Kirchenkrippe in Gotha will zum Handeln aufrütteln
Das Jesuskind im Alltagsmüll
Das Jesuskind, obachlos unter einer Plastikplane, Maria und Josef, die Hirten und die Tiere zwischen Verpackungsmüll. Fotos: Eckhard Pohl |
„Achtung! Weihnachten steht vor der Tür. In welche Welt wird Jesus geboren?“ hatte schon am 4. Advent vor der St. Bonifatius-Kirche in Gotha auf einem Aufsteller gestanden. Der sollte zusammen mit einigen Fotos zu Umweltthemen im Eingangsbereich der Kirche die Gottesdienstbesucher auf Unerwartetes vorbereiten: Denn vor dem Altarraum war – noch ohne Figuren – bereits die Weihnachtskrippe aufgestellt. In und um die Krippe hatten die Verantwortlichen leere Plastik- und Papierverpackungen, Blechbüchsen, einen ausrangierten Lapetop, sogar einen alten Autoreifen platziert.
Zu Weihnachten standen dann Maria und Josef, Ochs und Esel und die Hirten zwischen Schokoriegelverpackungen, leeren Getränke-Tetrapacks und Joghurtbechern. Das Jesuskind lag allein unter einer angedeuteten Plastikplane, wie sie in den Flüchtlingscamps dieser Welt zu finden sind. Und die Weisen aus dem Morgenland zogen an Fotos von Wüsten- und Krisenregionen vorbei bis vor eine Grenze aus Stacheldraht. Über der Krippe war ein von hinten erleuchteter Schirm in den Farben des Regenbogens angebracht: Zeichen des Neuanfangs für Noah und alles Lebendige in der Arche, heute auch Symbol der Lesben- und Schwulen-Community. Und hier an der Krippe zugleich der Stern von Betlehem. Außerdem war ein Plakat angebracht, auf dem in den Umrissen eines Elefanten vom Aussterben bedrohte Tierarten aufgelistet waren.
Das gehört nicht in die weihnachtliche Kirche
„Das gehört nicht in die Kirche.“ Und: „Das ist kein Hoffnungszeichen“, hätten einige Gottesdienstbesucher geäußert, sagt Gemeindereferentin Olivia Schäfer. Andere hätten betont: „Wir verstehen das Anliegen, brauchen aber nicht so viel Müll in der Krippe.“ Wieder andere, sie selbst auch, seien betroffen gewesen, dass das Jesuskind so isoliert oben über allem unter einer Plane liegt. Christine und Werner Garscha sind überzeugt: „Bei dieser Gestaltung ging die eigentliche Botschaft unter.“ Ihnen habe eine Mutter mit zwei kleinen Kindern leid getan, die vor der Krippe standen: „Was sollte sie ihren Kindern sagen?“ Außerdem richte sich die Botschaft an die Falschen, so eine Installation gehöre nach draußen.
Vertreter des Familienkreises und Gemeindereferentin Schäfer (hinten) an der Krippe in St. Bonifatius in Gotha. |
In Gotha ist jedes Jahr eine andere Gemeindegruppe verantwortlich, die Krippe aufzustellen. Diesmal war ein langjähriger Kreis von vier Ehepaaren an der Reihe. „Wir wollten mit der Gestaltung der Krippe aufrütteln“, sagt Harald Ipolt. „Wir sind die vorletzte Generation, blickt man auf die jungen Leute, denen der Klimawandel zu Recht große Sorgen macht.“ Eva Hafemann ergänzt: „Uns war das wichtig, weil es zehn nach zwölf ist.“ Es gelte zu handeln, zum Beispiel Müll zu vermeiden, fair gehandelte Produkte zu kaufen oder mit Fahrrad oder Zug statt dem Auto zu fahren. Auch die Situation der vielen Flüchtlinge und der Umgang mit queeren Menschen beschäftige den Familienkreis. Ipolt: „Ich hätte am liebsten an dem Stacheldrahtverhau, vor dem unsere Heiligen Drei Könige aufgehalten werden, noch eine Europa-Flagge angebracht.“
Pfarrer Wigbert Scholle rief in seiner Predigt am Heiligen Abend zu einer „Sperrmüllaktion im eigenen Herzen“ auf. Genauso wie es wichtig sei, „in der geschundenen Schöpfung aufzuräumen und dafür zu sorgen, dass sie sich wieder erholen kann“, sei es auch nötig, im eigenen Leben die Berge von Unrat aus alten Vorurteilen, Abneigungen, Halbwahrheiten und Verärgungen zu beseitigen.
Jeder Einzelne ist gefordert
Ob man sich durch die provozierende Gestaltung der Krippe anregen lässt, mehr für die Bewahrung der Schöpfung zu tun, sei Sache jedes Einzelnen, sagt Scholle. Letztlich sei zu hoffen, dass es neue Techniken ermöglichen werden, umweltfreundlicher zu leben. Eingebettet in die jährlich wiederkehrende Feier der Weihnacht sei es aber sicher möglich, die Krippe auch mal so zu verheutigen.
Gemeindereferentin Schäfer konfrontierte um Weihnachten herum Kinder und Jugendliche mit der Krippe, um mit ihnen darüber zu sprechen. „Ich habe den Eindruck, dass die Menschen registrieren, dass es mit den Klimaveränderungen ernst ist und dass wir was tun müssen. Letztlich kann uns aber wohl nur Gott aus den vielen Problemen retten.“
Von Eckhard Pohl