Diskussionsabend zum Synodalen Weg in Leipzig
Aus dem Herzen gesprochen
Kirchenspaltung lässt sich durch weiteres Aussitzen von dringenden Reformen nicht verhindern, machte Martina Breyer, die Katholikenratsvorsitzende des Bistums, in einem Statement deutlich. Spaltung vollziehe sich ohnehin bereits, unter anderem durch die Kirchenaustritte zahlreicher Frauen, die bisher zum engagierten Kern der Gemeinden gehörten. (Symbolfoto) Foto: Elisabeth Rahe/kna |
In zwei Stunden lassen sich die drängenden Probleme der katholischen Kirche nicht lösen. Das war den Veranstaltern klar, die sich am 9. Dezember zu den vier großen Themenfeldern des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland auch noch das Thema „Ökumene“ vorgenommen hatte. Das Ziel, das sich die Dialog-Gruppe der Gemeinde für den Abend gestellt hatte, war kleiner: Die Männer und Frauen, die sich im Zuge des 2015 abgeschlossenen innerkichlichen Dialogprozesses zusammengefunden hatten, wollten unter den Teilnehmern des Abends das Bewusstsein der eigenen Mitverantwortung für die Zukunft der Kirche schärfen. Bischöfe und Laien aus dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken können die Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses nicht allein retten. Für ein Gelingen sei eine breite Beteiligung wichtig.
Am Ende des Abends fanden die Initiatoren ebenso wie die Gäste, die sie ins Podium eingeladen hatten, ihre Erwartungen übertroffen. Sie freuten sich über den gut gefüllten Saal, das lebendige Interesse und die Vielfalt der eingebrachten Meinungen. Ihn bewege die Forderung von Papst Franziskus, die Kirche müsse eine synodale Kirche werden, sagte Bischof Heinrich Timmerevers in seinem Schluss-Statement. „Noch sind wir weit davon entfernt“, befand er. Diskussionsrunden, in denen man – wie in Leipzig geschehen – bereit sei, aufeinander und auf den Heiligen Geist zu hören, empfinde er als „deutliche Schritte nach vorn.“
Für manchen im Publikum füllten sich im Laufe des Abends manch plakative Überschriften der synodalen Themen mit Leben, nicht zuletzt, weil viele, die das Wort ergriffen, sich an die Anweisung der Moderatorin Ina von Spies hielten: „Sag das Wesentliche, sprich von Herzen!“
Statt nüchtern vorgetragener Thesen überwogen leidenschaftliche Plädoyers, in denen persönliche Lebenserfahrung und Betroffenheit zum Ausdruck kamen. Unter der Überschrift „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ zum Beispiel berichtete eine Frau, dass sie von Bekannten und Verwandten immer wieder gefragt werde, wie sie trotz des unglaubwürdigen Umgangs mit den Missbrauchstaten und der anhaltenden Abwertung von Frauen weiterhin Mitglied der katholischen Kirche bleiben könne. „Guten Gewissens gehöre ich schon lange nicht mehr zur Kirche. Ich schäme mich dafür, dieses kranke System mitzutragen“, bekannte sie. Sie wünsche sich, dass die Frohe Botschaft, die allen gelte, auch von allen verkündet werde – und dies in einer authentischen Sprache, die eine „Begegnung mit dem lebendigen Gott“ ermögliche.
Zum Themenfeld „Leben in gelingenden Beziehungen“ erzählte ein Familienvater, wie er in seiner früheren Gemeinde, in der er zuvor beheimatet war und Wertschätzung erfuhr, nach seiner Scheidung ausgegrenzt wurde. Niemand habe ihn gefragt, wie es ihm gehe. Anstatt sich dafür einzusetzen, dass den Kindern beide Eltern erhalten bleiben, habe sich ein Seelsorger auf die Seite eines Partners gestellt und „seinen Partnerschaftskrieg mitgeführt“. Nirgends sei der Mensch so verletzbar wie in Liebesbeziehungen. Er halte es für dringend erforderlich, dass Kirche den Fokus in diesem Bereich nicht mehr auf Vorschriften und Verbote, sondern auf persönliche Begleitung setze.
Frauenweihe, ein Thema mit Spaltpotenzial
Zum gleichen Themenfeld berichtete der Dresdner Bischof von einer Begegnung, die er kürzlich mit Lesben und Schwulen hatte, die sich in der Kirche engagieren. „Es hat mich sehr bewegt zu hören, wie sie darum gerungen haben, ihr So-Sein mit dem christlichen Glauben überein zu bringen.“ Er halte es für wichtig, dass die Kirche die Treue und gegenseitige Sorge, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gelebt werde, wahrnehme, wertschätze und begleite. Wie genau das aussehen könne, wisse er gegenwärtig allerdings noch nicht. Klar sei für ihn aber : „Wir haben in der Kirche zu oft und zu lange Menschen aufgrund bestimmter Lebenssituationen ausgegrenzt!“
Innere Anteilnahme, aber keine konkreten Lösungsansätze ließ Heinrich Timmerevers auch beim Frauenthema erkennen. Es tue ihm sehr weh, dass Frauen in der Kirche so sehr litten. Er sehe aber auch mit Sorge, dass die Forderung nach gleichberechtigter Teilhabe der Frauen an allen Ämtern das Potenzial beinhalte, die Kirche zu spalten.
