Miriam Fricke mit Dienst als Gemeindereferentin beauftragt
„Chancen sehen und nutzen“
Die Herz-Jesu-Kirche in Bad Liebenwerda gehört zu den Orten, wo Gemeindererferentin Miriam Fricke Wortgottesfeiern leitet. Foto: Eckhard Pohl |
„Ich habe mir gewünscht, hier zu arbeiten“, sagt Miriam Fricke. Zwei Jahre ist die junge Seelsorgerin schon in der Pfarrei Bad Liebenwerda engagiert. Seit August 2018 hat sie hier ihre zweijährige Assistenzzeit und so den letzten Ausbildungsabschnitt zur Gemeindereferentin absolviert. Nun hat Bischof Gerhard Feige die 27-Jährige zum 1. September mit diesem Dienst in der Pfarrei Bad Liebenwerda beauftragt.
Dass sie sich für einen Einsatz im Osten des Bistums mit besonders wenig Christen und in einer Pfarrei mit Leitungsteam und ohne kanonischen Pfarrer meldete, hatte neben dem Wunsch, im ländlichen Raum arbeiten zu wollen, einen weiteren Grund: In ihrer Bachelor-Arbeit während ihres Studiums 2014 bis 2017 hatte sie sich mit der „Grundidee der Magdeburger Bistumsentwicklung“ vom Kirchesein
als „Schöpferische Minderheit“ auseinandergesetzt und nach deren biblischer Begründung gefragt. „Ich habe deutlich gemacht, warum es genauso wertvoll ist, Kirche mit drei Prozent der Bevölkerung zu sein wie wenn große Gemeinden bestehen. Überall, wo sich Menschen im Glauben versammeln, und sei es auch an einem ,öden‘ abgelegenen Ort, entsteht Kirche.“
Entsprechend machte sie sich 2018 in der 65 mal 35 Quadratkilometer großen Pfarrei mit ihren sechs Gemeinden Bad Liebenwerda, Falkenberg, Herzberg, Mühlberg, Schlieben und Uebigau an die seelsorgliche Arbeit. Mit ihrer Vorgängerin Gemeindereferentin Silvia Marx leitete sie den Firmkurs, gestaltete das damals von Zeit zu Zeit mittwochs stattfindende Angebot „Wachsen im Glauben“ mit, ging in Seniorenkreise, leitete Wortgottesfeiern, begann, ein Bibel-Teilen im Internet anzubieten, und pflegte in Corona-Zeiten mittels wöchentlichen Mutmachbriefen den Kontakt mit den Gemeindemitgliedern. Nicht zuletzt dabei erkannte sie, wie entscheidend eine gute Kommunikation zwischen den Gemeinden der Pfarrei als auch nach außen ist. Anstelle eines in der Corona-Zeit schwer möglichen „pastoralen Projekts“ zum Ende ihrer Ausbildung dachte sie schriftlich über „Chancen, Grenzen und Herausforderungen der digitalen Kirche“ nach und drängt auf entsprechende Veränderungen.
Zunnächst nach dem eigenen Glauben gefragt
Fricke stammt aus Dessau, wo sie mit drei Brüdern in einer evangelischen Familie aufwuchs. „Ganz klassisch: Christenlehre, Konfi(rmations)-Unterricht, dann erst einmal weg von der Kirche“. Durch einen Schulwechsel kam sie in einen katholischen Freundeskreis und die Pfarrjugend. „Mein Bruder und ich wurden liebevoll als die Quotenprotestanten bezeichnet.“ Sie war RKW-Helferin, Jugendsprecherin. „In dieser Zeit nahm ich an der Firmung einer Freundin teil und fand den Gottesdienst absurd und suspekt. Im Anschluss fragte ich: ,Was macht ihr da, wenn ihr kniet, wenn ihr steht? Betet ihr da wirklich?‘ Und dabei habe ich angefangen, mich mit meinem Glauben auseinanderzusetzen und viele Gespräche mit Bruder Michael von den Maristen und Gemeindereferentin Solveig Falke geführt.“
Nach der Schule begann sie eine Buchhändler-Lehre und fragte sich, „ob es der Sinn des Lebens sein könnte, vor allem Werbefachfrau zu sein“, da sie den Beruf vor allem so erlebte, möglichst viele Bücher verkaufen zu müssen. Während der Ausbildung war sie zu Theoriekursen in Frankfurt (Main). Beim Besuch einer Messfeier dort machte sie die Erfahrung, richtig zu Hause zu sein. „Sich auch anderswo in der Messe beheimatet zu fühlen, hat mich berührt“, erinnert sie sich. Auch deshalb entschloss sie sich, zu konvertieren, und empfing in der Osternacht 2013 Firmung und Erstkommunion. In ihrer evangelischen Gemeinde hatte sie immer das Gefühl gehabt, „keinen persönlichen Draht zu Gott finden“ zu können. Die Gottesdienste seien ihr eher wie kulturelle Weiterbildungen vorgekommen. Sie habe sich nicht zu Hause gefühlt.
Auf der Suche nach ihrem beruflichen Platz im Leben empfand Fricke den Dienst einer Gemeindereferentin als „sehr vielfältig“ und attraktiv. Außerdem böte eine entsprechende Ausbildung die Möglichkeit, ihren Glaubensfragen „tiefer auf den Grund zu gehen“, sagte sie sich. Bei einem spontan erbetenen Informationsgespräch mit dem Diözesan-Verantwortlichen Bernd Seifert fühlte sie sich „sehr wertgeschätzt und verstanden“. Sie entschied sich, zunächst das letzte Ausbildungsjahr zur Buchhändlerin zu absolvieren, und begann im Herbst 2014 an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Paderborn, Religionspädagogik zu studieren. Obwohl „die ostdeutsche Perspektive stärker vorkommen“ könnte, könne sie die dortige theologische und sozialraumbezogene pastoralpraktische Ausbildung einschließlich des einjährigen Lebens im Pauluskolleg nur empfehlen.
Nach zwei Jahren sei sie nun richtig in der Pfarrei Bad Liebenwerda angekommen und froh, bleiben zu dürfen, sagt die allein lebende Gemeindereferentin. „Ich genieße es, unter den hiesigen Bedingungen Zeit für die Einzelseelsorge zu haben und auf Situationen spontan reagieren zu können. In unseren kleinen Verhältnissen gilt: Wenn wir als Gemeinde zusammenkommen, tun wir das nicht nur aus Gewohnheit, sondern ziemlich bewusst, und erfahren dabei oft intensive Gemeinschaft und Tiefe im Glaubensaustausch.“
„Ich möchte die Diaspora-Situation als Chance verstehen“, so die Seelsorgerin. „Es gibt keine gottlosen Orte und Zeiten. Das zeigt etwa die Erzählung von Mose und dem brennenden Dornbusch, in der Gott die dortige Öde zu heiligem Boden erklärt. Entsprechend gilt es, die jeweiligen Möglichkeiten zu entdecken und zu nutzten.“
Von Eckhard Pohl