Installation „Glowing Core“ in Berliner Kathedrale

Den Raum neu erfahren

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Bis zum 11. November ist nach Sonnenuntergang die Installation „Glowing Core“ von Rebecca Horn in der St. Hedwigs-Kathedrale zu sehen. Dreimal in der Woche ergänzt sie eine „Nachtmusik um 10“.

Rebecca Horns Installation „Glowing Core“ in der St. Hedwigs-Kathedrale. | Fotos: Uwe Gaasch

Ja, es stimmt, es ist eine neue Raumerfahrung: Schon die Kathedrale durch den „Hintereingang“ – die Sakristei – zu betreten, zeigt: Es ist anders als früher. Wer dann in die seit dem 1. September geschlossene Bischofskirche kommt und die Rückwand des Altarraums umrundet, erlebt einen großen, so nicht gekannten freien Raum, muss nicht um Bänke herumgehen. Umhüllt von einem Obertongesang, der mit seinen auf- und abschwellenden Klängen das Kircheninnere in Wellen durchläuft, fällt in der Dunkelheit des Abends die große Kunstinstallation „Glowing Core“ („Glutkern“) von Rebecca Horn in den Blick: Das blaue Licht von oben, die drei goldenen Trichter darunter, auf dem Boden ein großer runder Spiegel. Es ist die Skulptur „Das Universum in einer Perle“, die 2006 zuerst im Berliner Gropiusbau gezeigt wurde.
Die Künstlerin, die in der für den Umbau leer geräumten Kathedrale ihre Arbeit zeigt, ist international bekannt für ihre Raum-Installationen. Rebecca Horn, 74, Jahre alt und im Odenwald geboren, gilt als experimentierfreudig und innovativ. Gelobt wird gleichzeitig die Stringenz, mit der sich ein Werk aus dem anderen ergibt. Sie kennt die St. Hedwigs-Kathedrale aus der Zeit ihrer Lehrtätigkeit an der Berliner Hochschule der Künste von 1989 bis 2004. Obwohl sie derzeit aus gesundheitlichen Gründen nicht reisen kann, hat sie die Anordnung der Skulpturen in St. Hedwig selbst konzipiert.
Wer die große Skulptur aus der Nähe betrachten will, geht durch einen Kreis aus kleineren, darum herum angeordneten Objekten. Jedes von ihnen bestehen aus mehreren Elementen: Ein goldener, senkrecht stehender Stab. Ein eiserner Schädelabguss. Lichtquellen, die auf sich bewegende Spiegel gerichtet sind. Eine goldene Wasserschale und ein Feigenkaktus sind jeder Skulptur zugeordnet. Dem Skulpturenkreis entspringen unregelmäßig durch den Raum und die Kuppel wandernden Lichter.
„Ich finde es großartig, wie dieses Kunstwerk diesen Raum aufgreift“, sagt Dompropst Tobias Przytarski. Provozieren wolle man nicht damit, dass das Zentrum der Installation jetzt auf der provisorisch geschlossenen Bodenöffnung stehe – sondern eine Raumerfahrung der anderen Art ermöglichen. Das sei für die Zeit nach der Schließung der Kathedrale schon sehr früh geplant gewesen, und umso mehr freue es ihn, jetzt dieses Projekt bei freiem Eintritt zeigen zu können.
Durchschreitet der Besucher den Kreis der äußeren Skulpturen, um in die Mitte zu gelangen, kann er in den großen Bodenspiegel blicken. In dessen Zentrum liegt eine kleinere, sich im geneigten Winkel drehende Spiegelscheibe. Beim Blick nach oben zeigt sich, dass ihr gegenüber ebenfalls ein Rundspiegel hängt. Wie ins Unendliche spiegeln sich die Spiegel gegenseitig, nach oben erscheint es als Blick in den Himmel, nach unten – vor allem auch durch die reflektierten Bewegungen des Drehspiegels – wie der Blick in einen sehr tiefen Brunnen.

 

Beeindruckt von der spirituellen Dimension
Die Kuratoren Alexander Ochs und der Jesuit Pater Georg Maria Roers, die bereits 2016 die Ausstellungsreihe „Sein. Antlitz. Körper“ in Berliner Kirchen verantworteten, zeigen sich beeindruckt von der spirituellen Dimension der Arbeit. „Kirchen sind immer sakrale Räume, auch wenn sie ausgeräumt sind“, betont Ochs.
Dazu passe besonders auch die Reihe „Nachtmusik um 10“ unter der künstlerischen Leitung von Domkapellmeister Harald ­Schmitt, in deren Rahmen es jeweils dienstags, donnerstags und samstags abends um 22 Uhr ein halbstündiges Konzert gibt. Schmitt erklärt: „Es ist dabei keine strenge Kompletform vorgesehen.“ Vielmehr sei die Form „spirituell liturgisch frei“. Dabei gehe es von ganz kleiner bis zu einer ganz großen Besetzung, von einer einzelnen Geige bis zum 60-köpfigen Chor der St. Hedwigs-Kathedrale. Die Musiker sollen an verschiedenen Punkten im Raum positioniert sein, auch zwischen den Besuchern. „Wir hoffen“, so Schmitt, „dass viele dadurch den Raum noch einmal anders wahrnehmen – mit den Ohren.“

Der Blick in die Spiegel: Ein Detail aus der Installation.


Die Installation ist bis zum 11. November täglich von Sonnen­untergang bis 23 Uhr zu sehen.

 
Von Cornelia Klaebe