Experten der Caritas geben Hilfestellung

Bei Mobbing sofort Grenzen setzen

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Es muss nicht an der Tagesordnung sein, dass Kinder undJugendliche andere drangsalieren, demütigen und verletzen. Mobbing in der Schule muss bekämpft werden. Ein von Experten des Caritas-Pirckheimer-Hauses Nürnberg verfasstes Buch gibt konkrete Hilfestellung.


Morgens Attacken in der Schule, abends gemeine Nachrichten per Handy:
Jugendliche, die gemobbt werden, haben oft keine ruhige Minute mehr.
Lehrkräfte müssen das Mobbingverhalten in einer Klasse strikt unterbinden. 
Foto: Ulrike Schwerdtfeger

Marica Münch und Siegfried Grillmeyer von der Akademie Caritas Pirckheimer Haus (CPH) in Nürnberg befassen sich seit vielen Jahren mit dem Thema Mobbing. Sie bieten von Fachpersonal begleitete Seminare für Klassen an sowie Weiterbildungen für Lehrer, damit diese Mobbing erkennen und eindämmen können. Ihre Erfahrungen haben sie in dem Buch „Mobben stoppen!“ zusammengefasst. Es will aufrütteln und Wege aufzeigen, wie Lehrer und Schulgemeinschaften Mobbing vorbeugen können. 


Die Betroffenen leiden
„Ganze Persönlichkeiten können daran zerbrechen“, weiß Anna-Lena König. Heute kann die 16-Jährige den Fokus auf Dinge und Menschen legen, die sie mag, engagiert sich als Schülersprecherin, spricht aber offen über das, was ihr angetan wurde: darüber, dass auch sie viele Jahre ein Mobbingopfer war, darüber, wie klein, unnütz und hilflos sie sich gefühlt hat, darüber, dass sie vor lauter Kummer Bauchschmerzen hatte und nicht mehr in die Schule wollte. Wie es im Schnitt jedem sechsten 15-jährigen Schulkind in Deutschland geht, auch im Hinblick auf Cyber-Mobbing, also Mobbing über das Internet und die sozialen Medien. „Viele Lehrer nehmen das Problem nicht ernst“, weiß die Gymnasiastin. „Sie tun es ab. Man soll sich halt nicht so anstellen und sich nicht ärgern lassen. Von den meisten Mitschülern kann man keine Hilfe erwarten – sie sind Mitläufer und würden niemals für jemanden Partei ergreifen.“ 


Was die Experten sagen
Mobbing, so erklärt Jugendsozialarbeiterin Esther Kofer, sei ein häufiges Phänomen, das in so genannten Zwangskontexten wie Schule vorkomme. „Es beschädigt die Opfer körperlich und seelisch, nicht selten ein Leben lang“, so Kofer. Wer mobbt, habe häufig einen guten Riecher für Gehässigkeiten und Hänseleien: „Ein Aggressor sucht sich ganz bewusst ein Opfer, das in irgendeiner Hinsicht ‚anders‘ ist, dessen Namen sich etwa verunstalten lässt, über dessen Kleidung man herziehen könnte. Sobald jemand aus der Gruppe darüber lacht, fühlt sich der Aggressor bestärkt im eigenen unfairen Verhalten und macht weiter.“

Ab einem gewissen Punkt kippe das Gleichgewicht und auch die Stimmung in der Klasse: „Auf einmal will niemand mehr etwas mit dem Opfer zu tun haben, es gilt geradezu als uncool, sich mit ‚so jemandem‘ abzugeben“, sagt Esther Kofer. Durch zeitiges Eingreifen könne dieser „schleichende fiese Prozess“ aufgehalten werden; Vertrauenslehrer, Eltern und Schulpsychologen seien Anlaufstellen für Betroffene. Oft entwickle sich Mobbing jedoch rasant und ende schließlich in einem „Strudel der Hilflosigkeit“, die Opfer, die unter psychischen Problemen litten, fielen häufig deutlich ab in ihren Schulleistungen. 


Was Lehrer tun können
Viel Fingerspitzengefühl brauchen insbesondere Lehrer, weiß Anna-Lena König aus eigener Erfahrung. „Denn man kommt meist nicht aus eigener Kraft raus aus so einer Situation.“ Hilfreich können Lehrkräfte sein, wenn sie im Kontakt mit dem Gemobbten bleiben, sich als Gesprächspartner anbieten, nach Möglichkeit einen befreundeten Klassenkameraden des Mobbingopfers mit ins Boot holen. „Ich will nicht, dass ihr so miteinander umgeht“, kann etwa eine klare Ich-Botschaft an die Klasse sein. Ruhig, aber bestimmt bleiben; niemanden direkt beschuldigen und lediglich ein Verhalten kritisieren, nicht eine Person. Wichtig auch: sich immer das Einverständnis des Mobbingopfers einholen, bevor man die Situation anspricht. 


Raus aus der Opferrolle
„Wenn man drinsteckt in so einer Situation, zerbricht man sich immer wieder den Kopf darüber, wie es dazu gekommen ist, was man falsch gemacht hat, was so seltsam an einem ist, dass andere einen so behandeln“, erzählt Anna-Lena König. „Opfer versuchen, sich anzupassen, unsichtbar zu werden, um weniger aufzufallen – oder aber sie ticken aus“, weiß Jugendsozialarbeiterin Kofer: „Bei Mobbing geht es um Macht.“ Daher sei es umso wichtiger, die Unterlegenen zu stärken, erläutert Sozialpädagogin Marica Münch. Mit ihrem nun erschienenen Buch will die CPH-Bildungsreferentin mithelfen, dass Schulen es langfristig schaffen, durch Prävention und Intervention Mobbing zu unterbinden.

Ulrike Schwerdtfeger

„Mobben stoppen. Mutig sein statt mitmachen! Ein Handbuch für die Praxis“ von Marica Münch und Siegfried Gillmeyer (Hrsg.) hat 152 Seiten und ist im Echter Verlag erschienen. Preis: 5 Euro. Im Buchhandel zu bestellen unter der ISBN: 978-3-429-05528-8.