Erfurter Philosoph und Priester Konrad Feiereis
Dem Stern von Betlehem folgen
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Im Januar wäre der Erfurter Philosoph und Priester Konrad Feiereis 90 Jahre alt geworden. Als Gesprächspartner lehrte er vor allem junge Christen in der DDR die argumentative Auseinandersetzung mit dem atheistischen Marxismus.
„Ob die jungen Leute das wirklich verstehen?“ Es waren die Zweifel und Ängste junger Menschen, die Konrad Feiereis (1931-2012) nicht zur Ruhe kommen ließen. Darum nahm er gern ein oder zwei seiner „Spezialstudenten“ als Unterstützung mit zu Vorträgen und Diskussionen.
Dass der junge Dozent und spätere Professor (1968-1997) am Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt in der DDR unterwegs war, um über das Zusammenleben von Christen und Nichtchristen zu diskutieren, blieb den Mächtigen keineswegs verborgen. In den 1983 von der Staatssicherheit verfassten „Grundorientierungen“ zur Kirchenthematik wurde er deshalb als „führender Wissenschaftler“ der Gegenseite bezeichnet. Immer wenn es hieß: „Feiereis kommt“, waren die Plätze in Jugendhäusern sofort ausgebucht. Wo der Philosoph und Marxismus-Experte auftrat, herrschte knisternde Atmosphäre: Wo beginnt die Lüge? Wie kann ich in dieser Gesellschaft leben? Was müssen wir für den Frieden tun?
Was ich als junger Mensch damals zu ahnen begann, hat sich in den letzten drei Jahrzehnten bestätigt: Das gemeinsame Unterwegssein mit „dem Professor“ erwies sich als lebensprägend. Mich hat er auf die Spur gebracht, jenem Stern zu folgen, den er uns gezeigt hat.
Dass der junge Dozent und spätere Professor (1968-1997) am Philosophisch-Theologischen Studium in Erfurt in der DDR unterwegs war, um über das Zusammenleben von Christen und Nichtchristen zu diskutieren, blieb den Mächtigen keineswegs verborgen. In den 1983 von der Staatssicherheit verfassten „Grundorientierungen“ zur Kirchenthematik wurde er deshalb als „führender Wissenschaftler“ der Gegenseite bezeichnet. Immer wenn es hieß: „Feiereis kommt“, waren die Plätze in Jugendhäusern sofort ausgebucht. Wo der Philosoph und Marxismus-Experte auftrat, herrschte knisternde Atmosphäre: Wo beginnt die Lüge? Wie kann ich in dieser Gesellschaft leben? Was müssen wir für den Frieden tun?
Was ich als junger Mensch damals zu ahnen begann, hat sich in den letzten drei Jahrzehnten bestätigt: Das gemeinsame Unterwegssein mit „dem Professor“ erwies sich als lebensprägend. Mich hat er auf die Spur gebracht, jenem Stern zu folgen, den er uns gezeigt hat.
Gegen die Musealisierung des Christentums
Mit dem Philosophisch-Theologischen Studium verfügte die Katholische Kirche in Ostdeutschland über die intellektuelle Kapazität, ein eigenständiges Profil auszuprägen und offensiv gegen die Musealisierung des Christentums durch den „wissenschaftlichen Atheismus“ vorzugehen. Mehr als 2000 Studenten und einige Studentinnen hörten dort zu DDR-Zeiten Vorlesungen, über 900 Priester und Ordensleute wurden auf ihren Dienst vorbereitet. In Gestalt von Konrad Feier-
eis begegneten viele dort erstmals einem in der DDR nur selten anzutreffenden Typus: dem des Priesters, Professors und Analytikers der zweiten deutschen Diktatur, bei dem sich Glaubende wie Nichtglaubende Rat und Beistand holten.
„Am 1. September 1953 überschritt ich zum ersten Mal die Grenze, die beide deutsche Staaten voneinander trennte“, erinnerte sich Feiereis rückblickend. „Ich fand mich am Ende meiner Bahnfahrt unter dem Ortsschild ‚Stalinstadt‘, früher Fürstenberg, wieder, plötzlich hineingeworfen in eine völlig andere Welt.“ Diese Erfahrung des Hineingeworfenseins machte ihn zum sensiblen Zeitdiagnostiker, dem wie dem Priester, Religionsphilosophen und Theologen Romano Guardini Melancholie und Schwermut keineswegs fremd waren.
