Kinder lassen sich auch für biblische Erzählungen begeistern
Darum brauchen Kinder Geschichten
Persönlich erzählte Geschichten sind wichtig, damit sich Mädchen und Jungen ihr Weltbild aufbauen können. Das sagt der Religionspädagoge Georg Langenhorst. Der Professor, der an der Uni Augsburg lehrt, misst Texten aus der Bibel eine besondere Bedeutung zu.
„Kinder brauchen keinen Katechismus, keine Merksätze, sondern den Zauber, das Wunderbare, das Magische von Erzählungen.“ Davon ist Georg Langenhorst überzeugt. Er lehrt als Professor Didaktik des katholischen Religionsunterrichts und Religionspädagogik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg. und spricht sich entschieden für die persönliche Vermittlung von Geschichten aus. „Im Internet gibt es oft abstruses Zeug“, sagte er. „Rechnen Sie mit allem Schlimmen!“ Langenhorst will durch eigenes Erzählen Chancen nutzen.
Dies schafft nach seiner Überzeugung Begegnung und Beziehung: „Es ist eine ganz intensive Situation, wenn Eltern ihren Kindern vorlesen oder erzählen.“ Eine besonders prägende Rolle nehmen nach seiner Erfahrung Großeltern ein. „Sie sind wichtige Vermittler, haben andere Chancen und eine andere Gelassenheit.“ Kinder brauchen Geschichten und Märchen, um ihr Weltbild aufzubauen und Phantasie zu entwickeln. Einen herausragenden Stellenwert nehmen Geschichten aus der Bibel ein. Langenhorst bezeichnet sie als „Weltaufbau-Geschichten“.
Wichtig ist die eigene Auseinandersetzung
„Schon kleine Kinder spüren, dass religiöse Erzählungen anders funktionieren“, ist Langenhorst überzeugt. Dabei gehe es oft um Nuancen: „Wenn uns die Geschichten selber wichtig sind, merken Kinder das – weil wir sie etwas anders vortragen.“ Dahinter steckt ein Anspruch an die Erzählerin oder den Erzähler: letztlich die Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben. Nach Erfahrung von Georg Langenhorst kann es vorteilhaft sein, bestimmte Geschichten aus der Bibel zu vereinfachen – vor allem wenn die Jungen und Mädchen noch im Kindergarten-Alter sind. In dieser Stufe können Nebenhandlungen oder Aktionen auf mehreren Ebenen irritieren. Auch brauchen kleine Kinder keine komplizierten Deutungen – die Inhalte stehen für sich und sollten noch nicht hinterfragt werden. Ironie verstehen die jüngsten Zuhörer noch nicht, ebenso wenig wie symbolische Deutungsweisen.
Das Sieben-Tage-Werk der Schöpfung zum Beispiel ist nach Langenhorst „ein wunderbares Grundraster, damit sich die Kinder in einer Phase ihres Lebens vorstellen können: So war das vielleicht am Anfang. Gönnen wir den Zuhörern ihre kindliche Weltsicht!“ Kinder spürten später, „dass das nicht ausreicht: Dann steht die Infragestellung an.“ Doch zunächst ist es Langenhorst zufolge angebracht, kleinere Kinder auf ihrer Entwicklungsstufe abzuholen. Das gilt auch für das Verständnis von Moralität. Für Kinder drücken sich Gerechtigkeit und Fairness konkret in Absprachen, Verträgen und Regeln aus. „Wie du mir, so ich dir“ oder „Versprochen ist versprochen“ – das kennen sie aus ihrem Alltag in Familie und Kita.
„Es ist für die Mädchen und Jungen stimmig, und das Verhalten übertragen sie auch auf Gott. Kinder müssen so denken“, sagt der Experte. Nimmt man ihnen diese Basis, können sie nach Langenhorst keine Gottesbeziehung aufbauen. Sein Appell: „Messen Sie die Kinder nicht zu früh an moralischen Ansprüchen!“
Annette Saal