Ansgar Hoffmann leitet das Seelsorgeamt im Bistum Görlitz
Beziehungen fördern
Ansgar Hoffmann in seinem neuen Büro in der Görlitzer Ossietzkystraße. Foto: Selfie |
Sie kannten das Bistum Görlitz ja schon ein bisschen, da Sie nicht weit entfernt in Bautzen wohnen und dort ja auch bisher als Referent im Bildungsgut Schmochtitz Sankt Benno gearbeitet haben. Welchen Eindruck haben Sie von Ihrem neuen Einsatzgebiet?
Bisher kannte ich Görlitz so gut, wie man ein Nachbarbistum eben kennt. Ich habe auf unterschiedlichen Gebieten mit Katholiken der ostdeutschen Bistümer zusammengearbeitet und dort auch Kontakte zu Menschen aus dem Bistum Görlitz geknüpft.
In meiner neuen Aufgabe habe ich begonnen, das Bistum tiefer und umfassender kennenzulernen. Ich bin bisher überall sehr freundlich aufgenommen worden und ich bin sehr gerne hier. Vieles wird es noch zu entdecken geben.
Ich nehme zunächst die starke Verwurzelung in der Historie als restschlesisches Bistum wahr, etwa in der Bedeutung, die die heilige Hedwig hier hat und im Anliegen der Brückenfunktion nach Polen. Ich nehme den geistlichen Reichtum und die große Vielfalt wahr, mit der die Christen hier in einer sehr extremen Diaspora ihren Glauben leben.
Das Seelsorgeamt ist bisher von Priestern geleitet worden, für eine kurze Zeit auch von einer unverheirateten Frau. Sie sind der erste Verheiratete, der diese Aufgabe übernimmt. Werden Sie Ihre Lebenserfahrung als Familienvater mit vier Kindern einbringen?
Sicher bringe ich meine persönliche Lebenssituation in diese Aufgabe mit ein: dass ich meinen Glauben in und mit meiner Familie lebe, wie auch spirituell in einer geistlichen Gemeinschaft verwurzelt zu sein.
Ich bin überzeugt, dass Familie für die Zukunftsform der Kirche sehr wichtig ist. Dabei geht es mir nicht in erster Linie und ausschließlich um das klassische Familienmodell aus Vater, Mutter und Kind, sondern um verlässliche Alltags-Lebensgemeinschaften als wesentliche Orte, an denen der Glaube gelebt wird. Sie sind „Hauskirche“.
Ich komme gerade von einem Erstkommunion-Familienwochenende unserer jüngsten Tochter. Dort ist mir wieder einmal deutlich geworden: Wenn Glaube ganz früh in der Familie selbstverständlich praktiziert wird, wenn Gott in der Familie und im Alltag mit „wohnt“, prägt das sehr tief, wie eine Muttersprache. Das würde ich gerne fördern, natürlich ohne andere Lebensformen außer acht zu lassen oder gar gegeneinander auszuspielen.
Dass es in der Kirche mittlerweile möglich ist, dass auch Laien gemeinsam mit Priestern Verantwortung tragen, freut mich. Übrigens bin ich in den ostdeutschen Diözesen unter den Seelsorgeamtsleiterinnen als Mann mittlerweile sogar in der Minderheit.
Kommt Ihnen auch die Erfahrung im Bildungsgut Schmochtitz Sankt Benno zugute?
Ich denke schon. In zwölf Jahren habe ich dort viel gelernt. Es wird mir helfen, dass ich dort mit Menschen aus unterschiedlichen Erfahrungsfeldern zusammengearbeitet habe und mich vernetzen konnte. Ich habe mich dort auch nie ausschließlich als Bildungsreferent verstanden, sondern immer auch als pastoraler Mitarbeiter, der einen kirchlichen Ort und damit Kirche mitgestaltet.
Nicht zuletzt konnte ich in Schmochtitz wertvolle Erfahrungen sammeln im Hinblick auf die Konzeption und Durchführung von Veranstaltungen. Das Seelsorgeamt bietet ja auch Veranstaltungen an als eine Art Dienstleister für vieles, was auf Pfarreiebene nicht oder nicht mehr möglich ist.
Nicht immer nehmen Gemeinden Seelsorgeämter nur als unterstützende Dienstleister wahr. Es gibt zuweilen auch Ärger über praxisferne Konzepte …
Damit ein solcher Eindruck nicht entsteht, ist es sicher wichtig, guten Kontakt zu pflegen mit allen, die in der Seelsorge arbeiten: in den Gemeinden, Orden, Bildungshäusern, geistlichen Gemeinschaften, zu Haupt- und Ehrenamtlichen. Das habe ich mir vorgenommen und ich hoffe sehr, dass es mir gelingen wird.
Natürlich habe ich auch manche Ideen für dieses Bistum und seine Zukunft. Die möchte ich aber auch in einer hörenden Haltung gemeinsam mit allen entwickeln, die hier Kirche sind.
