster und Monika Schulze hatten für diesen Tag eine Andacht vorbereitet. Alle Gäste nahmen daran teil.
 
„Vater vergib“: Mitglied der Nagelkreuz-Gemeinschaft
Das Nagelkreuz gilt als Zeichen der Versöhnung und des Friedens. Bei dem deutschen Luftangriff auf Coventry am 14. November 1940 wurde die St. Michael´s Cathedrale völlig zerstört. Der damalige Dompropst ließ bei den Aufräumarbeiten drei große Zimmermannsnägel aus dem Dachstuhl der zerstörten Kathedrale zu einem Kreuz zusammensetzen. Er ließ außerdem die Worte „Vater vergib“ in die Chorwand der Ruine meißeln. Das originale Nagelkreuz steht auf dem Altar der 1962 geweihten neuen Kathedrale.
Am 10. Dezember 2015, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, wurde das MRZ in das weltweite Versöhnungsnetzwerk der Nagelkreuzgemeinschaft aufgenommen und bekam das Nagelkreuz überreicht. Im Geiste der Kathedrale von Coventry die Wunden der Geschichte heilen, mit Differenzen leben lernen, Vielfalt feiern und an einer Kultur des Friedens arbeiten, darum geht es.
 
Von Monika Schulze
 
Versöhnungsgebet
In jeder Nagelkreuzandacht wird das 1958 formulierte Versöhnungsgebet von Coventry gebetet:

„Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhms, den sie bei Gott haben sollten (Römerbrief 3,23). Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, Vater vergib.
Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigentum ist, Vater vergib.
Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet, Vater vergib.
Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der anderen, Vater vergib.
Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge, Vater vergib.
Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht, Vater vergib.
Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott, Vater vergib.
Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus (Epheserbrief 4,32).