„Open Space“-Veranstaltung der Propstei Leipzig

Beim Kaffee Zukunft planen

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„Wie wird die Gemeinde zur Tankstelle für uns selbst und für andere? Dieser Frage widmeten sich Christen der Propstei Leipzig am 10. September. Sie folgten dabei der Methode „Open Space“ (Offener Raum).

Welche neuen Gottesdienstformen möchten wir in der Propsteigemeinde ausprobieren? Darum ging es in dieser Gesprächsrunde.    Foto: Dorothee Wanzek

 

Nach zwei Jahren Corona einfach wieder an die Zeit davor anknüpfen? Für den Leipziger Propst Gregor Giele ist das unvorstellbar. „Nach den glaubenserschöpfenden Erfahrungen, die wir  in letzter Zeit mit unserer Kirche gemacht haben, sollten wir überlegen, wie wir uns jetzt ausrichten“, sagt er. Mit dem Pfarreirat hat er dazu einen Gemeindetag einberufen. „Tankstelle Gemeinde“ heißt das Motto. Die Teilnehmer sollen darüber reden, was sie selbst zum geistlichen Auftanken brauchen und was sie als Gemeinde für andere anbieten.
Nach guten Erfahrungen an früheren Wegmarken der Gemeindegeschichte hatten sich die Pfarreiräte entschieden, die Planungen erneut als „Open Space“ (englisch für Offener Raum“ zu gestalten. Die in den 1980er Jahren entwickelte Methode der Konferenzgestaltung knüpft an eine verbreitete Erfahrung von Tagungsteilnehmern an: Die besten Ideen entstehen in den Kaffeepausen, wenn jeder mit den Menschen ins Gespräch kommt, mit denen er gerne reden möchte. „Wir begeben uns heute in eine Dauer-Kaffeepause mit einigen Spielregeln“, brachte Moderatorin Gabriele Palm-Funke die Methode auf den Punkt.
Jeder darf Gesprächsthemen einbringen, heißt eine wichtige Regel. Im Plenum werden vor jeder Rede-Runde Themen gesammelt und den verfügbaren Räumen zugeordnet. Dort findet sich dann spontan ein, wer gerade über das vorgeschlagene Thema reden möchte.

„Wer kommt, ist hier richtig“
Ein weiteres zentrales Prinzip lautet: „Die, die da sind, sind die Richtigen.“ „Viele Konferenzen verlaufen zäh, weil die wichtigsten Themen nicht zur Sprache kommen“, erläutert Gabriele Palm-Funke. „Heute ist Frau X oder Herr Y nicht da. Wir können ohne sie nicht über dieses Thema reden“, heiße es dann. Im „Open Space“ vertraue man dagegen auf die Kompetenz und Weisheit der Anwesenden. In der Leipziger Dauer-Kaffeepause des 10. September wollten Gemeindemitglieder zum Beispiel darüber reden, wie Kinder für den Ministrantendienst zu begeistern seien, damit die Sonn- und Feiertagsgottesdienst mehr Festlichkeit ausstrahlen. Anderen lag am Herzen, sich als Leipziger Katholiken stärker und erkennbarer in der Zivilgesellschaft zu engagieren, das Literaturcafé wiederzu beleben, neue Gottesdienstformen auszuprobieren oder einen neuen Familienkreis zu gründen.
„Zurzeit haben wir nur noch 600 bis 800 Gottesdienstbesucher pro Wochenende. Vor Corona waren es 1200. Wie kommen wir mit den Katholiken ins Gespräch, die nicht mehr präsent sind?“, brachte Hermann Heipieper zur Sprache.
Kontaktmöglichkeiten für Gemeindemitglieder zu schaffen, die bisher keinen Anschluss in einer Gruppe gefunden haben, war Rita Kotzur wichtig. Sie schlug vor, in der Propstei einen Monat lang einen „Markt der Möglichkeiten“ zu veranstalten. Gemeindemitglieder, die dies möchten, öffnen in dieser Zeit eine ihrer Aktivitäten für Fremde. Wer das Stundengebet pflegt, Doppelkopf spielt oder häkelt, könnte dazu an einem festgelegten Termin in sein Wohnzimmer oder in einen Gemeinderaum einladen, erläutert sie. Wer gerne spazieren geht oder singt, lädt dazu in den Park ein. „Es kostet wenig Energie, weil jeder einmalig nur das anbietet, was er ohnehin tut“, befand Rita Kotzur und bot denen, die sich für die Idee erwärmten, an, die Koordination zu übernehmen. Nicht alle Gesprächsgruppen führten zu ebenso greifbaren Ergebnissen, doch alle Ideen und Anstöße werden festgehalten und weiter verfolgt. Hermann Heipiepers Anliegen wird im Pfarreirat ein Thema bleiben. Das Anliegen, zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken, soll dem bestehenden Arbeitskreis Ökumene übergeben werden.
Trotz erfrischender Gespräche  fragten sich einige der rund 30 Teilnehmer enttäuscht, warum sich nicht mehr Christen an den Zukunftsüberlegungen der Gemeinde beteiligt haben. Es sei zermürbend und wenig hilfreich, sich mit dieser Frage aufzuhalten, sagte Propst Giele und riet zu einem Perspektivwechsel: „Freuen Sie sich doch einfach, dass die Gemeinde es offensichtlich Ihnen zutraut, stellvertretend für alle diese wichtigen Themen zu beraten!“

Von Dorothee Wanzek