Kirchenmusiker bringt Musik zu den Gemeindemitgliedern
Den Rahmen kreativ nutzen
Kirchenmusiker Jacobus Gladziwa auf der Dachterasse der St.-Ludwigs-Kirche. Foto: Cornelia Klaebe |
Sein erstes Jahr als Kirchenmusiker an St. Ludwig in Berlin-Wilmersdorf hat Jacobus Gladziwa fast komplett im Corona-Modus verbracht. Wer jetzt glaubt, der 32-Jährige ließe die Ohren hängen, täuscht sich: „Wir leben in einer bestimmten Zeit, aus der wir das Beste machen müssen“; ist er überzeugt.
Nachdem er diese Stelle am 1. Januar 2020 antrat, blieb ihm nicht viel Zeit, um die Gemeinde „normal“ kennenzulernen: Bereits Mitte März verbot der Berliner Senat wegen der Corona-Pandemie öffentliche Gottesdienste. Im Mai wurden diese zwar wieder erlaubt, das Schutzkonzept des Erzbistums sah aber vor, auf Gemeindegesang zu verzichten und schränkte auch die Chöre ein auf maximal „fünf Einzelstimmen“, die in einem Gottesdienst zusammen singen durften. Keine normale Situation also für einen jungen und hochmotivierten Kirchenmusiker auf einer neuen Stelle in einer aktiven Großstadtgemeinde.
13 Gottesdienste in 13 verschiedenen Chorbesetzungen
Statt nun den Kopf in den Sand zu stecken, setzte Jacobus Gladziwa auf die verbleibenden Möglichkeiten: „Es ist eine Frage der inneren Einstellung. Ich habe den vorhandenen Rahmen genutzt, um kreativ zu werden.“ Also kümmerte er sich darum, die Gemeinde auch weiterhin mit Musik zu versorgen: Je nach Situation und Rechtslage organisierte er Orgelkonzerte und Kammermusik als Video im Internet oder live in der Kirche und teilte den 70-köpfigen Kirchenchor in kleine Gruppen, die gemeinsam probten und wenn möglich in den Gottesdiensten sangen.
„Die 13 Weihnachtsgottesdienste in St. Ludwig wurden von 13 verschiedenen Besetzungen mitgestaltet“, berichtet er stolz. Dadurch erreiche er auch eine gewisse Breite in der Ausrichtung, und die einzelnen Musiker hätten eine andere Selbstwirksamkeit erlebt. „Ich überlege, wie man das nach Corona fortführen kann“, meint er.
Bis zum Kirchenmusiker Jacobus Gladziwa war es ein weiter Weg. Der gebürtige Aachener gehörte schon als Grundschüler der dortigen Domsingschule und dem Domchor an, lernte Klavier und entdeckte in der Kirche die „Klangpracht“ der Orgel, die ihn faszinierte: „Dieser orchestrale Klang, der durch die Imitation der verschiedenen Instrumente entsteht, das wollte ich auch können.“ Und dann hieß es üben: „Man wächst da rein, das Üben bekommt eine Selbstverständlichkeit wie das Zähneputzen“, erklärt der Musiker. Mit 15 übernahm er eine erste kleine Organistenstelle.
Studiert hat der junge Mann nach dem Abitur dann zuerst Orchesterleitung, und zwar in Dresden. Doch bald erkannte er, dass er die breiteren Möglichkeiten in der Kirchenmusik sehr schätzt und gern mit Laien arbeitet: „Am Theater hat man sehr kurze Probenzeiten. Mir macht es mehr Freude, Woche für Woche auf ein Ziel hinzuarbeiten.“ Also machte er auf den Rat eines Freundes hin in Leipzig noch einen Master in Orgelspiel und einen weiteren in Kirchenmusik.
2016 wurde er Dekanatskirchenmusiker im Dekanat Torgau mit Dienstsitz in Delitzsch, seit August 2017 zusätzlich bischöflicher Beauftragter für Kirchenmusik im Bistum Magdeburg. 2016 lernte Gladziwa bei einem Konzert in Krakau seine heutige Frau kennen; geheiratet haben die beiden 2018. Dass er sich dann auf die frei werdende Stelle in St. Ludwig bewerben wollte, entschied er mit ihr zusammen: „Wir waren der Meinung, dass Berlin gegenüber Delitzsch auf Dauer die spannendere Stadt ist“, sagt Gladziwa mit einem Augenzwinkern.
Durch Kirchenmusik Menschen erreichen, die mit dem Glauben ringen
Dass er hier in die Corona-Zeit kommen würde, konnte er nicht wissen. Dass nach einem halben Jahr ein bedeutender Wechsel in der Gemeindeleitung passieren würde – von den Franziskanern hin zu einem Diözesanpriester plus Kaplan – war schon vorher klar. Mit dem neuen Team sei vieles möglich, ist er sicher. Und so will er weiterhin die breite Ausrichtung der Kirchenmusik in St. Ludwig fördern, von klassischen bis zu modernen Werken mit den kleinen Chorgruppen arbeiten – „Ich gehe davon aus, dass die Arbeit in der großen Chorgruppe auch in diesem Jahr nicht möglich sein wird“ – und situationsangepasst kreativ die Kirchenmusik weiter verbreiten.
Für die Zukunft plant er, nach der Pandemie einen Kinderchor aufzubauen. Und er wünscht sich, dass die Kirchenmusik in der Kirche mehr als Kulturträger wahrgenommen wird – „schließlich ist der Kirchenchor in den meisten Gemeinden die größte Gruppe, und die Gottesdienstbesucher hören in den Gottesdiensten Woche für Woche Musik.“
Außerdem, ist Jacobus Gladziwa sich sicher, könne die Kirche über die Musik auch Menschen erreichen, die mit dem Glauben ringen: „Musikprojekte können einen anderen Horizont eröffnen.“
Von Cornelia Klaebe