Anstoß 32/20

Danke sagen

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Ein handgeschriebener Zettel lag im Briefkasten. „Ihre Zeitschrift wurde heute nicht mitgeliefert. Wird noch zugestellt. Ihr Zusteller“.


Ich habe bisher noch nicht viel über die Arbeit von Zeitungszustellern nachgedacht, wie ich ohnehin vielleicht zu selten darüber nachdenke, wie viele Leute etwas tun, was für mich selbst das Leben angenehm, leichter, schöner und besser macht. Also ist das Thema dieses Anstoßes, einfach mal all den Menschen „Danke“ zu sagen; die durch Sonne Wind und Regen Zeitungen austragen, Müll wegräumen, Telefongräben graben und all die Tätigkeiten tun, die ich zwar nicht sehe, aber mitbekomme wenn sie fehlen; Arbeiten, ohne die vieles überhaupt nicht funktionieren würde.
Ist Dankbarkeit die vielleicht unterschätzteste „Gestaltungskraft“ in unserer Welt? Schade, dass wir eine der Möglichkeiten Gott zu begegnen, und die wir oft liturgisch feiern, fast nur mit ihrem griechischen Namen kennen: Eucharistie. Auf Deutsch heißt das schlicht und verständlich „Danke sagen“. Dort, wo das passiert, zeigt sich Gott. Und da ist das gemeinsame Brotbrechen und Wein trinken nur eine Form, Gott Dankbarkeit zu zeigen und Gottes Gegenwart zart zu spüren. Und wir dürfen hier durchaus weiter gehen: Wenn sich in einer Kultur der Dankbarkeit Gott zeigt, lässt das auch den Umkehrschluss zu. Wo Menschen keinen Blick füreinander haben, wo Dankbarkeit nur von anderen erwartet, aber nicht geschenkt wird, hat es Gott verflixt schwer.  
Machen wir es Gott doch leicht: Zeigen wir Dankbarkeit, seien wir aufmerksam, ob an der Ladenkasse, im Beruf, im Alltag. Halten wir unsere Augen und Ohren offen für das, was um uns herum passiert. Schreiben wir Leser- und Hörerbriefe nicht nur dann, wenn uns etwas stört oder aufregt, sondern reagieren wir mindestens genauso oft auch dann, wenn wir etwas für gelungen halten, wenn es uns erfreut.

Das macht unsere Gesellschaft deutlich besser als das Gejammer und Gemecker, dass meist viel lauter ist als die leise Sinfonie der Dankbarkeit. Wer dankbar ist, wer auf Anstrengungen, Mühen und Hürden anderer Menschen schaut, kann auch besser Kritik üben. Denn es fällt leichter, Kritik von jemanden anzunehmen, der das Ganze sieht und in der Lage ist, sowohl das Gelungene wie auch das Schiefgegangene im Blick zu haben.
 
Guido Erbrich, Biederitz