Welchen Auftrag hat Ihnen die Bistumsleitung für Ihr neues Amt mit auf den Weg gegeben?
Aus den bisherigen Gesprächen habe ich ein Anliegen herausgehört, das auch mir wichtig ist: Wir sollten Menschen durch unsere Arbeit ermöglichen, gemeinschaftlich und persönlich wirklich eine lebendige Beziehung zu Christus zu leben.
Mir ist bewusst, dass dies in räumlich immer größer werdenden Pfarreien nicht einfach ist. Aber es ist entscheidend. Oft gibt es nur drei, vier Katholiken vor Ort. Da kommt es auf den Einzelnen an. Es kommt darauf an, aus dieser persönlichen Beziehung heraus den Glauben zu leben aus der Erfahrung und Überzeugung, dass Auferstehung nicht erst drei Tage nach unserem Tod beginnt, sondern im Hier und Jetzt schon eine lebensprägende und befreiende Bedeutung entwickelt. Oder dass mein Glaube auch in schwierigen Phasen meines Lebens trägt.
Damit dies gelingen kann, braucht es bei einer stärkeren Vereinzelung von Christen vermehrt Oasen- und Gemeinschaftserfahrungen. Hier kommen wir auch als Seelsorgeamt ins Spiel.
Eine wichtige Aufgabe im Bistum scheint es gerade zu sein, diejenigen, die auf Reformen in der Kirche drängen und diejenigen, die davor Angst haben, zusammen zu bringen und zu halten. Möchten Sie mit Ihrer Arbeit dazu beitragen?
Mir liegt es sehr am Herzen, Kirche als Gemeinschaft und in Vielfalt erfahrbar zu machen. Um weitere Polarisierungen zu verhindern, sollten wir uns auf unsere Mitte besinnen, die Christus ist. Eine Verinnerlichung des Ersten Korintherbriefs könnte uns hier vielleicht helfen. Wir sind ja nicht einfach nur ein Verein, der ein gutes Anliegen vertritt, sondern wir nennen uns Schwestern und Brüder.
Papst Franziskus versucht diesen Stil mit der Weltsynode zu befördern: gut und aktiv aufeinander zu hören, die Argumente der anderen anzuhören und sie erst einmal in Stille und im Gebet auf sich wirken zu lassen. Wir sollten auch wieder mehr lernen, den anderen mit Demut und Respekt zu begegnen.
Zur Demut gehört das Bewusstsein, dass mir auch in denjenigen, die andere Positionen vertreten, Christus im Nächsten gegenüber ist. Man muss sie nicht vorschnell einsortieren und sollte auch seine eigene Position hinterfragen und so lernfähig bleiben.
Aus Polen und aus anderen Ländern Zugewanderte machen inzwischen einen beträchtlichen Anteil der Görlitzer Katholiken aus. Haben Sie Ideen, wie Sie auch die erreichen können?
Zunächst scheint es mir wichtig, die vorhandenen Sprachbarrieren und kulturellen Unterschiede zur Kenntnis zu nehmen. Auch die Art und Weise, wie man Kirche „gelernt“ hat, unterscheidet sich ja und bildet religiöse Identität. Auf der einen Seite sollten wir den Menschen aus Polen eine Heimat bieten, damit sie ihre Spiritualität und ihre religiöse Kultur auch bei uns leben können. Gleichzeitig sollten wir immer wieder Begegnungsmöglichkeiten suchen und schaffen.
Wesentlich scheinen mir aber auch persönliche Kontakte zu sein, um das Fremdsein abzubauen. Gemeindemitglieder könnten vielleicht eine Art Patenschaft für einen Neuankömmling aus Polen übernehmen. Eine Familie, die einen Babysitter sucht, könnte eine polnische Jugendliche oder Großmutter fragen ... vieles ist möglich und wird bestimmt auch schon praktiziert. Ich weiß aus der Erfahrung mit sorbischen und deutschen Katholiken in Bautzen, dass es mitunter dicke Bretter zu bohren gilt, um zu einem guten Miteinander zu finden.
Aber wir sind eine Beziehungsreligion und sollten auch hier nicht müde werden, unsere Beziehungen zu- und miteinander zu pflegen. Gerade in den zwischenmenschlichen Beziehungen lebe ich ja auch meine Christusbeziehung. Diese beiden Formen sind nicht trennbar: Ich kann nicht Gott lieben ohne meinen Nächsten.
Das Kreuz als Zeichen des Christentums kann dafür bildhaft stehen und immer wieder Erinnerung sein: Meine Beziehung zu Gott (vertikal) ist mit den Beziehungen zu meinen Mitmenschen (horizontal) eng verknüpft. Übrigens habe ich begonnen, ein bisschen Polnisch zu lernen.
Interview: Dorothee Wanzek