Frauen in der Kirche

Berufen, aber nicht geweiht

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Um Berufungen von Frauen geht es in einem Buch von Philippa Rath. Darin hat die Ordensfrau Texte von Frauen gesammelt, die in der Kirche tätig sind und sich berufen fühlen zur Diakonin und Priesterin. Auch Frauen aus dem Bistum Osnabrück berichten. Zum Beispiel Michaela Wachendorfer.


Eine Andacht zum Palmsonntag mit Michaela Wachendorfer wurde online gestellt, auf der Webseite der Pfarreiengemeinschaft an der Küste unter dem Stichwort Herzens_Anker. Foto: privat

Morgens um halb acht geht es los. Michaela Wachendorfer findet sich zur Meditation in der Kirche auf Juist ein. Manchmal ist sie dort ganz alleine, oft kommen Urlauber hinzu. Dann gibt sie eine Einführung, wie die Schweigemeditation ablaufen wird, schlägt den Gong und die Zeit der Sammlung und des Gebets kann beginnen. Es gefällt den Gästen, dass sie sich im Urlaub Zeit nehmen können für Gott. Ihr Alltag lässt ihnen dafür oft keinen Raum. Für Schwester Michaela dagegen gehört die tägliche Meditation zu ihrem Leben dazu, „außer samstags, da schlafe ich aus“, sagt sie und lacht.

Schwester Michaela ist als Pfarrbeauftragte die Leiterin der Gemeinde Zu den heiligen Schutzengeln auf Juist und für viele das Gesicht der katholischen Kirche auf der Insel. Sie ist Ansprechpartnerin für alle, die Glaubensfragen haben und Seelsorge benötigen, ob Urlauber oder Insulaner. Sie leitet Gottesdienste, bietet Gespräche an und begleitet Interessierte, die Meditation und Gebet für sich (neu) entdecken wollen. „Es muss heute viel mehr Leute geben, die etwas vom Gebet verstehen“, sagt sie. Es sei wichtig, die Menschen zu Gott zu führen, ihnen zu zeigen, wie sie im Gebet eine Beziehung zu Gott aufbauen können, meint Schwester Michaela, die vor ihrer Zeit auf Juist zusammen mit anderen Frauen ein Exerzitienhaus im Harz geleitet hat. 

Auf Juist haben sie 2009 zu zweit einen Anlaufpunkt für Stille und Gebet aufgebaut. Vor einigen Jahren ist ihre Mitschwester erkrankt und verstorben. Seitdem wohnt Schwester Michaela allein, in Corona-Zeiten lebe sie fast wie eine Eremitin, sagt sie. Vor der Pandemie gab es ein Kommen und Gehen, wie es in der Urlauberseelsorge üblich ist. 

Kurpriester kommen und gehen

Als Leiterin der Kirchengemeinde stößt sie immer wieder an Grenzen. Für die Messfeiern müssen Priester engagiert werden, die sich dann als Kurpriester einige Wochen auf der Insel aufhalten. „Das ist manchmal ein sehr angenehmes geschwisterliches Zusammenwirken, manchmal eine riesige Herausforderung an meine Geduld beziehungsweise Demut, wenn ich zum Beispiel das Empfinden habe, ich könnte das jetzt durchaus sehr viel besser da vorne am Altar“, schreibt Wachendorfer in ihrem Beitrag für das von Philippa Rath herausgegebene Buch „Weil Gott es so will“. 150 Frauen, die in der Kirche oder einem Orden tätig sind, schreiben darin auf Aufforderung von Philippa Rath über ihre Begabung zur Seelsorge und zu einem priesterlichen Leben, über ihre Berufung; einige von ihnen berichten anonym. 

