Katholische Akademie Berlin erinnert an Uwe Wulsche

Das Wunder wächst aus der Angst

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Bei einer Veranstaltung in der Katholischen Akademie in Berlin ist an den Priester, Dichter und Mystiker Uwe Wulsche erinnert worden.

Bei der Gedenkveranstaltung für Uwe Wulsche in der Katholischen Akademie in Berlin: Akademie-Direktor Joachim Hake, Pfarrvikar Christoph Karlson, Schriftsteller Jürgen Israel. | Foto: Thomas Brose
 
Da hat einer mit Hängen, Würgen und unter Schmerzen gelernt, dass er in der Dunkelheit seinen Gott anrufen und dabei seine persönliche Geschichte vor ihn bringen kann: Der Priester Uwe Wulsche (1954-2016) hat dies gewagt. Er hat sein schwer behindertes Leben in die Waagschale geworfen und sich mit starken Worten immer wieder an den verborgen-anwesenden Gott gewandt: als Seelsorger, als Dichter – und  als  Mystiker. 
 
Eines seiner Gedichte trägt den Titel „ich“:
der seelenwinter schmerz
der sprung in der
irdenen schüssel
innen bemalt mit der farbe
des himmels
außen rau
unvollendet
wer nach innen schaut
findet
nichts
als himmel.
 
Wer von außen auf dieses Leben blickte, sah zuerst die „irdene Schüssel“, also jemanden, der seine Existenz vom Rollstuhl aus zu meistern hatte. Aufgrund einer Viruserkrankung, die sein Rückenmark befallen hatte, hatten dem 25-jährigen die Beine amputiert werden müssen. Dass es dem langjährigen Seelsorger am Berliner St.-Hedwigs-Krankenhaus augenscheinlich auf besondere Weise gelungen ist, sein Leben zu meistern – zuvor hatte er nicht nur zwei Jahre als Theologiestudent im Krankenhaus überstehen, sondern danach auch drei Jahre lang dafür kämpfen müssen, „trotzdem“ geweiht zu werden – das bezeugte kürzlich in der Katholischen Akademie in Berlin ein bis zum letzten Platz gefüllter Gedenkabend für Uwe Wulsche, der im Zeichen des von ihm im Jahr 2014 publizierten Bandes „Brevier“ stand.
 
Wulsche lehnte eine Sonderstellung ab
Wie Christoph Jan Karlson, langjähriger Freund und Weggefährte, heute Pfarrvikar in Potsdam, erzählte, wollte „Uwe nicht als Priester ohne Beine bemitleidet werden,“, sondern lehnte für sich jede Sonderstellung ab. Er konnte auf „seine schroffe Berliner Art dabei ganz klar sein.“
Anhand von literarischen Texten, Gebeten und Gedichten des Priesters, Dichters und Mystikers begründete der Schriftsteller und Lektor Jürgen Israel seine Einschätzung: „Wulsches Werk, angesiedelt im Umkreis des Kreuzes, ist in seiner Radikalität in der deutschsprachigen Lyrik nur mit dem von Christine Lavant vergleichbar.“ Seine „lateinische Klarheit und Lakonizität“, so Israel weiter, unterscheide ihn von anderen christlichen Dichtern der Gegenwart wie Dorothee Sölle oder Silja Walter. „Seine Lyrik und Segenstexte verbinden das Alltägliche und das Mystische – ich glaube, sie werden bleiben wie zum Beispiel das Gedicht ‚einladung in die finsternis‘“:
 
alles wichtige geschieht
nachts
da wächst das wunder aus der
angst
als brauchte gott
zum schaffen scham
im finstern an der quelle
trinken und werden
damit ich bin
zum absturz eingeladen
damit ich ankommen kann.

Der Band „Brevier“ wurde von Jürgen Israel, Thomas M. Kumlehn und Peter Rogge herausgegeben. Erhältlich in der katholische Buchhandlung Sonnenhaus, Linienstraße 100, 10115 Berlin.
 
Von Thomas Brose