Der Patriarch der syrisch-katholischen Kirche auf Deutschlandbesuch

„Der Exodus geht weiter“

Image
Syrisch-orthodoxer%20Bischof.jpg

Ignatius Joseph III., Patriarch der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien, beklagt im Interview die Situation der Christen im Nahen Osten. Viele von ihnen sind geflohen und haben in aller Welt Gemeinden gegründet, auch in Hamburg.

Syrisch-katholischer Gottesdienst mit Ignatius Joseph III., Patriarch der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien mit Hamburger Gemeindemitgliedern
Der Gottesdienst wurde im antiochischen Ritus gefeiert. Foto: Matthias Schatz

Vergangene Woche besuchte der Patriarch der syrisch-katholischen Kirche von Antiochien, Ignatius Joseph III., die deutschen Gemeinden der mit Rom unierten Ostkirche. Zu Beginn der Reise war der Patriarch in Hamburg, wo er mit Abgeordneten des Bundestags und der Bürgerschaft sprach. Gabriel Azar, der den Besuch vonseiten der syrisch-katholischen Gemeinde in Hamburg begleitete, schätzt die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland auf 4 000 bis 5 000. Im Hamburg leben rund 200 Familien. Die größte syrisch-katholische Gemeinde gibt es in Köln und Umgebung, weitere noch in Essen, Trier, Augsburg, München und Berlin. Insgesamt werden sie von sechs Priestern betreut. Nach der Abendmesse am 22. Oktober in der Kirche St. Olaf im Stadtteil Horn hatte Ignatius Joseph III., der in Beirut residiert, Zeit für das folgende Interview. 

Was haben Sie der Gemeinde in der Predigt gesagt?

Sie sollen dem Herrn danken, dass er sie in dieses Land der Freiheit, der Gastfreundschaft geführt hat. Dass die Deutschen ihr Leiden verstehen. Aber sie sollten auch an ihre Heimatländer denken, an ihre Heimatgemeinden. Wir müssen die christliche Präsenz in unserer Heimat erhalten. Wir sind dort seit der Zeit der Apostel. Jesus sprach weder Latein noch Griechisch. Jesus sprach Aramäisch. Und wir bewahren diese Sprache Jesu.

Wie ist die hiesige Situation der syrisch-katholischen Kirche?

Die meisten Gläubigen sind in den vergangenen zehn bis 15 Jahren gekommen, also vor der Flüchtlingswelle 2015. Die meis­ten kamen aus dem Irak. Daneben kamen auch Gläubige aus Syrien, dem Libanon, der Türkei. Da unsere Gemeinden neu sind, brauchen sie noch Priester, Kirchen, Gemeinderäume. Wir haben noch keine, sagen wir, ‚kirchliche Zuständigkeit‘ wie etwa in den USA. Ich war ja der erste Bischof der syrisch-katholischen Kirche in den USA und Kanada. 

Und wie steht es darum, so eine Zuständigkeit einzurichten?

Rom möchte, dass unsere Kirche, die eine „Sui Juris“ Kirche ist, ihre Riten und Traditionen aus den Anfängen des Christentums bewahrt. Wir wollen das auch und arbeiten daran, unseren Gemeinden in aller Welt zu folgen. In ganz Europa haben wir 23 syrisch-katholische Priester. Vor zehn Jahren waren es nur fünf oder sechs. Unsere Gemeinden wachsen ständig, und deshalb haben wir Rom unseren Wunsch vorgetragen, in Europa Diözesen zu gründen. Aber es ist noch ein langer Weg zu gehen, um eine einvernehmliche Regelung zu finden.

Die syrisch-katholische Kirche entstammt einer seit Jahrzehnten stark erschütterten Region. Wie ist die Situation der Katholiken im Nahen Osten?

Im Nahen Osten ist unser Überleben sehr bedroht. Die Emigration, ja der Exodus geht weiter und weiter und man weiß nicht, was in naher Zukunft noch kommt. Dieser Exodus leert diese Region von ihrem christlichen Erbe. Im Irak haben wir eine verheerende Situation. Es gibt nach wie vor Gewalt und Chaos. Auch in Syrien in den vergangenen elf Jahren, nachdem es dort vorher 30 Jahre relativ geordnet zuging. Dieses Land erleidet viel Ungerechtigkeit, und zwar wegen der Haltung des Westens. 

Wie meinen Sie das?

Die USA und die EU wollen die Situation in Syrien nicht klären. Sie haben das Assad-Regime hart angegangen in den vergangenen elf Jahren und folgen ihren eigenen geopolitischen Interessen. Doch das Regime ist immer noch da. Die einfachen Menschen leiden dort, aber nicht die, die in der Regierung dafür verantwortlich sind. Sie leiden unter den Sanktionen der USA und der EU. Wir haben sie deshalb aufgefordert, die Sanktionen aufzuheben.

Aber dem Westen geht es auch um Demokratie und Menschenrechte.

Syrien war auf dem Weg zu einem laizistischen Staat, auch wenn es ein autoritäres Regime war und noch ist. Man kann nicht einfach die westliche Demokratie auf andere Länder übertragen. Man muss deren Kultur, deren Vielfalt an Konfessionen verstehen, dass Fundamentalismus in dieser Region sehr gewaltsam ist, dass man ihm mit harten Maßnahmen begegnen muss, um mehr Chaos und Gewalt zu verhindern. Das geht nicht mit demokratischen Wahlen, durch die muslimische Fundamentalisten an die Macht kommen können.

Hilft da nicht der interreligiöse Dialog, den auch der Papst bei seinem Besuch des Irak führte?

Der Papst hatte die Absicht, Frieden, Liebe und Toleranz in diese sehr gepeinigte Region zu bringen. Ich war da, um ihn in Bagdad und in Karakosch im Nord­irak zu begrüßen. Wir hoffen, dass das gelingt. Oft denken wir, dass unser Dialog mit den muslimischen Gemeinden das Richtige ist. Das ist aber leider nicht richtig. Oft ist das nur ein Monolog. Weil die Muslime nicht nachvollziehen, was religiöser Dialog ist. Die folgen ihrem heiligen Buch wortwörtlich und akzeptieren keine anderen Religionen. Sie meinen, nur ihre Religion sei die richtige, die anderen glaubten nicht an Gott und müssten islamisiert werden. Wir können die Mentalität von Menschen nur sehr schwer ändern und das verhindert den notwendigen Dialog. Solche Probleme beobachten wir auch hier in Europa. Obwohl Religionsfreiheit herrscht, wird die Gesellschaft trotzdem von Muslimen kritisiert, weil sie eine andere Lebensform gewählt haben.

Welche Herausforderungen gibt es hier in Europa? 

Hier in den europäischen Gesellschaften haben die Menschen alles, was sie zum täglichen Leben brauchen, zudem Macht und Zivilisation, die Menschenrechte werden beachtet. Aber viele wollen Gott hinter sich lassen. Das ist die schwierigste Versuchung für uns Christen, insbesondere für unsere Jugendlichen. Sie denken, dass Säkularisierung die einzige Antwort auf das Leben ist. Das ist nicht unsere Vorstellung und wir müssen daran arbeiten, die Jugend zu gewinnen. Denn wir haben die Stadt des Reiches Gottes zu errichten und nicht die Stadt auf dieser Erde. Deshalb prallen unser religiöses Erbe und die Kultur der Säkularisierung in Europa aufeinander. Ein echter Dialog ist hier unverzichtbar.

Interview: Matthias Schatz