Kontinuität in der Seelsorge entsteht auf Juist dadurch, dass die Menschen von Schwester Michaela begleitet werden. Es sei doch schade, dass sie nicht Priesterin sein könne, wie es bei den Protestanten möglich wäre, sagen die Leute zu ihr. Dass das in der katholischen Kirche nicht möglich ist, findet die 63-Jährige selbst schade: gerne würde sie Brot und Wein wandeln, weiß aber, dass dies ohne Priesterweihe nicht geht. Gerne würde sie auch die Personen selbst taufen, die sie in der Katechese auf die Aufnahme in die katholische Kirche vorbereitet hat, doch auch das darf sie nicht. Sie habe Bischof Franz-Josef Bode darum gebeten, ihr eine Trau- und eine Tauferlaubnis zu erteilen, sagt Wachendorfer, aber noch keinen Erfolg gehabt. Der Bischof wolle zunächst die Ergebnisse des Synodalen Wegs abwarten. Wachendorfers Ansinnen würde nicht gegen Kirchenrecht verstoßen: In der Schweiz dürfen Frauen als Gemeindereferentin in vier Bistümern regulär taufen und sind trauungsberechtigt.

Wachendorfer wuchs in einem katholischen Elternhaus auf. Mit etwa zehn Jahren begleitete sie ihre Mutter zu einer Messe mit Priesterweihe im Bistum Trier. Sie sah die Weihekandidaten während der Heiligenlitanei auf dem Boden liegen und wurde erfüllt von dem Wunsch, selbst einmal Priesterin zu werden. Lange überlegte sie, ob sie Theologie studieren solle, doch als die Zusage für den Medizinstudienplatz kam, entschied sie sich dafür, Ärztin zu werden. Nach dem Praktischen Jahr des Medizinstudiums trat sie in einen Franziskanerorden ein, der Krankenhäuser betrieb; die Facharztprüfung in Psychiatrie legte sie schon als Ordensschwester ab. Später verließ sie den Orden, um das Exerzitienhaus in Bad Sachsa zu leiten. Nach wie vor versteht sich die Medizinerin als Schwester. Und auch der Wunsch nach einem priesterlichen Leben blieb lebendig. Wenn sie geweiht werden könnte, würde sie das wahrnehmen.

Die katholische Kirche würde viel gewinnen, wenn sie Frauen weihen würde

Grundsätzlich, so sagt Michaela Wachendorfer, würde die katholische Kirche gewinnen, wenn sie Frauen zu Priesterinnen weihen würde, damit auch sie die Sakramente spenden können. „Wie viele Frauen würden wieder zur Beichte gehen, wenn sie wüssten, dass es bei einer Priesterin wäre?“, sagt Wachendorfer. Und auch die Deutung der Schrift durch Frauen in der Predigt könne ein Erkenntnisgewinn für viele Gottesdienstbesucher sein. So manches Mal habe sie beobachtet, dass ein Priester mit seiner Predigt die Menschen nicht erreichte, dass er an ihnen vorbeigepredigt und nicht gemerkt habe, wie die Stimmung im Gottesdienst war. Und sie habe gedacht: Wo ist hier die Freude am Glauben? Das sei vielleicht „so ein Mann-Frau-Ding“, dass viele Priester nicht erspürten, wie die Atmosphäre im Gottesdienst ist. Bei ihr hinterlässt das die Ansicht: Das hättest du jetzt aber besser gemacht. 

Dieses „Das hätte ich genauso gut gekonnt“, ist eine Erkenntnis, die viele Frauen teilen, die als Gemeinde- oder Pastoralreferentin arbeiten, Gottesdienste leiten, in der Seelsorge tätig sind und viel Zustimmung erfahren. Ihre Berichte finden sich in dem Buch von Philippa Rath, und auch die Vorurteile, die ihnen entgegenschlagen, werden benannt: „Die wollen doch nur die Macht“, heißt es über die Frauen, die sich das Recht herausnehmen, Fürbitten selbst zu schreiben und eine weibliche Sicht auf das Evangelium zu formulieren. Dabei machen viele von ihnen die Erfahrung: Am Pfarrer komme ich nicht vorbei, ob sie nun ausgebremst oder wohlwollend gefördert werden.

Andrea Kolhoff

Die Geschichten von zwei weiteren berufenen Frauen aus dem Bistum Osnabrück lesen Sie im aktuellen Kirchenboten.

 

Buchtipp: 

Philippa Rath (Hg.)
„Weil Gott es so will“ Frauen erzählen von ihrer Berufung zur Diakonin und Priesterin
Herder, 25 Euro.