Kontrahenten von einst diskutierten in Dresden

Brüche und Brücken

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Kontrahenten von einst diskutierten in Dresden: SED-Chef Egon Krenz und der Ständige Vertreter der Bundesrepublik in der DDR, Hans Otto Bräutigam.


Im Streitgespräch: Frank Richter, Egon Krenz, Hans Otto Bräutigam und Hans Joachim Maaz (von links). | Foto: Thomas Brose


„Wir müssen dem anderen einen Freiheitsraum zugestehen, ohne diesen schon selbst vorausbestimmt zu haben!“ In seinem Beitrag über „Das Zusammenleben und die Kooperation von Christen und Marxisten“ hat der Erfurter Philosoph Konrad Feiereis angesichts wachsender Spannungen in Europa bereits 1986 darauf hingewiesen, dass Toleranz eine Grundregel des Dialogs zwischen Weltanschauungen sein muss.
Weil wir in Zeiten leben, die mehr denn je von „Brüchen“ geprägt sind, hat sich der Dresdner Theaterkahn die Aufgabe gestellt, Gesprächspartner mit sehr unterschiedlichen Lebenswegen zusammenzubringen. Dabei geht es darum, nochmals neu über „Entscheidungen zwischen Irrtum, Weisheit und Ohnmacht“ nachzudenken. Besonders eindringlich gestaltete sich jetzt das Zusammentreffen von Egon Krenz (81), dem einstigen Generalsekretär der SED, mit dem früheren „Ständigen Vertreter“ der Bundesrepublik, Hans Otto Bräutigam (87). Dass eine solche Konstellation, die von Frank Richter (Stiftung Frauenkirche) sowie dem Psychoanalytiker Hans Joachim Maaz moderiert wurde, auch 29 Jahre nach der Friedlichen Revolution keineswegs selbstverständlich ist, belegt der Umstand, dass die Diskussion vor zwei Jahren schon einmal an Protesten gescheitert war.
„Wir wollen nicht verdammen, sondern in Dialog treten, so der Theologe Richter zu Egon Krenz. Der letzte Staatsratsvorsitzende stellte sich als waschechtes Produkt der DDR dar und lobte die staatliche Erziehung zu Frieden und Antifaschismus. Als ihn der Analytiker Maaz daraufhin fragte, was in den Seelen vorgegangen sei, als der SED-Staat spätestens in den 80er Jahren kaum noch in der Lage war, seine Bürger zu erreichen, nannte Krenz vor allem ökonomische Gründe („Reisen, Autos, Farbfernseher“). Dass das System im Osten Deutschlands nicht zuletzt wegen seiner Blindheit für nichtmaterielle Faktoren des Menschseins zugrunde gegangen sei, davon ist Bräutigam – von 1991 bis 1999 Justizminister in Brandenburg – überzeugt. Allerdings fügte er hinzu: Heute sei es wichtig, dass „Ostdeutsche, die die Mentalität kennen, in ihren Ländern in Leitungspositionen kommen.“
Zwar habe man Brüche nicht heilen können, aber vielleicht einige Brücken geschlagen, so Hans Joachim Maaz und Frank Richter am Ende der Diskussion.

Von Thomas Brose