Franziskanerkonvent in Berlin-Wilmersdorf wird geschlossen

Den neuen Wegen vertrauen

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Nach 34 Jahren wird der Franziskanerkonvent in St. Ludwig, Berlin-Wilmersdorf, im Sommer geschlossen. Pater Maximilian, Pfarrer der Gemeinde, haderte zunächst mit diesem Beschluss, ist nun aber guter Dinge.

Die Brüder in Wilmersdorf (von links): Josef Schulte, Damian Bieger, Norbert Just und Maximilian Wagner.    Foto: Marian Duryn

Die Entscheidung steht: Pater Maximilian wird seinen Kreuzgang verlassen müssen. Mit diesem meint er den Kurfürstendamm und den Ludwigkirchplatz, weil dort alltägliche Begegnung, Freude am Leben und echte Gottessuche stattfinden.
Pater Maximilian gibt zu, dass er anfangs überhaupt nicht glücklich war. Für ihn sei die Entscheidung des Provinzials in München, dem Stammsitz der Franziskaner in Deutschland, aus heiterem Himmel gefallen. Doch die Argumente für die Auflösung leuchteten ihm ein: Nach der Zusammenlegung von St. Ludwig mit der Gemeinde Albertus Magnus vor einigen Jahren soll nun auch die Pfarrei Maria unter dem Kreuz – mit St. Marien, Heilig Kreuz und der Kapelle des St. Gertrauden-Krankenhauses – hinzukommen. Bislang zählt St. Ludwig 11 000 Gemeindemitglieder, hatte sehr gut besuchte Gottesdienste und gilt in Berlin als Promi-Kirche. Nach der Zusammenlegung mit Maria unter dem Kreuz entsteht eine Großpfarrei mit rund 20 000 Mitgliedern. Es steht auch bereits fest, dass die Franziskaner die Großpfarrei nicht leiten sollen.
Das schwerwiegendste Argument für die Entscheidung war allerdings, dass dem Orden, der sich an Franz von Assisi orientiert, der Nachwuchs fehlt. 2010 zählte der Orden in Deutschland noch 380 Brüder. Inzwischen sind es nur noch 220. Und der Altersdurchschnitt liegt bei 68 Jahren. Die Franziskaner müssen also sehen, wie die vorhandenen Patres über Deutschland verteilt werden können. Ein kleiner Trost für die vier Franziskaner von St. Ludwig ist außerdem, dass der Standort in Berlin-Pankow mit der von Franziskanern betriebenen Suppenküche erhalten bleibt.

Nach Schockstarre folgt Geist des Aufbruchs
Guter Dinge trotz des Wegzugs bleibt Pater Maximilian zudem, weil er die Gemeinde für die Zukunft gut aufgestellt sieht. Nach zwei, drei Monaten Starre aufgrund der einschneidenden Entscheidung sei ein neuer, frischer Geist entstanden und die Bereitschaft, einen neuen Pfarrer tatkräftig zu unterstützen. Denn auf Thomas Pfeifroth, derzeit in Neukölln-Süd tätig, kommt mit der Großpfarrei eine Menge Arbeit zu. Damit kann ihn die große Gemeinde nicht allein lassen. Sie muss sich künftig noch stärker einbringen. Pater Maximilian wünscht ihm einen tüchtigen Kaplan zur Verstärkung.
„Ein gut bestelltes Haus“, werde er dem neuen Pfarrer übergeben, spricht Pater Maximilian im Bild. Die rote Backsteinkirche auf dem Ludwigkirchplatz aus dem Jahr 1897, die zwischenzeitlich renoviert wurde, das instandgesetzte Gemeindezentrum, der Kindergarten, die Schule. „Darüber kann sich der neue Pfarrer freuen“, sieht der scheidende Pfarrer die 34-jährige Erfolgsgeschichte der Franziskaner, zu der die beiden Senioren Pater Norbert und Pater Josef wesentlich beigetragen haben. Über 60 beziehungsweise 50 Jahre seien sie im Weinberg des Herrn tätig gewesen.
Für den gebürtigen Ingolstädter waren seine sieben Jahre Berlin ein Lernprozess und die berühmte Berliner Schnauze anfangs gewöhnungsbedürftig. „Ich habe viele nette Berliner kennengelernt. Ja, die Berliner schießen manchmal ganz ordentlich, da muss man auch zurückschießen können.“
Ein Oberbayer in Berlin, war das ein Kulturschock? Pater Maximilian hat seine eigenen Erfahrungen gemacht. Man sage Berlin nach, dass es eine gottlose Stadt sei. „Das finde ich nicht. Berlin hat ja viele Gotteshäuser, da nehme ich Moscheen und Synagogen dazu.“ Charlottenburg-Wilmersdorf sei mit 100 000 evangelischen und katholischen Christen das mitgliederstärkste Dekanat in Berlin. Er halte es gerne mit dem Autoren Andreas Knapp: „Unsere Stadt ist unser Kloster und die belebten Straßen sind unser Kreuzgang.“ Der Kreuzgang von Pater Maximilian ist daher auch das lebendige Berlin außerhalb der Klostermauern.

Besitz reduzieren, doch Erinnerungen bewahren
Die Franziskaner in ihren braunen, schmucklosen Kutten verstehen sich als Wanderprediger. Das heißt, alle sechs bis neun Jahre ziehen sie weiter an eine neue Wirkungsstätte. „Das hält die Gemeinde frisch“, weiß Pater Maximilian der aktuellen Entscheidung weiterhin Gutes abzugewinnen. Er überlegt jetzt, was ins Gepäck kommt, wenn er Berlin verlassen wird: „Ein paar Adressen, Fotos, innere Fotos, Begegnungen, Erlebnisse.“ Reduzieren, verschlanken lautet seine Devise. Einen Teil seiner Bücher will er an die Berliner Bücherkiste geben. Einige Erinnerungen haben sich ihm eingebrannt. Der Morgenkreis in der Kita, wo er Akkordeon gespielt und dafür bei einem Gemeindemitglied Unterricht genommen hat. Weiterhin erinnere er sich an die rund 50 Firmlinge und 100 Kommunionskinder jährlich.

Nicht an Vergangenem hängen bleiben
Was hat er in Berlin theologisch gelernt? „Was es heißt, Pfarrer zu sein, mich in eine Gemeinde zu verlieben und ihr Herzblut zu geben“, bilanziert er, für den St. Ludwig nach anderen Stationen die erste Pfarrstelle war. Sein Vorsatz: Er will die Freiheit haben, nicht an der Vergangenheit hängen zu bleiben, sondern gestärkt von dem, was hier gut gelungen ist, auf eine neue Aufgabe zuzugehen.
Wohin es Pater Maximilian verschlagen wird? Weiß er noch nicht. Vermutlich nach Bayern. Aber erstmal will er in einem halben Sabbat-Jahr durchatmen. Für seine Mitbrüder ist die Zukunft schon klarer: Pater Damian führt es nach Dortmund, Pater Norbert wird in ein Berliner Altenheim ziehen und auch Pater Josef wird in der Bundeshauptstadt bleiben.
Pater Maximilian will der zurückgelassenen Gemeinde mit einem ökumenischen Lied Zuversicht schenken: „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist, weil Leben heißt: sich regen, weil Leben wandern heißt. Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land.“ (GL 395,1)

Von Almut Lüder