Herausragend war die Rolle, die der Erfurter Philosoph als Konsultor des vatikanischen Sekretariats bei den Dialogbemühungen anlässlich des „Internationalen Wissenschaftlichen Kolloquiums“ 1986 in Budapest spielte. „Es ist als das größte und bedeutendste Dialogtreffen zwischen Vertretern der katholischen Kirche und des Kommunismus in die Geschichte eingegangen“, erklärte Feiereis und sorgte mit seinem Vortrag über „Zusammenleben und Kooperation von Christen und Marxisten in der Gesellschaft“ in der Katholischen Kirche der DDR für Furore.
Mit dem Philosophisch-Theologischen Studium verfügte die Katholische Kirche in Ostdeutschland über die intellektuelle Kapazität, ein eigenständiges Profil auszuprägen und offensiv gegen die Musealisierung des Christentums durch den „wissenschaftlichen Atheismus“ vorzugehen. Mehr als 2000 Studenten und einige Studentinnen hörten dort zu DDR-Zeiten Vorlesungen, über 900 Priester und Ordensleute wurden auf ihren Dienst vorbereitet. In Gestalt von Konrad Feier-
eis begegneten viele dort erstmals einem in der DDR nur selten anzutreffenden Typus: dem des Priesters, Professors und Analytikers der zweiten deutschen Diktatur, bei dem sich Glaubende wie Nichtglaubende Rat und Beistand holten.
„Am 1. September 1953 überschritt ich zum ersten Mal die Grenze, die beide deutsche Staaten voneinander trennte“, erinnerte sich Feiereis rückblickend. „Ich fand mich am Ende meiner Bahnfahrt unter dem Ortsschild ‚Stalinstadt‘, früher Fürstenberg, wieder, plötzlich hineingeworfen in eine völlig andere Welt.“ Diese Erfahrung des Hineingeworfenseins machte ihn zum sensiblen Zeitdiagnostiker, dem wie dem Priester, Religionsphilosophen und Theologen Romano Guardini Melancholie und Schwermut keineswegs fremd waren.
Herausragend war die Rolle, die der Erfurter Philosoph als Konsultor des vatikanischen Sekretariats bei den Dialogbemühungen anlässlich des „Internationalen Wissenschaftlichen Kolloquiums“ 1986 in Budapest spielte. „Es ist als das größte und bedeutendste Dialogtreffen zwischen Vertretern der katholischen Kirche und des Kommunismus in die Geschichte eingegangen“, erklärte Feiereis und sorgte mit seinem Vortrag über „Zusammenleben und Kooperation von Christen und Marxisten in der Gesellschaft“ in der Katholischen Kirche der DDR für Furore.
Argumentieren auch für die Nichtchristen
Unter seiner Federführung konnte sich im Lauf der Zeit eine regelrechte „Erfurter Schule“ entwickeln. Von seinen Studenten verlangte er dabei stets, auch für die „Andern“, die Nichtchristen und Atheisten, zu argumentieren. Gegen Ende seines Lebens hat Feiereis eine Bemerkung gemacht, die seine Bedeutung für die Kirche und ihre Bischöfe in ein neues Licht rückt: „Kardinal Meisner, mit welchem ich einen größeren Disput hatte, der aber fair beigelegt wurde, zog mich heran zu einem wichtigen Dienst anlässlich des Katholikentreffens in Dresden am 12. Juli 1987. Dort sprach er auch das Wort, das in die Geschichte eingegangen ist“: „Wir wollen keinem anderen Stern folgen als dem von Betlehem.“
Mir bleibt Konrad Feiereis, der in diesem Januar 90 Jahre alt geworden wäre, als der in Erinnerung, der viele im Osten Deutschlands gelehrt hat, dem Stern von Betlehem zu folgen.
Unter seiner Federführung konnte sich im Lauf der Zeit eine regelrechte „Erfurter Schule“ entwickeln. Von seinen Studenten verlangte er dabei stets, auch für die „Andern“, die Nichtchristen und Atheisten, zu argumentieren. Gegen Ende seines Lebens hat Feiereis eine Bemerkung gemacht, die seine Bedeutung für die Kirche und ihre Bischöfe in ein neues Licht rückt: „Kardinal Meisner, mit welchem ich einen größeren Disput hatte, der aber fair beigelegt wurde, zog mich heran zu einem wichtigen Dienst anlässlich des Katholikentreffens in Dresden am 12. Juli 1987. Dort sprach er auch das Wort, das in die Geschichte eingegangen ist“: „Wir wollen keinem anderen Stern folgen als dem von Betlehem.“
Mir bleibt Konrad Feiereis, der in diesem Januar 90 Jahre alt geworden wäre, als der in Erinnerung, der viele im Osten Deutschlands gelehrt hat, dem Stern von Betlehem zu folgen.
Von Thomas Brose