Gegen vorgeschobene theologische Argumente
Spaltung lasse sich aber nicht verhindern, indem man die Entscheidung weiter aufschiebe, betonte Martina Breyer, die Vorsitzende des Katholikenrats im Bistum. Spaltung ereigne sich bereits. Ein großer Teil der Menschen, die sich gerade von der Kirche abwenden, seien gläubige Menschen, die bisher tief mit der Kirche verbunden waren, denen der Leidensdruck aber unerträglich werde. Gerade in der jüngeren Generation seien es keinesfalls nur Frauen, die an der Frage der Frauen-Beteiligung die Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses festmachten. „Bei diesem Thema habe ich die größte Sorge, dass berechtigte Anliegen von Frauen mit dem Hinweis auf angebliche theologische Probleme oder mit dem Riegel der Weltkirche abgewehrt werden“, sagte der Leipziger Propst Gregor Giele. Die theologische Argumentation gegen eine Weihe von Frauen sei nicht stimmig. Beispielsweise werde der Ausschluss von Frauen damit begründet, dass Jesus als Apostel zwölf Männer ausgewählt habe. Als Nachfolger der Apostel gelten doch aber die Bischöfe, nicht die Priester. Die seien eher dem „Kreis der 72“ zuzurechnen, dem auch Frauen angehörten. Aus seiner Sicht wäre es in dieser Frage sinnvoll „regionale Lösungen“ zu erproben.
Heinrich Timmerevers plädierte dafür, offen in die Gespräche des synodalen Wegs hineinzugehen. „Es gilt herauszufinden, was Jesus uns heute in unserer Situation sagen möchte.“ Foto: kna/Harald Oppitz |
Ein Thema, bei dem bereits an konkreten Lösungen gearbeitet werde, sei der Umgang mit Macht, machte Bischof Timmerevers deutlich. „Die Regeln, nach denen wir in der Stadtverwaltung arbeiten, sind nicht von uns selbst gemacht, sondern von einem Parlament“, sagte ein Leipziger Verwaltungsjurist, der eine vergleichbare Gewaltenteilung auch für die Kirche einforderte. Der Bischof pflichtete ihm bei und wies darauf hin, dass es in der Bischofskonferenz bereits erste Entwürfe für die Errichtung eines kirchlichen Verwaltungsgerichtshofs gebe. Eine stärkere Gewaltenteilung in der Kirche könnte seiner Ansicht zu einer besseren Kultur im Umgang mit Fehlern und zu größerer Transparenz verhelfen. Zudem wäre es für Bischöfe leichter, ihre Verantwortung zu tragen.
Sie als Synodale empfinde Veranstaltungen wie den Leipziger Diskussionsabend als hilfreich, um ihre Verantwortung zu tragen, sagte Martina Breyer. Das gemeinsame Ringen um gute Wege in die Zukunft sollte auf allen Ebenen der Kirche zum Tragen kommen. Es gehe dabei auch um viele Fragen, die das alltägliche Miteinander in den Gemeinden betreffen.
Während des Abends kam der Gemeindebezug unter anderem beim Thema „priesterliche Lebensformen“ zum Tragen. Um in ihrer Berufung dauerhaft Erfüllung zu finden, bräuchten Priester in den Gemeinden Menschen, die sie bestärkten und ermutigten, betonte der Bischof. Nach einem Austausch über das Für und Wider der Verknüpfung von Priesterberufung und Berufung zur Ehelosigkeit schlug Propst Giele vor, das Gespräch über die priesterliche Lebensform nicht allein auf den Zölibat zu beschränken – und gab dazu einige Gesprächsanregungen. So erinnerte er daran, dass Priester Bescheidenheit im Lebensstil versprechen. „Mit einem Beamtengehalt gar nicht so einfach“, merkte er an. „Jeden Sonntag stehen alle auf, wenn ich in die Kirche einziehe. Was macht das eigentlich mit einem Priester?“, gab er zu bedenken. Ein weiterer Gedankenanstoß: „Früher sprach man von Geistlichen – und meinte Priester. Warum hört man dieses Wort eigentlich kaum noch?“ Die Teilnehmer des Abends haben Gesprächsstoff mit nach Hause bekommen, der für einige Zeit reichen dürfte. Die Propsteigemeinde hofft, dass anderes es ihr mit ähnlichen Veranstaltungen nachtun.
Von Dorothee Wanzek