Spirituelles Leben soll auch ohne Dominikanerinnen weitergehen
Das Licht soll weiter brennen
Ende August verließen die Dominikanerinnen die Berliner Klinik St. Dominikus. Seelsorgerin Corina Martinas beschreibt die Folgen für das spirituelle Leben – und erklärt, warum sie mit Blick auf die Zukunft optimistisch ist.
Seelsorgerin Corina Martinas in der Krankenhauskapelle von St. Dominikus. Foto: Stefan Schilde |
Wie eng die Geschichte der St.-Dominikus-Klinik in Berlin-Reinickendorf von Beginn an mit den Arenberger Dominikanerinnen verbunden war, davon zeugt eine Erzählung aus der Zeit vor der Errichtung: Beinahe schon verzweifelt hatten die Ordensschwestern auf die Baugenehmigung gewartet. Eines Abends gingen zwei Postulantinnen in den Wald auf dem Grundstück. Sie vergruben eine Flasche, gefüllt mit einer Figur des heiligen Josef, dem Patron der Baumeister, und beteten. Etwa zwei Wochen später, heißt es, kam die Genehmigung.
Seitdem, sagt die katholische Krankenhausseelsorgerin von St. Dominikus, Corina Martinas, hätten die Schwestern das Krankenhaus zutiefst geprägt. „Mit ihrer Ordenstracht, mit der sie jederzeit erkennbar waren. Und natürlich mit ihrem Wirken, nicht nur in der Seelsorge, sondern auch als Krankenschwestern und in der Verwaltung.“
Schwestern haben tiefe Spuren hinterlassen
Jahrezehntelang waren es stets um die dutzende Dominikanerinnen, die hier lebten. Ihre Gräber findet man heute aneinandergereiht auf dem benachbarten Friedhof. Zuletzt waren nur noch vier Schwestern vor Ort. Es rückte einfach kein Nachwuchs mehr nach. Ende August verließen sie die Klinik und zogen in größere Konvente in Arenberg und Oberhausen. „Wir hätten uns gewünscht, dass die Schwestern bei uns geblieben wären, aber die Entscheidung ist nun einmal so gefallen“, sagt Corina Martinas.
Durch ihren Weggang sei eine Lücke entstanden, die nur schwer zu füllen sei. Die Schwestern hätten vielleicht nicht die große pastoraltheologische Ausbildung gehabt, sagt die Seelsorgerin. Dafür aber umso mehr Ausstrahlung. „Prälat Dybowski sagte beim Abschiedsgottesdienst treffend: Ihr Leben und Wirken hier war wie eine einzige Predigt.“
Zu den besonders prägenden Figuren zählt die Seelsorgerin Schwester Damiana, die es verstanden habe, alle Patienten zu erreichen – auch solche ohne christlichen Bezug. „Sie hatte immer ihre Mundharmonika dabei, wenn sie die Patienten besuchte. Musik bedeutete für sie Präsenz. Dazu bot sie den Patienten an, eine Kerze für sie in der Kapelle anzuzünden. Denn an das Licht als Symbol glauben sie alle.“ Noch heute würden ihr frühere Patienten schildern, welche große Wirkung Schwester Damiana auf ihr Leben hatte.
Spiritualität soll weiter lebendig bleiben
Doch wie geht es nun weiter, ohne die Dominikanerinnen? Viele Mitarbeiter, sagt Seelsorgerin Corina Martinas, seien tieftraurig gewesen, für manche sei geradezu eine Welt zusammengebrochen. Doch recht schnell sei der Wunsch zum Ausdruck gekommen: Es reicht uns nicht, dass in jedem Raum der Klinik ein Kreuz an der Wand hängt. Spiritualität soll weiter gelebt werden – wenn auch in anderer Form als zu Zeiten der Ordensschwestern.
„Grundlegend müssen wir uns darüber klar werden, welches spirituelle Profil wir anbieten wollen“, sagt Corina Martinas. Die Ordensschwestern hätten bis zu fünfmal am Tag gebetet und seien einmal im Jahr in Exerzitien gegangen. Das habe ihr Leben und auch ihr Wirken geprägt. Der Seelsorgerin stelle sich daher die Frage: „Wenn wir heute als Seelsorgende jedoch nicht in einem Konvent und nach den Horen leben, wie ist dann unsere tägliche spirituelle Praxis? Bildlich gesprochen: Wie nähren wir das Licht in uns, um es weiterzugeben?“ Auf der Suche nach der Antwort, sagt sie, „haben wir jetzt sehr viel Freiheit. Und Freiheit birgt zwar die Gefahr der Nachlässigkeit. Aber sie ist auch eine große Chance.“
Ein Beispiel dafür, wie man Menschen auch in der modernen Gesellschaft erreichen kann, ist für sie der „Raum der Stille“. Er soll für Personal und Patienten eine Oase sein, in der sie Abstand vom hektischen Alltag nehmen können. „Jeder kann hier Ruhe und Einkehr finden, über das Gebet oder das Anzünden einer Kerze. Oder einfach nur in Stille“, so Martinas.
Es geht nur mit der Beteiligung aller
Sie ist zuversichtlich, dass der Wandel gelingt. Auch weil sich viele freiwillig einbringen. „Zur Blütezeit der Ordensgemeinschaften konnte die Krankenhausseelsorge ‚von Tür zu Tür‘ stattfinden. Heute ist die Rufbereitschaft für Intensivfälle besonders wichtig“, sagt Corina Martinas. „Meine evangelische Kollegin, Pfarrerin Alke Witte, und ich sind sehr froh, dass wir in letzter Zeit neue, engagierte Ehrenamtliche gewinnen konnten. Als geschulter Besuchsdienst sind sie verlängerter Arm der hauptamtlichen Seelsorge. Sie helfen uns dabei, eine regelmäßige spirituelle Präsenz zu erhalten.“
Auch an anderer Stelle konnte schon etwas bewegt werden. „Als ich vor zwei Jahren hierher kam, gab es beispielsweise gar keinen Gottesdienst mehr. Einerseits wegen Corona, andererseits aber auch, weil sich das Ordensleben der Schwestern aus gesundheitlichen Gründen verändert hatte.“ Zusammen mit der Pfarrei St. Franziskus und der Klinikgeschäftsleitung konnte eine Lösung gefunden werden, dank der jeden Donnerstag wieder Gottesdienst in der Krankenhauskapelle gefeiert werden kann.
Für Corina Martinas sind diese Gottesdienste ein gutes Beispiel für das Engagement vieler: „Früher gab es einfach die Möglichkeit, täglich die Messe zu feiern. Man musste im Grunde nichts dafür tun. Das hat sich geändert“, sagt sie. „Die heutigen Gottesdienste hier bei uns hingegen sind das Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung. Wenn wir nun in die Messe gehen, wissen wir das noch mehr zu schätzen.“
Von Stefan Schilde